Hermann Melville
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Hermann Melville

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Fünfzehntes Kapitel

Sowie wir weiter nach Süden kamen und uns Taheiti näherten, veränderte sich allmählich das milde heitere Wetter, das wir bis dahin gehabt hatten. In diesen sonst so ruhigen Meeren bläst der Wind manchmal ganz tüchtig, obschon, wie jeder Seemann weiß, ein scharfer Sturm in der tropischen Südsee nicht mit einem Orkan im Norden, wenn der Atlantische Ozean heulend auf ein Schiff einstürmt, zu vergleichen ist. So hatten auch wir bald mit den Wogen zu kämpfen, und der eben noch so milde Passat blies uns wild, wenn auch immer noch warm ins Gesicht, wie eine hübsche Frau, die böse geworden ist. Trotzdem hatte der Steuermann alle Segel beigesetzt, und »Klein-Julchen« hielt sich gut. Sie legte sich tief auf die Seite und sprang wieder in die Höhe; das alte Holzwerk ächzte, alle Spieren bogen sich; das abgescheuerte Tauwerk war aufs äußerste beansprucht; dennoch lief sie im Sturm wie ein Rennpferd, und Jermin, wie ein Reiter auf dem Meer, stand manchmal in der Fockrust, so daß der Schaum über ihn hinschoß, und schrie: »Brav, Julchen! Tauch' nur hinein, Liebchen! Hurra!«

Eines Nachmittags hörten wir ein unheimliches lautes Krachen oben, so daß alles durcheinanderlief. Die Großbramstange war gerade über dem Eselshaupt abgebrochen; im Tauwerk festgehalten, schlug sie mit all ihrem Zubehör bei jedem Rollen des Schiffes hin und her. Die Rahe hing nur gerade noch und stieß bei jedem Stampfen gegen die Quersaling, das Segel war in Fetzen gerissen, die flatternden losen Taue verfingen sich oder schlugen wie Peitschenschnüre durch die Luft. »Wahrschau, von unten!« und die Blöcke fuhren prasselnd nieder wie Gewehrfeuer. Jetzt riß die Rahe los, flog im Bogen durch die Luft und fuhr zischend ins Meer, verschwand und stieg sofort wieder in voller Länge empor. Dann brach der Kamm einer riesigen Woge über ihr, das Schiff schoß vorbei und wir sahen das Holz nicht mehr.

Baltimore, unserem schwarzen Koch, ging es dabei schlecht. Wie bei den meisten Südseefahrern, war die Kambüse der »Julia« an der Backbordseite des Vorderkastells angebracht. Bei der schweren Dünung und dem Segeldruck, unter dem die Bark lief, tauchte sie mit dem Bug tief in die Seen, und glasiggrüne Wogen stürzten über die Bugreling, überschwemmten das Vorderdeck und spülten über das Achterdeck hinab. Die Kambüse diente als eine Art Wellenbrecher gegen die Überschwemmung. Dann trug Baltimore stets seinen »Sturmanzug«, wie er sagte, einen Südwester und ein mächtiges Paar geschmierter Wasserstiefel, die ihm fast bis an die Knie reichten, und arbeitete so bekleidet in der Kambüse weiter. Immerhin hatte der Alte eine so große Angst, über Bord gespült zu werden, daß er stets ein Tau um sich gewickelt trug, das mit dem einen Ende an seinem Hosenbund befestigt war. Hatte er draußen zu tun, so entrollte er das Tau und machte das andere Ende an einem Ringbolzen auf Deck fest; dann mochte eine See ihm die Füße unter dem Leibe wegschwemmen; mehr konnte sie ihm nicht anhaben.

Eines Abends, während er gerade in der Küche beschäftigt war, stieg die »Julia« wie ein störrisches Füllen auf ihrem Hintersteven in die Höhe und nahm, als sie sich wieder senkte und in die Tiefe fuhr, eine ungeheure Woge auf. Mit unwiderstehlicher Gewalt kam die Wassermasse über den Bug, die eine Seite der verfaulten Schanzen brach krachend ein, die See schlug gegen die Kambüse, riß sie vom Vorderkastell los, warf sie hin und her und schmetterte sie zuletzt gegen das Ankerspill, wo sie strandete. Die Flut ergoß sich über das Deck und spülte Töpfe, Pfannen, Kessel und den alten Baltimore selber fort, bis sie ans Heck schlug, wusch, an Wut nachlassend, querüber und setzte den ertrinkenden Koch auf dem Achterluk ab, daß er hoch im Trockenen saß, die erloschene Pfeife noch im Munde. Er hatte sie in seiner Todesangst fast entzweigebissen. Die wenigen Leute, die auf Deck waren, hatten sich in die Großwanten gerettet und lachten laut über seine Not.

In derselben Nacht brach unser Außenklüverbaum ab wie ein Pfeifenstiel, und unsere Gaffel kam heruntergesaust.

Am anderen Morgen hatte der Wind abgeflaut und die See gleichfalls; gegen Mittag war unser Schaden, so gut es ging, repariert und wir segelten vergnügt weiter. Mit der zerstörten Verschanzung freilich war nichts mehr zu machen, und so oft es wieder wehte, troff das beschädigte Vorderschiff vom herüberschlagenden Wasser.

 


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