Hermann Melville
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Hermann Melville

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Neunundvierzigstes Kapitel

Beide Pflanzer waren brave Kerle, aber sonst einander so unähnlich wie nur möglich. Der eine war ein langer kräftiger Yankee, in den Hinterwäldern von Maine geboren, mit einem langen blassen Gesicht; der andere ein kurzgewachsenes Londoner Kind, das mitten in der Riesenstadt das Licht der Welt erblickt hatte. Zeke, der Yankee, hatte eine Stimme wie eine zerbrochene Geige; der Kleine, wie sein Kamerad ihn nannte, sprach unverfälschten Londoner Dialekt. Wenn auch klein, war er ein ganz hübscher Junge von fünfundzwanzig Jahren; er hatte die roten Wangen des Angelsachsen, noch röter gebrannt von seinem Wanderleben, offene blaue Augen; blonde Locken hingen ihm über die wohlgebaute Stirn.

Zeke hingegen war keine Schönheit; er war stark, häßlich und ein tüchtiger Arbeiter. Im Vergleich zu dem kleinen Engländer war er ernst und schweigsam, hatte aber Humor; sonst war er offen und gutherzig, dabei schlau und entschlossen und wie der Kleine völlig ungebildet.

Beide kamen sehr gut miteinander aus; aber Zeke hatte die Oberhand. Er hatte dem Kleinen seinen Willen zu unbeugsamer Tätigkeit und seine Hoffnung, durch die Pflanzung ein Vermögen zu erwerben, eingeimpft. Dies tat uns leid; denn das Beispiel harter Arbeit, das sie uns gaben, war uns keineswegs erfreulich; aber zur Reue war es zu spät. Am ersten Tage brauchten wir glücklicherweise nichts zu tun; da sie uns bisher als Gäste behandelt hatten, hielten sie es offenbar nicht für taktvoll, zu schnell Ernst zu machen. Aber am zweiten Tag ging es an die Arbeit.

»Na, Jungs,« sagte Zeke nach dem Frühstück, und blies die Asche aus seiner Pfeife, »jetzt müssen wir uns dranhalten. Kleiner, gib Peter da« – das war der Doktor – »die große Harke, und Paul die andere, und gehen wir.« Der Kleine holte drei Werkzeuge aus dem Winkel, verteilte sie unparteiisch und folgte seinem Kompagnon, der voranging. Einen Augenblick allein gelassen, sahen wir uns vernichtet an. Jeder von uns hielt einen dicken Holzstamm in der Hand, an dessen Ende ein schweres flaches Eisen angebracht war. Das Eisen kam von Sydney, der Stiel war Heimarbeit. Die Harken, von denen wir gehört oder die wir gesehen hatten, waren harmloses Spielzeug im Vergleich zu diesen riesigen Apparaten.

»Was soll damit geschehen?« fragte ich.

»Irgendwie wird man sie wohl in Bewegung setzen müssen,« erwiderte Peter; »Paul, wir sind schlimm hereingefallen. Aber sie rufen uns, komm!« Wir schulterten die Harken, und gingen. Auf der anderen Seite der Pflanzung war der Grund zwar zum Teil gerodet, aber noch nicht umgebrochen, und daran wollten sie jetzt gehen. Ich fragte schüchtern, ob es nicht besser wäre, einen Pflug zu verwenden; einige der wilden Stiere könnten ja eingefangen und zum Ziehen abgerichtet werden. Zeke erwiderte, daß, soviel er wüßte, noch niemals in Polynesien Rinder dazu verwendet worden wären, auch sei der Boden von Martehr so mit Wurzeln durchsetzt und verfilzt, daß man keinen Pflug gebrauchen konnte. Nur die schweren Sydneyer Harken waren für diesen Boden das Richtige. Ich versuchte nun den Yankee in ein freundliches Gespräch über die Landwirtschaft auf jungfräulichem Boden im allgemeinen und im Tal von Martehr im besonderen zu verwickeln; das lange Gespenst nahm sogleich verständnisvoll Teil; aber das landwirtschaftliche Interesse des Yankee beschränkte sich auf das Stück Land vor uns, und seine Rede auf die Anweisung, wie wir es zu machen hätten. Darauf begann er sogleich selbst, und der Kleine, der bis dahin zugesehen hatte, folgte seinem Beispiel.

Wo vorher ein Dickicht gewesen war, ragten jetzt die dicht am Boden abgeschnittenen Äste aus der Erde; sie ragten nur um soviel hervor, daß man sie fassen und herausreißen konnte. Zunächst wurde der harte Boden gelockert und aufgeschlagen, dann begann der Yankee an einer der Wurzeln zu zerren. »So helft doch!« rief er, und wir zogen alle vier. Aber das zähe Ding widerstand.

