Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Siebenzehntes Kapitel.

In Frankreich empfing man Sampiero mit Kälte, die Höflinge zischelten, vermieden ihn, höhnten ihn aus der Tugendmaske heraus. Sampiero war nicht der Mann, sich durch Höflinge schrecken zu lassen, noch war der Hof Catharina's von Medici das Tribunal, vor welchem eine ungeheure That gerichtet werden durfte, die einer der bedeutendsten Menschen seiner Zeit auf sich geladen hatte. Catharina und Heinrich vergaßen den Gattenmord, aber sie wollten für Corsica nichts mehr thun, als seine Befreiung gerne sehen.

Nachdem Sampiero als Diplomat alles versucht hatte, was ihm möglich gewesen war, und sich keine Aussicht auf fremde Unterstützung zeigte, beschloß er als Mann zu handeln und seiner wie seines Volkes Kraft allein zu vertrauen. Er schrieb an seine Freunde in Corsica, daß er kommen werde, sein Vaterland zu befreien oder zu sterben. »Es ist unsere Sache, so sagte er, eine letzte Anstrengung zu versuchen, um das Glück und den Ruhm einer vollständigen Freiheit zu erlangen. Wir haben an die Cabinette von Frankreich, von Navarra und Constantinopel gepocht. Wenn wir die Waffen nur an dem Tag ergreifen, wo wir im Kampf durch die Hülfe Frankreichs oder Toscana's unterstützt sein werden, so wird die Unterdrückung noch lange Zeit das Los des Landes sein. Und überhaupt, was würde der Preis für eine Freiheit aus fremdem Ursprunge sein? Um sich dem Joch der Perser zu entziehn und ihre Unabhängigkeit zu retten, sah man die Griechen zu ihren Nachbarn nach Hülfe gehen? Die italienischen Republiken bieten uns neue Beispiele von dem, was der starke Wille eines Volks vermag, wenn es mit ihm die Liebe zum Vaterlande vereint. Doria vermochte sein Land von dem Druck einer übermütigen Aristokratie zu befreien, und wir sollen warten, um uns zu erheben, bis die Soldaten des Königs von Navarra kommen in unsern Reihen zu kämpfen?«

Am 12. Juli 1564 landete Sampiero im Golf Valinco mit zwei Schiffen und einer Schar von zwanzig Corsen und von fünf und zwanzig Franzosen. Er versenkte die Galere, auf welcher er gefahren war. Als man ihn fragte, warum er das thue und wo er Rettung suchen wolle, wenn die Genuesen ihn überraschten, antwortete er: in meinem Schwert. Mit seinem Häuflein warf er sich auf das Schloß Istria, nahm dieses und stürmte fort auf Corte. Hier zogen ihm die Genuesen entgegen mit weit überlegener Macht, da Sampiero's Schar nur erst hundert Mann zählte. Aber so groß war der Schrecken, den sein bloßer Name einflößte, daß sie ihn kaum kommen sahen, als sie ohne das Schwert zu ziehen davonflohen. Corte that ihm die Tore auf, und so hatte er den ersten Stützpunkt gewonnen. Das Gemeindeland zögerte nicht mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen.

Vorwärts zog Sampiero auf Vescovato, die reichste Landschaft der Insel, an den Abhängen der Berge gelegen, welche sich zur schönen Küstenebene Mariana's niedersenken. Bei seinem Nahen versammelte sich das Volk, für die Erndten bange, in Angst vor dem Kriegsgewitter und in Bewegung gesetzt durch den Archidiaconus Filippini, den Geschichtschreiber der Corsen. Filippini riet dringend, sich still zu halten und Sampiero nicht zu sehen, was er auch thäte. Als nun Sampiero in Vescovato einzog, fand er den Ort still und das Volk in den Häusern, bis es endlich der Neugierde oder der Sympathie nachgab und hervorkam. Er redete es an und warf ihm vor, was es verdiente, Mangel an Vaterlandsliebe. Seine Worte machten tiefen Eindruck. Man bot ihm Gastfreundschaft; aber er strafte Vescovato mit Verachtung derselben und übernachtete unter freiem Himmel.

