Hermann Melville
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Hermann Melville

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Fünfundsechzigstes Kapitel

Da wir die Gesellschaft in Luihulu sehr angenehm fanden, insbesondere die jungen Damen ganz umgänglich waren, und wir außerdem das herrliche Essen im Hause des alten Marharweh zu schätzen wußten, nahmen wir seine Einladung, noch ein paar Tage zu bleiben, gerne an. Dann, sagte er, konnten wir uns einem kleinen Ausflug in Kanus nach einem Platz, der ein oder zwei Meilen entfernt lag, anschließen. Die Eingeborenen sind selbst jeder Anstrengung so abgeneigt, daß sie wirklich glaubten, die Aussicht, ein paar Meilen Fußwegs zu ersparen, würde uns fraglos zum Bleiben bestimmen.

In den Häusern auf dem Hügel wohnte eine gemütliche Vetterngemeinde, deren Haupt unser Wirt war. Marharweh war ein kleiner Häuptling, dem das Land gehörte. Wie Kapitän Bob war er von der alten Schule und pflegte die Sitten der vergangenen Zeit und des Heidentums. Nirgends, außer in Tameh, fanden wir die Lebenshaltung der Eingeborenen weniger verdorben und verändert. Das taheitische Mahl nach alter Art, das uns am Tag unserer Ankunft gegeben wurde, entsprach dieser Lebensführung.

Wir verbrachten eine köstliche Zeit. Der Doktor ging seine Wege und ich die meinen; er wanderte mit einer hübschen Gefährtin ins Land hinein, angeblich, um zu botanisieren, während ich mich meistens im Wasser aufhielt und manchmal die Mädchen in einem Kanu mit mir nahm. Oft gingen wir fischen, aber nicht mit stumpfsinnigen Angeln, sondern wir sprangen einfach ins Wasser und jagten unsere Beute, den Speer in der Hand, über die Korallenfelsen. Das ist ein herrlicher Sport. Die Leute von Imio fangen die Fische stets in dieser Weise. Die seichte Lagune zwischen Riff und Ufer und bei der Ebbe das Riff selbst eignen sich besonders dafür. Fast zu jeder Tageszeit, die der Mittagsruhe ausgenommen, kann man Fischjäger an der Arbeit sehen; mit lautem Hallo, die Speere schwingend, sieht man sie nach allen Richtungen durch das aufspritzende Wasser eilen. Bisweilen kann man einen einsamen Eingeborenen weit draußen auf einer Sandbank waten sehen, scharf ausblickend, mit gesenktem Speer. Aber am schönsten ist es bei Fackellicht auf dem großen Riff. Die Fackel ist nichts weiter als ein gut zusammengeschnürtes Bündel von trockenem Rohr, der Speer eine lange leichte Stange mit eiserner Spitze, die auf der einen Seite einen Widerhaken bildet. Nie werde ich die Nacht vergessen, in der der alte Marharweh und wir anderen zum Riff paddelten und bei Mitternacht unter lodernden Fackeln auf die Korallenbänke sprangen. Wir waren mehr als eine Meile vom Land entfernt. Das finstere Meer, das von draußen an die Felsen donnerte, spritzte den Schaum in unsere Gesichter und drohte die Fackeln zu verlöschen; soweit das Auge reichte, sahen wir zwischen dem dunkeln Himmel und dem Wasser einen weißen Streifen wolkigen Schaumes, der den Lauf der Korallenwand verriet. Die wilden Fischer sprangen, ihre Waffen schwingend, brüllend und schreiend wie Dämone, um die Fische aufzuscheuchen, von Bank zu Bank und schleuderten ihre Speere oft mitten in die Brandung.

Fische speeren war nicht der einzige Sport in Luhulu. Dicht am Ufer stand ein mächtiger alter Kokosnußbaum, dessen Wurzeln von den Wellen so ausgewaschen waren, daß der Stamm sich weit hinaus übers Wasser beugte. Von seiner Spitze hing ein kräftiges Rindenseil, dessen Ende etwa acht bis zehn Schritte vom Ufer das Wasser berührte. Das war eine taheitische Schaukel. Ein eingeborener Junge faßt das Seil, schwingt sich erst gemächlich hin und her, bis er plötzlich wie eine Rakete in die Luft steigt, daß er fünfzig und sechzig Fuß hoch über dem Wasser schwebt. Ich hatte nicht das Herz dazu; daher schickte ich einen Jungen hinauf, der eine zweite Schnur oben befestigte, und brachte unten einen bequemen Korb aus grünen Zweigen an, in dem ich mich mit einigen guten Freundinnen stundenlang über Land und Meer schaukelte.

 


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