Hermann Melville
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Hermann Melville

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Vierzehntes Kapitel

Da es nach dem Hafen ging, widmeten sich Sägspan und Spund immer mehr der Flasche, und mit bitterem Neid sahen die anderen, wie die beiden »Genossen« Tag für Tag in steigender Fröhlichkeit über das Deck schwankten.

Dabei sah sie niemand trinken, ausgenommen, wenn der Steward allen ihre Ration austeilte; und wenn man sie fragte, wie sie es machten, sich zu besaufen, wurden sie sogleich nüchtern. Trotzdem kam man ihnen zuletzt auf ihre Schliche.

Die Fässer mit Pisco waren unter dem Achterluk verstaut, das aus diesem Grunde durch eine Stange mit einem Vorhängeschloß gesichert war. Der Bottler jedoch brach von der anderen Seite ein; aus dem vorderen Teil des Schiffsraumes kroch er über tausend Hindernisse und in steter Gefahr, bei der Bewegung des Schiffes zerquetscht zu werden, bis dahin, wo die Fässer lagen. Er konnte zunächst nur an eines gelangen, das mit seinem Spundloch nach oben auf dem Bauche lag. Vermittels eines entsprechend gebogenen eisernen Faßreifens gelang es ihm, nach langem Hebeln und Hämmern den Spund hineinzustoßen; dann band er sein Halstuch an das Ende des Reifens, tauchte es immer wieder ein, zog es heraus und drückte es jedesmal über einem kleinen Eimer aus.

Er war ein Gast, wie sich die Schankwirte ihn wünschen. Er trank stetig, aber so, daß er noch die Besinnung und die nötige Herrschaft über seine Glieder behielt; in diesem Zustand der Trunkenheit blieb er; »so wie es gerade recht ist«, nannte er es. Dann ging er mit merkwürdigen, ruckartigen Bewegungen, zog von Zeit zu Zeit seinen Hosenbund hoch und sah beim Sprechen dem anderen sonderbar starr ins Gesicht, blieb aber sonst erträglich. Nur daß er stets außerordentlich patriotisch wurde. Lord Nelson war sein Abgott. Aber es genügte ihm nicht, daß der Held ein Auge und einen Arm verloren hatte; er behauptete fest und steif, daß ihm in einer Schlacht auch das Bein abgeschossen worden sei. Nun hatten wir an Bord einen gutmütigen rundlichen Dänen, »Dunk« genannt. So oft der Bottler ihm begegnete, hüpfte er, das linke Bein mit der rechten Hand auf den Rücken haltend und das eine Auge geschlossen, auf dem anderen Bein auf ihn zu und hieß ihn den Mann ansehen, der seine Landsleute bei Kopenhagen so verhauen hatte. »Da sieh, Dunk,« rief er, sich mühsam aufrecht haltend und mit dem offenen Auge krampfhaft blinzelnd, »da sieh: ein Mann, nein, zum Henker, ein halber Mann, mit einem Bein, einem Arm, einem Auge, nur ein Stück Mensch überhaupt, hat deine ganze schäbige Nation verhauen! Oder willst du's leugnen, du Jammerlappen?«

Der Däne war ein äußerst geduldiger Mensch, verstand außerdem nur sehr wenig Englisch und antwortete in der Regel nicht; und so ließ der Bottler sein Bein los und entfernte sich mit der Miene eines Menschen, der es unter seiner Würde findet, noch ein Wort zu sagen.

 


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