Der Ort wurde nichtsdestoweniger der Schauplatz einer blutigen Schlacht. Denn Nicola Negri führte die Genuesen gegen ihn zum Sturm. Es war ein mörderischer Kampf, um so mehr, als er bei der verhältnißmäßig geringen Zahl der Streitenden den Charakter des Einzelkampfes haben mußte. Auch Corsen kämpften gegen Corsen, weil eine Schar von ihnen im Dienst Genua's geblieben war. Als diese herandrang, warf sie Sampiero zurück, indem er ihnen zurief, es sei eine Schmach das Vaterland zu bestreiten. Der Sieg neigte sich schon auf die Seite Genua's, da einer der tapfersten Corsencapitäne Bruschino gefallen war; aber Sampiero stellte die Reihen wieder her, und es gelang ihm die Genuesen zu werfen.

Der Sieg bei Vescovato vergrößerte die Streitkräfte Sampiero's; ein zweiter bei Caccia, in welchem Negri blieb, brachte das ganze innere Land unter Waffen. Nun hoffte Sampiero auf ernstlichen Beistand von Toscana und selbst von den Türken, denn indem er mit so wenigen Mitteln Spanier und Genuesen überwunden hatte, zeigte er, was die Freiheitsliebe der Corsen vermögen würde, wenn man sie noch unterstützte.

Nach Negri's Tode hatten die Genuesen ihren besten Führer auf die Insel gesandt, Stefano Doria, würdig dieses Namens, durch seine Tapferkeit, seine Einsicht und seine Härte. Ein Heer von 4000 erkauften Deutschen und Italienern folgte ihm. Der Krieg entbrannte mit neuer Wut. Mehrere Niederlagen erlitten die Corsen, mehre die Genuesen, welche noch einmal nach Bastia zurückgeworfen wurden. Doria hatte einen Ueberfall auf Bastelica gemacht, diesen Geburtsort Sampiero's in Asche gelegt, und sein Haus dem Erdboden gleich machen lassen. Was galt Sampiero Haus, Habe und Gut, ihm welcher sein Weib dem Vaterland geopfert hatte? Aber immer bleibt die Politik Genua's bemerkenswert, den Patriotismus der Corsen mit ihren persönlichen Gefühlen in tragischen Streit zu bringen. Was sie vergebens bei Sampiero versucht hatten, gelang ihnen bei Achill von Campocasso, einem Manne von ungewöhnlichem Heldenmut, aus einem hochangesehenen Hause alter Caporali. Man fing seine Mutter. Der Sohn schwankte nicht einen Augenblick, er warf sein Schwert fort und eilte in das Lager Genua's, die Mutter zu retten. Aber weil ihm der Feind zumutete, Sampiero's Mörder zu werden, entwich er, und hielt sich still daheim. Immer mehr stand Sampiero von starken Freunden verlassen da, seitdem Bruschino gefallen, Campocasso zum Feinde gegangen, und auch Napoleon von Santa Lucia geschlagen worden war, der erste Corse, welcher diesen Namen durch Waffenthaten ausgezeichnet hat.

Wenn der ganze Haß von Corse und Genuese in zwei Namen sich nennen läßt, so sind es die von Sampiero und Doria. Stefano Doria übertraf alle seine Vorgänger an Grausamkeit. Er hatte geschworen, das corsische Volk zu vertilgen, und dies sind seine ausgesprochenen Grundsätze: »Als die Athener nach siebenmonatlichem Widerstande sich der Hauptstadt von Melos, der Verbündeten Sparta's bemächtigten, ließen sie alle Einwohner über vierzehn Jahre sterben und schickten dann eine Colonie, um die Stadt neu zu bevölkern und im Gehorsam zu halten. Warum ahmen wir dies Beispiel nicht nach? Etwa weil die Corsen weniger strafbar sind als die Rebellen jenes Landstriches? Durch diese schrecklichen Strafgerichte wollten die Athener zur Eroberung des Peloponneses, des ganzen Griechenlands, Afrika's, Italiens und Siciliens gelangen. Indem sie alle ihre Feinde über die Klinge springen ließen, stellten sie die Achtung und den Schrecken ihrer Waffen wieder her. Man wird sagen, daß wir mit dem Völkerrecht alle Gesetze der Menschlichkeit verletzen. Was thut es? wenn sie uns nur fürchten, das ist alles wornach ich frage. Ich mache mir mehr aus dem Urteil Genua's als aus dem der Nachwelt, mit dem man mich vergebens schreckt. Dies leere Wort Nachwelt hemmt nur Menschen, welche schwach und unentschlossen sind. Unser Vorteil ist es, den Kreis unserer Eroberung auszudehnen und den Empörern alles zu nehmen, was den Krieg ernähren kann. Nun, ich sehe nur zwei Wege, Vernichtung der Erndten, Niederbrennen der Dörfer und Umstürzen der Türme, wo sie sich verschanzen, wenn sie anders nicht kämpfen können.«

