Hermann Melville
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Hermann Melville

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Siebzigstes Kapitel

Am nächsten Morgen machten wir sorgfältig Toilette, setzten unsere Sombreros auf und unternahmen einen Spaziergang. Wir wollten vor allem vorsichtig zu erfahren suchen, welche Aussicht weiße Männer auf eine Anstellung bei der Königin hatten. Was Pao-Pao uns darüber gesagt hatte, war nicht ermutigend gewesen; wir beschlossen daher, uns noch anderweitig zu erkundigen.

Partuwei besteht aus kaum mehr als achtzig Häusern, die in einem weiten Hain verstreut liegen. Mitten hindurch fließt ein klarer Bach; die Hauptstraße führt über eine elastische Brücke aus Kokosstämmen. Diese Straße verläuft in breiten Windungen und ist überall schattig; man kann sich keinen schöneren Morgenspaziergang denken. Die Häuser, die ohne jede Rücksicht auf die Straße erbaut sind, liegen zwischen den Bäumen, so daß man bald ihre Fassaden, von anderen nur eine Ecke oder die Rückseite sieht. Manche sind von einem Zaun aus Bambusstäben umgeben, manche haben ein einsames, massives Glasfenster mitten in der Wand, wieder andere eine sonderbare, rauh gezimmerte Holztür, die sich in schiefstehenden Angeln dreht. Sonst sind alle nach der Weise der Eingeborenen gebaut und sehen zum mindesten von außen höchst malerisch aus.

Die Leute, die uns auf unserem Spaziergang begegneten, grüßten uns freundlich und luden uns in ihre Häuser ein, und so machten wir sogleich eine Anzahl kurzer Morgenbesuche. Aber es war offenbar nicht die übliche Besuchsstunde in Partuwei, denn die Damen waren alle noch im Negligé. Das hinderte nicht, daß sie uns sehr freundlich empfingen, besonders den Doktor, den sie sogar streichelten und dem sie liebevoll um den Hals fielen; all dies, weil er ein auffallend buntes Halstuch trug, das Afriti dem frommen jungen Manne geschenkt hatte.

Im allgemeinen machten die Eingeborenen von Partuwei einen viel besseren Eindruck als die von Papiti, zweifellos, weil sie weniger Verkehr mit Fremden hatten.

An einer Krümmung des Weges blieben wir ganz erstaunt stehen: vor uns im Hain lag ein Häuserblock: regelrechte viereckige, mit Brettern gedeckte, zweistöckige Häuser mit Fenstern und Türen! Wir eilten hin und fanden, daß sie bereits im Verfall waren; die Wände waren schmutzig, da und dort mit Moos bewachsen, die Fenster ohne Scheiben, die Türöffnungen ohne Türen; auf der einen Seite hatte sich der ganze Block um beinahe einen Fuß gesenkt. Wir traten ein und konnten durch das Gebälk bis zum Dach hinaufsehen; durch Spalten und Ritzen fiel das Licht auf die Spinnennetze, die überall hingen. Im Innern war es dumpf und. dunkel. Auf ein paar alten Matten in einer Ecke lagerten ein paar eingeborene Landstreicher wie Zigeuner in einer Ruine.

Wir erkundigten uns, wer in aller Welt in Partuwei eine derartige Bauunternehmung versucht haben konnte, und erfuhren, daß der Block einige Jahre zuvor von einem richtigen Yankee – das hätten wir uns denken können! – aufgeführt worden war, der von Beruf Zimmermann und von Natur ein kühner unternehmender Bursche war. Er hatte wegen Krankheit sein Schiff verlassen und ans Land gehen müssen, und als er wieder gesund war, hatte er sich mit Hobel und Stemmeisen nützlich gemacht. Verläßlich und arbeitsam, hatte er das Vertrauen mehrerer Häuptlinge gewonnen und hatte ihnen vorgehalten, daß es den Leuten von Imio an Sinn fürs Gemeinwohl und für Fortschritt in erschreckender Weise fehlte. Insbesondere fand er es beschämend, daß sie in schlechten Bambushütten wohnten, wo man so leicht herrliche Holzpaläste aus Brettern aufführen konnte. Ein alter Häuptling ließ sich bereden, und der Zimmermann erhielt den Auftrag, eine Anzahl solcher Paläste zu erbauen. Leute erhielt er genug, ging an die Arbeit, errichtete eine Sägemühle im Gebirge, ließ Bäume fällen und kaufte Nägel in Papiti. Das Schloß stieg rasch aus der Erde, aber das Dach war kaum gedeckt, als der Bauherr, der sich verspekuliert hatte, zusammenbrach und auch nicht eine Tabakschnitte aufs Pfund zu bezahlen imstande war. Sein Zusammenbruch riß den Zimmermann mit, der auf dem nächsten Schiff, das im Hafen anlegte, seinen Gläubigern davonfuhr.

Die Eingeborenen verachteten den gebrechlichen Holzpalast und blieben oft kopfschüttelnd und höhnend davor stehen.

Wie wir erfuhren, wohnte die Königin am anderen Ende des Dorfes, und wir beschlossen, sogleich dahinzugehen, um zu erfahren, ob irgendwelche Geheimrats- oder Ministerposten frei wären. Wenn auch das meiste nur Scherz meines witzigen Gefährten und Unsinn gewesen war, so dachten wir doch wirklich, bei Hof unseren Vorteil zu finden.

Der Palast war ein eigentümlicher Bau. Ein breiter Damm aus behauenen Korallenblöcken war ins Wasser hinausgeführt; auf ihm standen acht oder zehn sehr große Häuser, die sich bis tief in den benachbarten Hain erstreckten, im Eingeborenenstil, aber ganz reizend gebaut und von einem niederen Bambuszaun umgeben, der ein beträchtliches Grundstück umschloß. Überall auf den Gesellschaftsinseln findet man die Wohnungen der Häuptlinge in der unmittelbaren Nähe des Meeres; sie haben dort den Vorteil der kühlen Seewinde; die störenden Insekten kommen weniger hin, und der Schatten der benachbarten Haine liegt in nächster Nähe.

Innerhalb der Umzäunung sahen wir sechzig bis achtzig wohlgekleidete Eingeborene, Männer wie Frauen; einige lagerten im Schatten der Häuser, andere unter den Bäumen, eine kleine Gruppe stand plaudernd dicht am Zaun in unserer Nähe. Auf diese gingen wir zu, grüßten in der üblichen Weise und wollten eben über die Bambushecke springen, als sie uns ärgerlich sagten, daß dies nicht gestattet sei. Wir erklärten unseren ernsten Wunsch, die Königin zu sehen und deuteten an, daß wir wichtige Nachrichten brächten. Aber das half nichts, und sehr verstimmt mußten wir unverrichteter Dinge nach dem Hause Pao-Paos zurückkehren.

 


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