Hermann Melville
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Hermann Melville

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Einundzwanzigstes Kapitel

Während dies an Deck vor sich ging, war Dr. Johnson damit beschäftigt, die Kranken zu untersuchen, und es zeigte sich, daß alle bis auf zwei an Bord bleiben sollten. Er hatte offenbar von Wilson sein Stichwort bekommen. Ich war einer der letzten, die in die Kajüte gerufen wurden, gerade als die Versammlung auf dem Achterdeck sich auflöste, und ich kam in heller Empörung wieder an Deck. Meine Lahmheit, die sich allerdings bedeutend gebessert hatte, wurde als großenteils simuliert bezeichnet, und mein Name auf die Liste derer gesetzt, die in ein oder zwei Tagen vollkommen diensttauglich sein würden. Das genügte. Den Gespenst-Doktor hatte der Inselarzt, weit entfernt davon, ihn als Kollegen zu behandeln, sehr kavaliermäßig abgetan. Die Folge war, daß wir nunmehr bis zu einem gewissen Grade gemeinsame Sache mit den Leuten machten.

Wir wollten aber nichts weiter, als daß das Schiff in der Bucht von Papiti vor Anker gehen sollte; wir zweifelten nicht, daß wir dann über kurz oder lang entlassen werden mußten. Ohne offene Meuterei war dies nur zu erreichen, wenn wir die Leute dazu brachten, passiven Widerstand zu leisten und jeden Dienst zu verweigern, es wäre denn, um das Schiff in den Hafen zu bringen.

Das Schwierige war nur, sie im Zaum zu halten. Es war mir auch nicht ganz wohl zumute, da mir nichts übrigblieb, als mich, wenn auch mit aller Vorsicht, einer so verzweifelten Gesellschaft anzuschließen, und noch dazu bei einem Unternehmen, dessen Folgen sich schwer voraussehen ließen. Aber neutral zu bleiben, war ganz unmöglich, und sich bedingungslos zu fügen, gleichfalls.

Als wir nach vorn kamen, fanden wir die Leute noch zehnmal erregter als zuvor. Wir beruhigten sie einigermaßen und rieten ihnen nochmals dringend, jeden Dienst zu verweigern und sich sonst ruhig zu verhalten und das Ende abzuwarten. Erst wollten sie nichts davon hören, aber schließlich hatten wir die Mehrzahl überzeugt; einige blieben starrsinnig, auch waren wir der anderen keineswegs ganz sicher.

Als Wilson wieder an Deck kam, um in sein Boot zu steigen, drängten sie sich von allen Seiten um ihn, und einen Augenblick fürchtete ich bereits, sie würden sich vor seinen Augen des Schiffs bemächtigen. »Habe euch nichts mehr zu sagen, Leute!« schrie er, »meine Verfügungen sind getroffen. Geht nach vorn, wo ihr hingehört. Ich dulde keine Unverschämtheiten!« Damit eilte er zitternd über Bord und das Fallreep hinab, während die Matrosen ihm wilde Flüche nachriefen.

Bald nachdem er gegangen war, fuhr auch der Steuermann mit dem Koch und dem Steward an Land, um, wie er sagte, zu sehen, wie es dem Kapitän ginge, und ließ uns, wie das vorige Mal, unter Bembos Kommando. Wir lagen bei völliger Windstille ziemlich dicht an Land, da wir wieder gewendet hatten, und unser Großmarssegel schlug bei jedem Überholen des Schiffs gegen den Mast.

Als der Konsul und Jermin das Schiff verlassen hatten, folgte eine unbeschreibliche Szene. Die Leute liefen an Deck herum wie wahnsinnig, während Bembo die ganze Zeit allein am Heck lehnte, seine heidnische Steinpfeife rauchte und sich um nichts kümmerte.

Der Bottler, der sich am Morgen arg in die Nesseln gesetzt hatte, tat jetzt, was er konnte, um sich bei der Mannschaft wieder beliebt zu machen. Er lud alle, ohne Unterschied der Partei, ein, an Deck zu kommen und sich am Inhalt seines Eimers gütlich zu tun. Natürlich war er, ehe er die anderen einlud, sich zu besaufen, so vorsichtig gewesen, sich auch selbst einen Rausch anzutrinken, und es dauerte nicht lange, so erklärten ihn alle für gesund bis zum Kiel hinab, und er konnte sich wieder in allgemeiner Beliebtheit sonnen. Der Pisco wirkte schnell, und nur mit Mühe hielten wir einige der Leute zurück, die bereits in den Achterraum einbrechen wollten, um mehr zu holen. Jeder erdenkbare Unsinn geschah. »Ausguck, was siehste?« krähte Schönheit, indem er durch einen langen Kupfertrichter zum Flaggenknopf hinauf sprach. »Klar, an den Stagen!« brüllte Schwindel-Jack, indem er mit dem Küchenbeil gegen die Fallreep des Großstag schlug. »Wahrschau – kommt Bö!« quäkte der Portugiese Antone und schmiß eine Handspak durch das Oberlicht der Kapitänskajüte. Marine-Bob sang: »Holt munter herum, Jungens!« und tanzte einen »Hornpfeifer« auf der Back.

 


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