Hermann Melville
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Hermann Melville

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Siebentes Kapitel

Hardy hatte mir manche interessante Mitteilung gemacht. Er hatte so lange auf der Insel gelebt und war mit den Sitten der Eingeborenen vollkommen vertraut; ich bedauerte nur, daß er bei der Kürze unseres Aufenthalts mir nicht mehr hatte sagen können. Immerhin hatte ich zu meiner Überraschung erfahren, daß die Leute von Heivarhu, obschon die Insel zur gleichen Gruppe gehörte, sich von meinen tropischen Freunden im Taïpital beträchtlich unterschieden. Da seine Tätowierung solches Aufsehen erregte, hatte Hardy uns viel davon erzählt, wie die Kunst auf der Insel ausgeübt wurde. Die Tätowierer von Heivarhu sind auf der ganzen Gruppe berühmt. Ihr Beruf war ein ehrenvoller, und wie vornehme Schneider nahmen sie die höchsten Preise, so daß nur die reicheren und höhergestellten Wilden sich an sie wenden konnten. Daher war die Eleganz der Tätowierung fast immer ein sicheres Zeichen einer vornehmen Geburt und eines bedeutenden Vermögens.

Professoren, die eine große Praxis hatten, lebten in geräumigen Häusern, die durch Tappavorhänge in zahlreiche kleine Gemächer abgeteilt waren, in denen die Klienten einzeln bedient wurden. Denn ein sonderbares Tabu schrieb jedermann, hoch oder niedrig, die strengste Abgeschiedenheit vor, solange er sich in der Behandlung des Tatöwierers befand. Jeder Verkehr ist ihm untersagt; die wenige Nahrung, die er zu sich nehmen darf, wird von einer unsichtbaren Hand unter dem Vorhang hereingeschoben. Denn die Nahrungsaufnahme ist beschränkt, um die Entzündung, die auf die Stiche und die Einführung des Farbstoffs folgt, möglichst abzuschwächen. Immerhin braucht sie ihre Zeit, um zu heilen, so daß die Isolierung oft wochenlang dauert. Wenn alles abgeheilt ist, kann der Mann gehen, muß aber bald wiederkommen; denn der Schmerz ist so heftig, daß immer nur eine kleine Fläche auf einmal behandelt werden kann, und da der ganze Körper in langsamem Verfahren mehr oder minder verschönert werden soll, so stehen die Ateliers niemals leer. Viele verbringen keinen geringen Teil ihres Lebens damit, sich tätowieren zu lassen. Man fängt gewöhnlich in jungen Jahren an, sucht einen hervorragenden Künstler aus, der zunächst einen Gesamtplan entwirft. Manche Tätowierer, die die höchste Vollkommenheit anstreben, haben ein oder zwei Leute niedrigsten Standes, die aber einen hohen Lohn erhalten, im Dienst, an denen sie ihre neuen Muster zunächst versuchen und sich sonst in Übung erhalten. Wenn ihre Rücken gänzlich verbraucht sind, werden sie entlassen; die Leute, die sich dazu hergeben, sind allgemein verachtet.

Es gibt aber auch armselige Wandertätowierer, die dank ihrem Beruf unbelästigt von einer Bucht zur anderen ziehen und spottbillig für die große Menge arbeiten. Sie erscheinen vor allem bei den verschiedenen religiösen Festen, bei denen viel Volk zusammenströmt. Wenn die Feste zu Ende sind, bleiben die zahlreichen kleinen Zelte aus grobem Tappa stehen; in jedem wohnt ein einsamer Mann, der mit seinem unsichtbaren Nachbarn nicht einmal reden darf und dort bleiben muß, bis er vollkommen geheilt ist. Diese Wanderkünstler sind die Schande ihrer Profession, und ihre Arbeit ist höchst minderwertig.

Kunstgenossen pflegen zusammenzuhalten; auch in Hannamenu bildeten die Tätowierer eine wohlorganisierte Genossenschaft oder einen Orden, und Hardy, als einflußreicher weißer Mann, war eine Art Ehrenpräsident. Der blaue Hai und ein »Urim und Tumim« auf seiner Brust waren die Zeichen seiner Würde. Er erzählte uns, daß etwa zwei Jahre nach seiner Ankunft schlechte Zeiten eintraten, weil die Brotfruchternte mehrmals teilweise fehlschlug. Die Folge war, daß die teuren Tätowierer wenig zu tun hatten und gleichfalls in Not gerieten. Aber Hardys königlicher Verbündeter wußte Rat. Unter den Tönen der Muscheltrompeten wurde vor dem Palast, am Strande und oben im Tal verkündet, daß Numai, König von Hannamenu und Freund Hardi-Hardis, des Weißen, ein offenes Herz hatte und offenen Tisch für alle Tätowierer hielt; dafür mußten sie ohne Honorar ihre Kunst an jedem, auch dem geringsten Eingeborenen, der es verlangte, ausüben.

Scharenweise strömten nun Künstler und Klienten nach der königlichen Behausung. Es war eine große Zeit; und da die Palastgebäude für jedermann Tabu waren, die Tätowierer und die Häuptlinge ausgenommen, so bewohnten die Klienten ein großes Zeltlager auf dem Platz innerhalb der Umzäunung.

Lange wird man »Nora Tettuhs«, der Zeit der Tätowierung, gedenken. Das Ereignis wurde sogar in Versen gefeiert, und Hardy übersetzte uns einige Zeilen der Dichtung etwa so:

»Wo ist der Klang?
In Hannamenu.
Und warum der Klang?
Der Klang von hundert Hämmern
Die klopfen, klopfen, klopfen,
Die Haifischzähne!Der Farbstoff wird vermittels eines Haifischzahns eingeführt, der am Ende eines kurzen Stabes befestigt ist, während der Tätowierer mit einem kleinen Holzhammer auf das andere Ende klopft.

Wo ist das Licht?
Rings um des Königs Haus.
Und das kleine Lachen?
Das kleine, lustige Lachen ist's
Der Söhne und Töchter der Tätowierten.

 


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