Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

41. Novelle
Der Liebespanzer

Ein edler Ritter aus dem Hennegau, ein kluger, schlauer und weitgereister Mann, wollte nach dem Tode seiner guten, klugen Frau um des Guten willen, das er in der Ehe gefunden hatte, nicht die Zeit verstreichen lassen, ohne sich wie vordem zu binden, und heiratete ein schönes und schmuckes Fräulein, das aber nicht zu den schlauesten Mädchen dieser Welt gehörte; es war nämlich, um die Wahrheit zu sagen, etwas schwer von Begriff, doch das gefiel seinem Mann gerade am besten, denn er hoffte es aus diesem Grunde ganz, wie er wünschte, modeln und um so besser nach seinem Geschmack bilden zu können.

Er verwandte seine Sorge und seinen Eifer auf ihre Ausbildung, und in der Tat gehorsamte und willfahrte sie ihm so sehr nach Wunsch, daß er sich's nicht besser wünschen konnte. Und so oft er das Liebesspiel treiben wollte, freilich nicht so häufig, wie sie gewünscht hätte, hieß er sie zum Beispiel ein schönes Panzerkleid anziehen, worüber sie sehr erstaunt war; und anfangs fragte sie ihn, weshalb er sie sich waffnen ließ. Und er antwortete ihr, daß man sich zum Liebessturm nicht ohne Waffen einfinden dürfe. Und sie war's zufrieden, das Panzerkleid anzulegen, und bedauerte nur, daß dem Herrn der Sturm nicht mehr am Herzen lag; zwar machte er ihr recht große Pein, doch folgte darauf stets etliches Vergnügen.

Und wenn ihr fragt, weshalb ihr Geliebter so mit ihr umging, so antworte ich euch, daß der Grund dafür der war, daß Madame nicht so oft ob der Beschwerde und des Hemmnisses dieses Panzerkleides den Liebessturm ersehnte. Doch so klug er sonst auch war, hierin täuschte er sich gar sehr, denn zerstieß ihr auch bei jedem Sturm das Panzerkleid Rücken und Bauch, so war doch, was dann folgte, freundlich und lustig. Dies Treiben hielt viele Tage an und so lange, bis der Herr im Dienst seines Fürsten in den Krieg und zu anderm Ansturm als dem obengenannten geschickt ward. Daher nahm er Abschied von Madame und ritt, wohin er gesandt ward. Sie blieb daheim unter der Obhut und dem Schutz eines alten Edelmanns und einiger Fräulein, die ihr dienten.

Nun müßt ihr wissen, daß in diesem Hause ein schmucker Geselle, ein Schreiber, lebte, der recht gut sang, Harfe spielte und die Haushaltsausgaben zu notieren hatte. Nach dem Mittagessen erging er sich gern im Harfenspiel, woran Madame großes Vergnügen fand, und deshalb fand sie sich oft bei ihm ein, wenn seine Harfe tönte. Und sie ging so oft und gesellte sich so lange zu ihm, bis der Schreiber sie um ihre Liebesgunst bat; und da sie ihr Panzerkleid anzulegen brannte, wies sie ihn nicht ab, sondern sagte zu ihm: »Kommet um die und die Stunde und in das und das Zimmer zu mir, und ich werde Euch eine Antwort geben, daß Ihr zufrieden sein sollt.«

Sie ward von Herzen bedankt, und zur festgesetzten Stunde verfehlte unser Schreiber nicht, an die Tür des Zimmers, das ihm Madame genannt hatte, anzuklopfen, und sie erwartete ihn ruhig in ihrem schönen Panzerkleid. Sie öffnete das Zimmer, und der Schreiber sah sie gerüstet; er meinte, es sei jemand anders, der sich darin versteckt habe, um ihm einen bösen Streich zu spielen, und war darüber so erschrocken, daß er in seiner großen Furcht rücklings hinfiel und ich weiß nicht wie viele Stufen so schnell herunterstürzte, daß er sich fast den Hals gebrochen hätte. Doch kam er noch glimpflich davon, so wohl halfen ihm Gott und seine gute Sache.

Als Madame ihn in dieser Lage und Gefahr sah, war sie sehr bekümmert und unzufrieden, daher kam sie hinunter und half ihm aufstehen und fragte ihn, weshalb ihn diese Furcht überfallen hätte. Und er erzählte ihr und sagte, er habe wahrhaft geglaubt, er wäre getäuscht worden.