»Verdammt!« rief Zeke, »wir müssen ein Seil nehmen; – lauf mal nach dem Haus, Kleiner, und hole eins.«

Das Seil wurde an der Wurzel befestigt; wir schritten reichlich aus und begannen anzuziehen.

»Sing mal dazu, Kleiner!« sagte der Doktor, der trotz der kurzen Bekanntschaft intim wurde. Bei schweren Arbeiten auf See wirkt ein Lied dazu immer befeuernd und erleichternd. Der Kleine begann auch sogleich »Warst du je in Dumbarton?«, einen außerordentlich anregenden, aber etwas unanständigen Chor, der am Gangspill gesungen wird. Der Yankee aber dämpfte seinen Enthusiasmus, indem er ärgerlich ausrief: »Zum Teufel noch mal, laß das Singen! Sei still und zieh ordentlich an!«

Dies taten wir denn auch in peinlichem Schweigen, bis mit einem Ruck, daß uns allen die Ellbogen summten, die Wurzel herauskam und wir sämtlich am Boden lagen. Der Doktor blieb auch gleich liegen, und in der Meinung, daß man ihm nach solcher Leistung weitere Arbeit ersparen würde, nahm er seinen Hut und begann sich zu fächeln.

»Schwerer Fall, das, Peter«, bemerkte der Yankee und begab sich zu ihm. »Aber es hilft ihnen nichts; alle müssen raus, – oder der Teufel soll mich holen. Hurra! Los!«

»Gott sei uns gnädig!« sagte der Doktor, indem er langsam aufstand und sich umsah, »der Mann ist mein Tod!«

Wir griffen wieder zu den Harken und arbeiteten einzeln oder zusammen, je nachdem es nötig war, bis die Mittagszeit kam. Diese Zeit umfaßte etwa drei Stunden, in denen es in diesem abgeschlossenen Tal – da es sich nach der Leeseite öffnete, so daß der Passatwind keinen Zugang fand – so heiß wurde, daß an Arbeit in der Sonne nicht zu denken war. Wie der Kleine sagte, »es war so heiß, daß einem bronzenen Affen die Nase abschmelzen konnte.« Wir kehrten daher ins Haus zurück und der Kleine kochte mit Tonois Hilfe das Mittagessen. Nachdem alle gegessen hatten, legten Zeke und der Londoner sich in die eine Hängematte und boten uns die andere an. Dies schien nicht schlecht, und nach einigen Scharmützeln mit den Moskitos schlummerten wir ein. Die Pflanzer schnarchten bereits; Tonoi schlief auf einer Matte in der Ecke.

Zeke weckte uns. »Auf, Jungens!« rief er, »es ist Zeit, sich dranzuhalten!«

Ich sah den Doktor an und erkannte sofort, daß er einen Entschluß gefaßt hatte. Mit matter Stimme sagte er Zeke, daß er sich nicht wohl fühle, daß er die ganze letzte Zeit nicht wohl gewesen sei, daß aber ein wenig Ruhe ihn bald wiederherstellen würde. Der Amerikaner, der fürchtete, daß er durch zu große Strenge im Anfang ganz um unsere kostbare Mitarbeit kommen könnte, bat uns beide sogleich, nur an uns zu denken und uns durchaus nicht anzustrengen, wenn wir keine Lust hätten. Die Krankheitserklärung meines Freundes ließ er unbeachtet und meinte nur, wenn er so »müde« wäre, täte er besser, in der Hängematte zu bleiben; ich aber könnte ihn auf einer Rinderjagd in den Bergen begleiten. Dazu war ich gerne bereit, und der Doktor, der ein großer Jagdfreund war, machte ein langes Gesicht. Musketen und Munition wurden herabgeholt und als alles bereit war, rief Zeke: »Tonoi, komm! erameh! (steh auf); wir brauchen dich als Führer. Kleiner, sieh nach allem, und wenn du Lust hast: die Wurzeln im Feld sind dort!«

Ich weiß nicht, ob der Kleine mit dieser Einteilung sehr zufrieden war; aber Zeke hing das Pulverhorn um und wir zogen ab. Tonoi wurde vorausgeschickt und schlug einen Pfad ein, der nach den Bergen führte.

Wir eilten eine kurze Zeit durchs Dickicht, dann kamen wir im Schatten der Hügel zu einer Lichtung, und Zeke wies auf einen überhangenden Felsen, auf dem ein Stier, den gehörnten Kopf zurückgelegt, regungslos wie eine Statue stand.

 


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