Diese Ratschläge Doria's sprechen den bis zur Verzweiflung gesteigerten Haß Genua's gegen das unzähmbare Volk der Corsen aus. Doria verwüstete die halbe Insel, ohne doch Sampiero überwinden zu können. Dieser hatte in Bozio eine Volksversammlung gehalten, die allgemeine Sache neu zu befestigen, die Zwölfmänner und andere volkstümliche Behörden neu zu ordnen und endlich eine Erhebung in Masse möglich zu machen. Sampiero war nicht bloß ein Kriegshauptmann, sein Blick reichte weit. Er wollte seinem Lande mit der Unabhängigkeit eine freie republikanische Verfassung geben, gestützt auf die alten Einrichtungen des Sambucuccio von Alando. Er wollte aus der Lage der Insel, aus ihren Forsten und Produkten alle die Vorteile ziehen, welche sie befähigten eine Seemacht zu werden; in Verbindung mit Frankreich wollte er Corsica frei, mächtig und herrschend machen, wie einst Rhodus und Tyrus es waren. Er selbst strebte nicht nach dem Titel eines Grafen von Corsica; er war der erste Vater des Vaterlandes, und die Zeiten der Signoren waren vorüber.

Er sandte Boten nach dem Festland, die Höfe, namentlich Frankreich um Unterstützung anzugehen; doch man überließ die Corsen ihrem Schicksal. Antonio Padovano kam von Frankreich mit leeren Händen zurück; er brachte nur mit sich Alfonso den jungen Sohn Sampiero's, 10000 Thaler Geld und dreizehn Fahnen, worauf geschrieben stand: Pugna pro Patria. Gleichwol erhoben die Corsen ein Freudengeschrei; die Fahnen welche Sampiero an die Capitäne verteilte, gaben Anlaß zu gefährlicher Eifersucht.

Hier sind Briefe, welche Sampiero schrieb:

An Catharina von Frankreich. Unsere Angelegenheiten sind bis so weit sehr gut gegangen. Ich kann Ew. Majestät versichern, daß wir ohne die geheime und offene Unterstützung, welche den Genuesen von Seiten des katholischen Königs von Spanien zugekommen ist, anfangs in 22 Galeren und 4 Schiffen mit einer großen Zahl Spanier, unsere Feinde so in die Enge gebracht hätten, daß sie heute ohne feste Stellung sein würden. Nichtsdestoweniger und komme was da wolle, wir geben nie den einmal gefaßten Entschluß auf, eher zu sterben, als uns in welcher Weise es sei der Herrschaft der Republik zu unterwerfen. Ich bitte folglich Ew. Majestät in diesen Umständen meine Ergebenheit an Ihre Person und die meines Vaterlandes an Frankreich nicht zu vergessen. Wenn der katholische König sich den Genuesen so geneigt zeigte, die schon ohnehin an sich so mächtig gegen uns sind, die wir von aller Welt verlassen da stehn, wird Ew. Majestät zugeben, daß wir unter den Händen unserer grausamen Feinde umkommen?

An den Herzog von Parma. Sollten wir der ottomanischen Pforte tributbar werden, mit Gefahr alle Fürsten der Christenheit zu beleidigen, so steht unser Entschluß unwiderruflich fest: hundertmal lieber die Türken als die Herrschaft der Genuesen. Frankreich selbst hat den Friedensschluß nicht geachtet, welcher doch, so sagte man, unsere Rechte sichern und unsern Leiden ein Ende machen sollte. Wenn ich mir die Freiheit nehme, Sie mit den Angelegenheiten der Insel zu behelligen, so geschieht es damit Ew. Hoheit im Notfall sie beim Hof zu Rom gegen die Angriffe unserer Feinde verteidigen können. Ich will, daß meine Worte wenigstens ein feierlicher Protest gegen die grausame Gleichgültigkeit der katholischen Fürsten bleiben und eine Berufung an die göttliche Gerechtigkeit.


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