Hermann Melville
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Hermann Melville

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Neunundsechzigstes Kapitel

Die Art, wie sie uns für die Nacht unterbrachten, war drollig. Am Fußende von Pao-Paos Ehebett stand quer eine kleinere Bettstatt aus Koaholz. Ein leichtes Netzwerk aus den dünnen festen Schnüren, die aus den Fasern der äußeren Kokosnußhülle gedreht werden, bildete den Boden. Darüber war eine schöne Matte gebreitet, oben lag ein Kissen aus getrockneten Farnkräutern und eine Decke aus weißem Tappa. Dies war mein Lager. Der Doktor wurde in einer anderen Ecke untergebracht. Lu schlief allein auf einer kleinen Polsterbank, neben der eine einheimische Kerze brannte; ihr eleganter Bruder schaukelte ihr zu Häupten in einer Schiffshängematte. Die beiden Gazellen hüpften auf eine Matte in der Nähe, und die armen Verwandten nahmen bescheiden eine Ecke vom Lager des alten Dieners in Anspruch, der seinerseits an der offenen Haustür schnarchte. Als alle sich zur Ruhe begeben hatten, setzte Pao-Pao die beleuchtete Melone in der Mitte des Raumes auf den Bodens und alles schlief bis zum Morgen. Als ich erwachte, strömte das Licht schon hell durch die offenen Bambuswände, aber niemand, rührte sich. Ich bewunderte zunächst die wunderschöne Stellung, in der eine der Schläferinnen in der Vergessenheit des Schlummers dalag. Dann besah ich mir das Haus im allgemeinen, das einfach, aber höchst geschmackvoll im Stil der Eingeborenen erbaut war. Es bildete ein etwa fünfzig Fuß langes regelmäßiges Oval, mit niedrigen Seitenwänden aus Rohrgeflecht; das Dach war mit Zwergpalmblättern gedeckt. Die Dachstange befand sich etwa zwanzig Fuß über dem Boden. Es war nicht auf steinernem oder sonstigem Grund errichtet, die bloße Erde war mit Farnkräutern bedeckt, die einen angenehmen und duftenden Teppich bilden; man muß sie nur oft erneuern, sonst werden sie staubig und das Ungeziefer nistet in ihnen, wie es in den Hütten der ärmeren Eingeborenen der Fall ist. Die Einrichtung bestand außer den Lagerstätten aus drei oder vier Schiffskoffern; darin lagen die gekrausten Leinenhemden Pao-Paos, die Kattunkleider seiner Frau und der Kinder, Ketten von Glasperlen, Bänder, Spiegel, Messer, Farbendrucke, Schlüsselbunde, kleine Tongefäße und Metallknöpfe. In einem dieser Koffer, den Afriti als Hutschachtel benützte, lagen mehrere jener Eingeborenenhüte, die wie Kohlenschaufeln aussehen, mit verschiedenfarbigen Bändern garniert. Auf ihre Hüte und Kleider war unsere gute Wirtin sehr stolz. Des Sonntags ging sie wohl zehnmal aus, und wie die Königin Elisabeth, trug sie jedesmal ein anderes Kleid.

Aus irgendeinem Grunde gab uns Pao-Pao unsere Mahlzeiten stets, bevor die Familie sich zu Tisch setzte, und der Doktor, der in diesen Dingen ein sicheres Urteil hatte, erklärte, daß dies zu unserem Besten war. Soviel war gewiß: wenn wir mit vollem Beutel, reichem Gepäck und Empfehlungsbriefen an die Königin gekommen wären, wir hätten nicht besser aufgenommen und versorgt werden können. Am Tag nach unserer Ankunft brachte uns Moni, der alte Diener, ein in der Erde gebackenes Ferkel zum Mittagessen. Saftstrotzend lag es auf einem hölzernen Tranchierbrett, von gerösteten Brotfruchtschnitten umgeben. Eine große Kalebasse mit Rübenpudding folgte, und der elegante Sohn raffte sich so weit auf, daß er uns Kokosnüsse von einem benachbarten Baum besorgte. Als alles bereit war und alle herumstanden und zusahen, faltete der Doktor fromm seine Hände über dem Schweinchen und sprach ein Tischgebet. Das gefiel allen ganz außerordentlich; Pao-Pao trat auf den Doktor zu und sagte ihm ein paar herzliche Worte, während Afriti ihn mit mütterlicher Liebe ansah und erfreut ausrief: »Ah! mickoneri teta meteh!« (Was für ein frommer, junger Mann!)

Nach dieser Mahlzeit brachte sie mir eine Rolle von Grasbindseln von der Art, wie die Matrosen sie in den Rahmen ihrer Persennings einnähen, dann reichte sie mir Nadel und Faden und sagte, ich sollte mir daraus einen Hut machen, den ich auch nötig brauchte. Es waren nur die geflochtenen Streifen zusammenzuheften, und ich wurde noch am gleichen Tage fertig. Dann schmückte Afriti ihn mit einem feuerfarbenen Band, dessen Enden wie bei einer Matrosenkappe rückwärts flatterten, so daß ich den türkischen Titel, den das lange Gespenst mir verliehen hatte, behalten konnte.

 


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