Hermann Melville
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Hermann Melville

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Vierundfünfzigstes Kapitel

Zwei Rinder und ein Eber! Das war keine schlechte Beute an einem Tage! Bei Fackellicht marschierten wir in die Pflanzung ein; das wilde Schwein schaukelte an der Stange, der Doktor sang mit seiner prachtvollen Stimme ein altes Jagdlied, dessen Refrain die wilden Rufe der Eingeborenen übertönte.

Wir zündeten nun außerhalb des Hauses ein großes Feuer an; ein Kuhviertel wurde an einem Zweig des Bananenbaumes aufgehängt, und jeder konnte sich davon abschneiden und backen, was er wollte. Körbe mit gebratener Brotfrucht, Teropudding, Bananenbüschel und junge Kokosnüsse waren von den Eingeborenen bereitgelegt worden. Das Feuer flammte hell, es hielt die Moskitos ab, und der rote Schein fiel auf die Gesichter, die zu glühen schienen. Das Fleisch hatte vollkommenen Wildgeschmack; unser gewaltiger Appetit tat das seine hinzu; ein paar Flaschen weißen Branntweins, die Zeke aus seinem Geheimvorrat holte, machten die Runde. Das Temperament des langen Doktors war unerschöpflich. Nachdem er seine Geschichten erzählt und seine Lieder gesungen hatte, sprang er auf, faßte eine der jungen Damen aus dem Hain um die Hüfte und walzte mit ihr über die Wiesen. Ich würde nicht fertig, wenn ich all seine Streiche und Einfälle in dieser Nacht erzählen wollte. Die Eingeborenen, die nichts lieber haben als lustige Leute, erklärten ihn für »mehteh«, »herrlich«. Es war lange nach Mitternacht, als wir aufbrachen; aber als die anderen sich zur Ruhe begaben, ging Zeke mit der Wirtschaftlichkeit des Yankees erst ans Einsalzen des übrigen Fleisches.

Der folgende Tag war ein Sonntag, und auf meine Bitte begleitete mich der Kleine nach Afreheitu, einer benachbarten Bucht, die Papiti gegenüberlag und Sitz einer Mission war. Dort war auch eine große Kirche und ein Schulhaus, beide ganz verfallen; zwischen Büschen auf einem schönen Hügel stand ein geschmackvolles Landhaus, von dem man die Aussicht über die Wasserstraße hat. Beim Vorübergehen konnte ich gerade noch ein nettes Kattunkleid sehen, das eben mit anmutiger Bewegung durch eine Türe vom Vorplatz verschwand. Dort wohnte der Missionar. Am Ufer tanzte ein schmuckes kleines Segelboot an seiner Vertäuung. In dem tiefer gelegenen Land in der Nachbarschaft zerstreut, lagen mehrere Eingeborenenhütten, die immer noch unsauber genug, aber doch weit besser als die meisten in Taheiti aussahen.

Wir gingen zum Gottesdienst in die Kirche; die Gemeinde war klein, und ich konnte nichts besonders Interessantes beobachten. Immerhin fiel mir auf, daß die Zuhörer merkwürdig unruhig schienen. Die Erklärung war, daß der Prediger das achte Gebot zu seinem Text gewählt hatte.

Ein Engländer hatte in dem Bezirk eine Pflanzung, in der er wie unsere beiden Freunde Tombez-Kartoffeln für den Markt in Papiti zog. Trotz all seinen Vorsichtsmaßregeln machten die Eingeborenen nächtliche Streifzüge auf sein umzäuntes Gebiet und stahlen die Kartoffeln. Einmal feuerte er eine mit Pfeffer und Salz geladene Vogelflinte auf mehrere Schatten ab, die sich auf seinem Grunde bewegten und sogleich flohen. Aber es schien, daß diese Würze ihr Vergnügen nur erhöht hatte; schon in der nächsten Nacht erwischte er eine Bande, die einen Korb voll Kartoffeln unter seinem eigenen Küchendach röstete. Schließlich führte er Klage beim Missionar, der zum Besten der Gemeinde die Predigt hielt, die wir eben angehört hatten.

In Martehr gab es keine Diebe. Allerdings wurden die Leute für ihre Ehrlichkeit bezahlt. Zwischen ihnen und den Pflanzern bestanden geschäftliche Abmachungen: sie erhielten ein bestimmtes Maß Süßkartoffeln auf die Hand; dafür durften sie nicht räubern. Daß ihr Häuptling Tonoi in der Pflanzung wohnte, gewährte weitere Sicherheit.

Als wir nachmittags nach Martehr zurückkamen, machten der Doktor und Zeke sichs gerade bequem. Der Hausherr lag pfeiferauchend auf dem Boden und sah dem Doktor zu, der nach türkischer Art vor einem mächtigen eisernen Kessel sitzend, Kartoffeln und indische Rüben schnitt, dann wieder einen Knochen zerkleinerte und all dies der Reihe nach in den Topf warf, in dem er eine Ochsenbrühe bereitete. Er war in allen gastronomischen Dingen ein Künstler und verbrachte den ganzen Tag mit »experimentellem Kochen«, wie er es nannte. Er schmorte, briet am Rost, würzte Fleischschnitten und unterwarf sie allen möglichen Behandlungen über verschiedenem Feuer. Es war übrigens das erste frische Rindfleisch gewesen, das wir seit mehr als einem Jahr gekostet hatten.

»Es wird bald besser mit ihm gehen,« sagte Zeke, als es Nacht wurde und das lange Gespenst eben ein mächtiges Rippenstück über den Kohlen wendete, »was glaubst du, Paul?«

»Er wird es schon machen,« erwiderte ich, »seine Wangen müssen nur Farbe kriegen.« Es war mir sehr recht, daß der Glaube an die Krankheit des Doktors so rasch dahinschwand; denn er hatte sich daraufhin ein angenehmes Dasein auf der Pflanzung versprochen, und zweifellos auf meine Kosten.

 


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