Hermann Melville
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Hermann Melville

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Zwölftes Kapitel

Nicht lange nach dem Tode der zwei Matrosen hörten wir, daß Kapitän Guy im Sterben liege; er hätte vielleicht noch ein oder zwei Tage zu leben, hieß es. Der Doktor, der die Kajüte unter keinen Umständen hatte betreten wollen, gab jetzt nach und machte seinem Feind einen Krankenbesuch. Er verschrieb ein warmes Bad. Das Oberlicht wurde entfernt, ein Faß in die Kajüte hinabgelassen und mit Eimern aus dem Schiffskessel gefüllt. Der Patient schrie furchtbar, als er in dies Bad getaucht wurde; nachher legten sie ihn, mehr tot als lebendig, auf den Heckbalken.

An diesem Abend war der Steuermann vollkommen nüchtern. Er kam nach vorn ans Ankerspill, wo wir herumlungerten, und rief den Doktor, mich und zwei oder drei andere, die er bevorzugte, nach achtern, und in Gegenwart Bembos, des Maori, sagte er: »Ich habe euch was zu sagen, Leute. Außer Bembo ist keiner an Bord, der nach achtern gehört. Darum habe ich euch als die besten Vordergasten ausgewählt, um mit euch, übers Schiff zu sprechen. Des Kapitäns Anker ist gelichtet; vielleicht kratzt er schon morgen ab. Was sollen wir tun? Wenn wir ihn einnähen müssen, so könnten einige von den Seeräubern da vorn es sich in den Kopf setzen, mit dem Schiff durchzugehen, weil keiner am Ruder ist. Nun, ich weiß, was ich tue. Aber ich tue es nicht, wenn ich nicht ordentliche Leute hinter mir hab' und weiß, daß alles anständig zugeht, wenn wir mal heimkommen.«

Wir fragten, was er vorhätte.

»Ich sag's euch, Leute. Wenn der Schiffer stirbt, stellen sich alle unter mein Kommando. Und in weniger als drei Wochen verspreche ich euch, daß wir fünfhundert Faß Wallrat unten verstaut haben, genug, daß jeder Mutter Sohn eine Handvoll Dollar kriegt, wenn wir nach Sydney kommen. Wenn es euch nicht paßt, bekommt keiner einen roten Heller.«Die Leute waren »auf Anteil« gedungen; sie bekamen keine Heuer, waren aber am Ertrag der Fahrt beteiligt.

Der Doktor nahm sogleich das Wort und sagte, daran sei nicht zu denken; wenn der Kapitän stürbe, sei der Steuermann verpflichtet, das Schiff nach dem nächsten zivilisierten Hafen zu führen und es einem englischen Konsul zu übergeben; dort würde, aller Wahrscheinlichkeit nach, die Mannschaft nach einem kurzen Landurlaub heimgeschickt werden. Gegen den Plan des Steuermanns sprächen alle Gründe. »Aber«, sagte er mit gleichgültiger Miene, »wenn die Leute sagen, es bleibt dabei, wir fahren, dann sage ich auch, es bleibt dabei; dann aber, je früher wir zu Ihren Inseln kommen, desto besser.« Er sagte noch einiges mehr; nach der Art, wie die anderen ihn ansahen, war klar, daß unser Schicksal von ihm abhing; und so wurde denn beschlossen, daß, wenn es mit dem Kapitän in vierundzwanzig Stunden nicht besser würde, das Schiff nach der Insel Taheiti steuern sollte.

Die Mitteilung erregte Sensation; die Kranken fühlten sich wohler, die anderen überlegten, was nun kommen könnte, während der Doktor, ohne noch etwas über Guys Befinden zu sagen, mich zu der Aussicht beglückwünschte, die berühmte Insel kennenzulernen. In der Nacht darauf kam ich, während der zweiten Wache, zufällig an Deck und fand die Rahen scharf auf Backbordhalsen angebraßt, während der Südostpassat kräftig von vorne kam. Dem Kapitän ging's nicht besser; wir aber lagen auf Taheiti zu.

 


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