»Ihr braucht keine Furcht zu haben«, entgegnete sie, »ich bin nicht bewaffnet, um Euch ein Leid anzutun.« Und während dieser Worte stiegen sie von neuem die Stufen hinauf und traten in das Zimmer.

»Madame«, sagte der Schreiber, »ich bitte Euch, erklärt mir, wenn's Euch beliebt, was Euch dies Panzerkleid anzulegen bewog!«

Sie tat ein wenig schämig und antwortete ihm: »Ihr wißt das wohl.«

»Wahrhaftig, Madame, mit Eurer Gnade«, versetzte er, »wüßte ich's, so hätte ich nicht gefragt.«

»Wenn der Herr mich küssen und von Liebe sprechen will«, erklärte sie, »läßt er mich dies Kleid anlegen, und ich weiß wohl, daß Ihr deswegen herkommt, und darum habe ich mich bereitgemacht.«

»Ihr habt recht, Madame«, sagte er, »und Ihr habt mir auch ins Gedächtnis zurückgerufen, daß die Ritter in diesem Fall ihre Damen sich so wappnen lassen; doch die Schreiber machen es ganz anders, und meiner Meinung nach ist das viel schöner und bequemer.«

»Und wie machen sie's? Bitte, sagt es mir!« rief sie.

»Ich will's Euch zeigen«, entgegnete er. Darauf ließ er sie sich ihres Panzerkleids und all ihrer übrigen Gewänder bis auf das schöne Hemd entledigen, er zog sich ebenfalls aus, und sie legten sich in das schöne Bett, das dort stand, betteten sich hinein, warfen ihre Hemden ab und vertrieben sich zwei bis drei Stunden sehr vergnügt die Zeit. Und vor dem Scheiden zeigte der schmucke Schreiber Madame, wie es die Schreiber machen; sie lobte es sehr, und es gefiel ihr viel mehr als die Weise der Ritter.

Recht häufig fanden sie sich seitdem in der oben geschilderten Weise zusammen, ohne daß jemand davon erfuhr, obwohl Madame nicht sehr schlau war. Nach einiger Zeit kam der Herr vom Kriege heim, worüber Madame im inneren Herzen nicht sehr erfreut war, wenn sie nach außen hin auch so tat. Und zur Mittagsstunde (denn sie wußte, wann er kam) ward er Gott weiß wie bedient. Das Mahl ging vorüber, und als es ans Dankgebet ging, stellte der Herr sich an seinen Platz und Madame nahm den ihren ein.

Sobald das Gebet gesprochen und vollendet war, sagte der Herr, um sich als tüchtigen Wirt und schmucken Gesellen zu erweisen, zu Madame: »Geht alsbald in Euer Zimmer, und legt Euer Panzerkleid an!«

Sie erinnerte sich der guten Zeit, die sie mit dem Schreiber genossen hatte und entgegnete sofort: »Ach, Herr, wie es die Schreiber machen, ist's besser!«

»Wie es die Schreiber machen!« rief er. »Und wißt Ihr denn, wie sie's machen?« Nun begann er hitzig zu werden, die Farbe zu wechseln und schöpfte Argwohn; doch er erfuhr nichts, denn ihm ward sogleich jeder Verdacht genommen.

Madame war nicht so dumm, daß sie nicht wohl bemerkt hätte, wie der Herr mit ihrer Entgegnung unzufrieden gewesen war, und fand schnell eine Ausrede:

»Herr, ich habe Euch gesagt, daß die Schreiber es besser machen, und sage es Euch noch einmal!«

»Und wie machen sie's?« fragte er.

»Sie trinken nach dem Tischgebet!«

»Wahrhaftig, bei Sankt Johann!« antwortete er. »Ihr redet wahr, so machen sie es wirklich, und es ist nicht schlecht. Und weil Ihr es so hochschätzt, wollen wir es von nun an auch so halten!«

Nun ließen sie Wein bringen und tranken, und dann legte Madame ihr Panzerkleid an, dessen sie sich schon ziemlich entwöhnt hatte, denn der schmucke Schreiber hatte ihr eine andere Art gezeigt, die ihr viel besser gefiel.

Wie ihr gehört habt, so ward der Herr durch Madames Antwort getäuscht. Und man muß sagen, daß ihr plötzlicher Einfall dem Schreiber zugute kam, der ihr später noch viele andre Weisen zeigte, durch die der Herr schließlich in die Reihen der Hahnreie einrückte.

 


 


 << zurück weiter >>