Hermann Melville
Omu
Hermann Melville

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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Von der Wache hatten die Leute erfahren, was Bembo gewollt hatte, und sowie wir außer Gefahr waren, stürzten sie instinktiv mit wildem Geschrei auf ihn los. Dunk und der Steward hatten ihn eben losgelassen, und er stand finster am Besanmast; mit blutunterlaufenen Augen blickte er auf die wütenden Matrosen, die auf ihn zukamen; in der hoch erhobenen Hand funkelte sein Messer.

»Nieder mit ihm!« »Schlagt ihn nieder!« »Hängt ihn an die Großrah!« schrien die Leute. Aber er stand unbewegt, und einen Augenblick wagte sich keiner heran.

»Feiglinge!« schrie Salem und warf sich auf ihn. Blitzend fuhr der Stahl nieder, aber ohne zu treffen, denn der Matrose hielt ihn bereits umschlungen und rang mit ihm Brust an Brust; beide fielen zu Boden, das Messer wurde ihm entwunden und Bembo selbst gefesselt. »Nach vorn! Nach vorn mit ihm!« schrien die Wütenden. »Über Bord mit ihm!« »Schmeißt ihn ins Wasser!« Und ob er sich auch mit Zähnen und Nägeln wehrte, wurde er über das Deck geschleift.

Das Toben und Stampfen über dem Kopf des Steuermanns weckte ihn endlich aus seinem trunkenen Schlaf, und schwankend kam er an Deck. »Was geht da vor?« grollte er und stand schon mitten unter den Leuten.

»Der Maori, Heer, sie ermohrden ihn, Heer!« jammerte das arme Tauchen, ängstlich gebückt auf ihn zukommend.

»Halt! Genug!« brüllte Jermin und stieß zwei oder drei der Matrosen zur Seite, um sich Bahn zu Bembo zu schaffen. Der Elende lag schon halb über der Reling, die unter seinem wilden Ringen erzitterte; vergeblich suchten der Doktor und andere ihn zu retten: die Leute hörten nicht auf sie.

»Meuterei und Mord auf See!« schrie der Steuermann, und rechts und links mit beiden Armen losschlagend, drang er zwischen die Kämpfenden und legte seine eiserne Hand auf die Schulter des Maori. »Wir sind zwei, und was ihr ihm tut, tut ihr auch mir«, rief er, grimmig um sich blickend.

»So schmeißt beide über Bord!« schrie der Zimmermann; aber die anderen wichen vor Jermins fester Haltung zurück, und schnell wie der Gedanke stand Bembo unverletzt auf Deck.

»Jetzt nach achtern mit dir!« rief sein Retter und stieß ihn zwischen den zurückweichenden Männern vor sich her, blieb aber dicht hinter ihm. Er ließ ihnen keine Zeit, sich zu besinnen, drängte den Maori die Kajütentreppe hinab, warf die Schiebetür hinter ihm zu und blieb stehen. Bembo hatte die ganze Zeit kein einziges Wort gesprochen.

»Und jetzt nach vorn mit euch, wohin ihr gehört!« rief der Steuermann den Leuten zu, die sich indessen wieder gefaßt und angesammelt hatten und nicht daran dachten, auf ihr Opfer zu verzichten.

»Den Maori! Den Maori!« brüllten sie.

Inzwischen war der Doktor auf des Steuermanns wiederholte Fragen vorgetreten und berichtete, was Bembo getan hatte; der Steuermann hatte es bisher aus den wilden Drohungen, die er gehört, nur halb begriffen. Einen Augenblick schien er zu schwanken, dann drehte er den Schlüssel im Vorhängeschloß an der Kajütentüre um und sprach durch die Zähne: »Ihr kriegt ihn nicht! Er wird dem Konsul übergeben. Also nach vorn mit euch, sage ich! Wenn wer ersäuft werden soll, werde ich es euch befehlen; also fort mit euch, ihr blutdürstiges Piratengesindel!«

Umsonst baten und drohten sie: obgleich Jermin keineswegs nüchtern war, blieb er fest, und zuletzt gingen sie auseinander und hatten in kurzer Zeit alles wieder vergessen.

Wenn er auch kein Geständnis abgelegt hatte, war Bembos Vorsatz, das Schiff auflaufen zu lassen, damit wir alle dabei den Tod fänden, unzweifelhaft. Offenbar wollte er die Schmähungen der vergangenen Nacht rächen; denn er war im Herzen ein unzähmbarer Wilder und hatte nie brüderliche Gefühle für die Mannschaft gehegt. Während des ganzen Vorfalls hatte der Doktor sein möglichstes getan, um ihn zu retten. Ich war am Ruder geblieben, da ich wußte, daß jede Bemühung von meiner Seite ebenso zwecklos gewesen wäre. Kein Mensch auf Erden außer Jermin konnte den Mord verhindern.

 


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