Hermann Melville
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Hermann Melville

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Fünfundfünfzigstes Kapitel

Wir schliefen noch in unserem Kanu, als wir durch Zekes laute Rufe geweckt wurden. Wir paddelten zum Strande und erfuhren, daß während der Nacht ein Kanu aus Papiti angekommen war, das für ein dort im Hafen liegendes Schiff eine Lieferung Kartoffeln bestellt hatte; da sie bis Mittag an Bord sein mußten, sollten wir ihm helfen, sie in sein Segelboot zu schaffen.

Mein langer Freund gehörte zu den Leuten, die mit dem linken Fuß aufstehen und beim Frühstück sehr schlechter Laune sind. Vergeblich bedauerte der Yankee, daß die Sache so dringend wäre und er uns so früh hatte wecken müssen. Der Doktor wurde immer düsterer und gab keine Antwort. Endlich sagte der Yankee ermunternd: »Was meint ihr, Jungs, sollen wir es angehen?«

»Ja, in des Teufels Namen!« erwiderte der Doktor wie eine schnappende Schildkröte, und wir begaben uns ins Haus. Offenbar hielt er es nach den gastronomischen Leistungen vom Vorabend für unmöglich, jetzt nicht mitzutun. Im Hause fanden wir den Kleinen schon bereit mit den Harken, und wir begaben uns nach dem entfernteren Teil des Grundstücks, um die Kartoffeln aus der Erde zu graben.

Der üppige lohfarbene Boden schien besonders für sie geeignet; die großen gelben Kartoffeln rollten aus den aufgeworfenen Hügelchen wie Eier aus dem Nest. Ich war ganz überrascht zu sehen, wie eifrig der Doktor seine Harke schwang. Auch ich arbeitete, von der kühlen Morgenluft erfrischt, tüchtig mit. Zeke und der Londoner schienen sehr erfreut, uns so arbeitswillig zu finden. Bald war die nötige Menge Kartoffeln beisammen; und jetzt kam das Schlimmste: wir mußten sie fast eine Viertel Meile Wegs zum Strand hinabschleppen. Da es auf der ganzen Insel weder Karren noch Handwagen gab, blieben uns nur Rücken und Schultern zur Verfügung. Zeke wußte im voraus, daß dieser Teil der Arbeit uns nicht gefallen konnte; er machte ein möglichst ermunterndes Gesicht, und ohne uns zu Bedenken Zeit zu lassen, lenkte er unsere Aufmerksamkeit mit freudigen Rufen auf einen Stoß grob geflochtener Körbe, die schon bereitlagen. Wir sagten kein Wort, füllten sie, und dann wankten wir alle vier unter der Last dem Strande zu. Zekes anfeuernde Rufe waren unwiderstehlich: auf dem ersten Gang kamen wir alle vier zugleich unten an. Beim zweiten oder dritten begannen meine Schultern sich aufzulehnen; während des Doktors lange Figur sichtlich gebeugter wurde. Und dann stellten wir beide unsere Körbe nieder und erklärten, wir könnten nicht mehr. Aber unsere Brotgeber, die uns offenbar durch einen stummen Appell an unsere Anständigkeit zur Arbeit bewegen wollten, schleppten weiter, ohne auf uns zu achten. Wir verstanden das sehr gut, es hieß: »So, Leute, wir haben euch durch drei Tage beherbergt und verköstigt; gestern habt ihr überhaupt nichts getan als gegessen; jetzt habt einmal die Stirn, dazustehen und uns beim Arbeiten zuzusehen!« Was blieb uns übrig – wir nahmen die Körbe wieder auf. Aber wie sehr wir uns mühten, wir blieben hinter Zeke und dem Kleinen zurück, die, keuchend und schwitzend, ohne anzuhalten weiterschufteten. Aber obgleich ich selbst unter meinem Korbe keuchte, mußte ich doch über das lange Gespenst lachen, wie er, den langen Hals vorgestreckt, die Arme nach hinten unter den Korb geschoben, vorwärts taumelte, während seine langen Stelzen von Zeit zu Zeit unter ihm nachgaben, als ob seine Kniegelenke sich nach der falschen Richtung gedreht hätten.

»So, jetzt trage ich nichts mehr!« rief er plötzlich und schüttete seine Kartoffeln ins Boot, wo der Yankee sie verstaute.

»Nun, dann«, sagte Zeke munter, »könnten Sie und Paul vielleicht die ›Faßmaschine‹ probieren. Kommt nur, ich zeig's euch.« Damit watete er zum Strand und eilte uns voran; wir folgten ihm hinkend; wir hatten kein Zutrauen zu der uns unbekannten »Faßmaschine«. Im Hause machte er eine Art Sänfte zurecht: ein altes Faß hing an einem Seil, das in der Mitte eines Ruders befestigt war. »So! da!« sagte er, als er fertig war. »Damit braucht ihr euch nicht das Rückgrat zu brechen; darunter könnt ihr gerade gehen; versucht's einmal!« Und er legte die Ruderschaufel höflich dem Doktor auf die rechte Schulter, das andere Ende der Stange auf die meine, so daß das Faß zwischen uns schaukelte. »Wundervoll!« rief er, als wir so dastanden.

Es blieb uns nichts übrig; mit gebrochenem Herzen und wundem Rücken kehrten wir zum Feld zurück; der Doktor schien Gebete zu murmeln. Als das Faß beladen war, ging es ein paar Schritte weit ganz gut, und wir hielten die Idee für nicht schlecht. Aber wir blieben nicht lange bei dieser Ansicht. Nach fünf Minuten standen wir still, das Schlagen und Hüpfen des schweren Ruders war nicht zu ertragen. »Wir wollen den Platz wechseln!« rief der Doktor, dem das Ruderblatt ins Schulterblatt schnitt.

Schließlich, indem wir kurze Strecken machten und häufig anhielten, gelang es uns, bis zum Strand zu kommen, wo wir unsere Ladung etwas ärgerlich ausschütteten.

»Warum laßt ihr denn die Eingeborenen nicht helfen?« fragte das Gespenst, sich die Schultern reibend.

»Der Teufel soll die Eingeborenen holen!« sagte der Yankee. »Zwanzig von ihnen können es nicht mit einem Weißen aufnehmen. Die Kerle sind nicht zur Arbeit bestimmt, und sie wissen's auch; was schon einer von denen je tut!« Aber trotz seiner schlechten Meinung mußte Zeke sie zuletzt anstellen. »Erameh!« schrie er einigen zu, die am Ufer liegend bisher unser Verfahren kritisch beobachtet hatten und insbesondere unsere Leistungen mit der Sänfte höchst amüsant gefunden hatten. Der Yankee hieß sie Körbe füllen, füllte seinen eigenen und trieb sie vor sich hin zum Strand hinab, wie die berittenen Indianer auf dem großen Callao die Herden von beladenen Maultieren vor sich hertreiben. Schließlich war das Boot beladen, der Yankee nahm ein paar Eingeborene mit, setzte das Segel und fuhr über den Kanal nach Papiti.

Am nächsten Morgen beim Frühstück kam der alte Tonoi hereingelaufen und sagte uns, daß sie zurückkehrten. Wir eilten zum Strand hinab und sahen das Boot herangleiten; ein Eingeborener döste am Steuer, und am Bug stand Zeke und ließ einen kleinen Sack mit Silbertalern klappern, die er für seine Ladung erhalten hatte.

 


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