Hermann Melville
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Hermann Melville

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Zweiundfünfzigstes Kapitel

In dieser Nacht mußten das lange Gespenst und ich nach tapferer Verteidigung vor den Moskitos aus dem Hause flüchten.

Die Eingeborenen erzählen folgende Geschichte davon, wie diese Insekten nach der Insel kamen. Vor einigen Jahren war ein Walfischfänger in eine benachbarte Bucht eingefahren; der Kapitän war mit den Eingeborenen in Streit geraten, hatte vor ihrem Gericht Klage geführt und nicht recht erhalten, während er sich im Recht glaubte. Er beschloß, sich zu rächen und schleppte in einer Nacht ein Faß mit fauligem Wasser hinter seinem Boot ans Land und ließ es auf einem verlassenen Rübenfeld liegen, wo der Boden warm und feucht war. Daher kamen die Moskitos. Er hieß Nathan Coleman und das Schiff kam aus Nantucket. Wenn die Moskitos mich zu sehr plagten, schuf es mir eine gewisse Erleichterung, ein einsilbiges Wort vor den Namen Coleman zu setzen und beide in heftigem Ton auszusprechen.

Auf den Rat des Doktors gingen wir an den Strand hinab, wo auf einem Gerüst ein langes Dach zu sehen war, das mählich zerfiel; der Luftzug, hofften wir, würde die Moskitos abhalten. Unter dem Dache befand sich ein altes Kriegskanu, das gleichfalls langsam zu Staub zerfiel; es lag auf rauhen Blöcken und war wohl nie auf dem Wasser gewesen. Ursprünglich schien es mit grüner Farbe gestrichen, die jetzt zu einem schmutzigen Purpur geworden war. Die Spitze endete in einem hohen stumpfen Schnabel; an beiden Seiten war reiches Schnitzwerk; am Hinterende sah man zwei Haifische mit Falkenklauen, die einen aus dem Holz ragenden Knoten umfaßten. Es sah ganz heraldisch aus, und der Doktor behauptete, es wäre das Wappen des königlichen Hauses der Pomari. Das Kanu war mindestens vierzig Fuß lang, etwa zwei Fuß breit und vier tief. Der obere Teil, aus schmalen, mit Bindseln zusammengehaltenen Brettern, war teilweise abgefallen und lag verwitternd auf dem Boden. Zum Schlafen war Platz genug, und wir kletterten hinein, der Doktor am Bug, ich am hinteren Ende. Ich schlief bald, wachte aber plötzlich ganz steif wieder auf, mir war, als läge ich bereits in meinem Sarge. Ich fragte den Doktor nach seinem Befinden. »Schlecht«, antwortete er und warf sich in dem staubigen Abfall umher, der auf dem Boden unserer Schlafstätte lag. »Pfui, wie diese alten Matten riechen.« In dieser Weise fuhr er fort, aber ich antwortete bald nicht mehr und nahm eine arithmetische Träumerei auf, um einzuschlafen; da dies nichts nützte, beschwor ich ein graues Bild eines flutenden Chaos, und lag bereits in halbem Schlaf, als ich ein Summen hörte – das Unheil war da! Das Geschöpf schoß ins Kanu wie ein Schwertfisch, und ich schoß hinaus. Ich fand den Doktor bereites im Freien, der sich wild mit einem Paddelruder fächelte. Er war einem Schwarm entflohen, der das andere Ende des Kanus angegriffen hatte.

Wir wollten es nun anders versuchen und schoben ein kleines Fischerboot, das in der Nähe am Strande lag, ins Wasser, paddelten ein gutes Stück vom Ufer fort und warfen dann den bei den Eingeborenen üblichen Anker, einen schweren Stein, der an einer geflochtenen Rindenschnur hing, über Bord. Das die Insel umgebende Riff lag hier ziemlich nahe, das Wasser der Lagune war glatt und ganz flach. Es war ein herrlicher Gedanke. Wir schliefen fest, bis die Sonne aufging und die Bewegung des Bootes uns weckte. Aufblickend sah ich Zeke, der zum Strande watete und uns an der Rindenschnur nachzog. Er wies nach dem Riff: wir waren gerade noch dem Tode entgangen. Die Wassergeister hatten unseren Stein aus der Schlinge gerollt, und wir waren auf das Riff zugetrieben.

 


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