Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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96. Novelle
Das Testament des Hundes

Nun hört, wenn es euch beliebt, was letzthin einem einfältigen, reichen Dorfpfarrer begegnete, der ob seiner Torheit von seinem Bischof mit fünfzig guten Golddukaten bestraft ward. Der gute Pfarrer hatte einen Hund, den er von klein an aufgezogen und gepflegt hatte und der alle andern Hunde im Lande übertraf, gelehrig den Stock aus dem Wasser holte, den Hut, wenn ihn sein Herr vergessen oder irgendwo liegengelassen hatte, herbeibrachte - kurz alles, was ein guter und kluger Hund kann und muß, wußte er; er war ein ausgelernter Praktikus. Und deshalb schätzte und liebte ihn sein Herr so sehr, daß man es kaum schildern kann. Nun geschah es, ich weiß nicht wie, entweder war ihm zu heiß oder zu kalt, oder er hatte irgend etwas gefressen, was ihm nicht bekam - genug, er ward sehr krank und starb und ging gradewegs aus dieser Zeitlichkeit ins Paradies der Hunde ein.

Was tat nun dieser gute Pfarrer? Er, dessen Haus, närnlich die Pfarrwohnung, oberhalb des Kirchhofs lag, kam auf den Gedanken, als er seinen Hund aus dieser Welt geschieden sah, ein so gutes, kluges Tier dürfe nicht unbeerdigt bleiben; deshalb machte er ziemlich nahe der Tür seines Hauses, das, wie gesagt, oberhalb des Kirchhofs lag, eine Grube, legte ihn dort hinein und beerdigte ihn. Ich weiß nicht, ob er ihm einen Marmorstein setzte und darauf eine Inschrift eingraben ließ, deshalb sage ich nichts darüber. Nicht lange nachdem sich die Nachricht vom Tode des guten Hundes des Pfarrers im Dorf und in der Umgegend verbreitet hatte, kam sie auch dem Bischof zu Ohren, samt der Kunde von dem heiligen Begräbnis, das sein Herr ihm gegeben hatte; daher ließ er ihm durch einen Gerichtsboten eine Vorladung überbringen.

»Ach, was habe ich denn gemacht?« fragte der Pfarrer den Boten, »und weshalb lädt man mich vor Gericht? Ich kann mich nicht genug darüber wundern, daß das Gericht mich holen läßt.«

»Ich weiß nicht, was es ist«, erklärte der andere, »wenn nicht der Umstand, daß Ihr Euren Hund in heiliger Stätte, wo man die toten Christen beisetzt, begraben habt.«

Ach, dachte der Pfarrer, das ist's also!

Nun erst kam ihm der Gedanke, er habe böse gehandelt, und er sagte zu sich, es werde ihm deshalb schlimm ergehen, und wenn er sich einsperren ließe, würde er geschunden werden, denn der gnädige Herr Bischof war, Gott sei Dank, der lüsternste Prälat in diesem Königreich und hatte daher Leute um sich, die Wasser auf seine Mühle schafften, Gott weiß wie! »Nun muß ich wohl mein Geld verlieren, aber lieber gleich als später«, sagte der Pfarrer.

Er kam am festgesetzten Tage und begab sich mutig zum Bischof, der ihm gleich, als er ihn sah, eine lange Rede hielt ob des heiligen, seinem Hunde gegebenen Begräbnisses und ihn deshalb so hart anfuhr, daß der Pfarrer glaubte, ein größeres Vergehen als Gotteslästerung auf sich geladen zu haben. Nachdem der Bischof zu Ende gesprochen hatte, befahl er, ihn ins Gefängnis zu führen. Wie der Pfarrer merkte, daß man ihn ins Gefängnis bringen wollte, bat er um Gehör, und der gnädige Herr Bischof gestand es ihm zu.

Ihr müßt wissen, daß bei dieser Gelegenheit viel Leute von Bedeutung zugegen waren, so der Offizial, die Fiskale, die Schreiber, Advokaten, Notare und Prokuratoren, die allesamt über den ungewöhnlichen Rechtsfall des armen Pfarrers, der seinen Hund in geweihter Erde bestattet hatte, sehr erfreut waren. Der Pfarrer brachte kurz seine Verteidigung und Entschuldigung vor und erklärte: »Wahrlich, gnädiger Herr, hättet Ihr meinen guten Hund, dem Gott seine Sünden vergebe, so wie ich gekannt, so wäret Ihr nicht so erstaunt wie jetzt über das Begräbnis, das ich ihm gegeben, denn er hatte und wird nicht seinesgleichen haben.« Und darauf erzählte er wahre Wunderdinge von ihm. »Und wenn er gut und klug bei Lebzeiten war, so war er es ebenso oder noch viel mehr bei seinem Tod, denn er machte ein treffliches Testament, und da er Eure Bedürftigkeit und Armut kannte, hat er Euch fünfzig Golddukaten zugedacht, die ich Euch bringe.« Damit zog er sie hervor und gab sie dem Bischof, der sie gern empfing. Und nun lobte und rühmte er den Verstand des tüchtigen Hundes samt seinem Testament und billigte das Begräbnis, das man ihm gegeben hatte.

 


 


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