Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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9. Novelle
Der Mann als Kuppler seiner Frau

Da ich neue Geschichten erzählen will, darf ich, da die Abenteuer sich an verschiedenen Orten und auf verschiedene Weise zutragen, nicht verschweigen, daß sich unlängst ein schmucker Ritter aus Burgund, der in einem schönen, starken, mit Mannschaften und Geschützen trefflich versehenen Schloß wohnte, in ein Fräulein seines Hauses, wohl das erste nach Madame, seiner Frau, verliebte. Und die Liebe ergriff ihn so stark, daß er ohne sie nicht leben konnte, immerfort sprach er mit ihr, war stets hinter ihr her, kurz, er hatte keinen frohen Tag ohne sie, so heftig hatte ihn die Liebe zu ihr erfaßt.

Das Fräulein, gut und klug, wollte seine Ehre bewahren, die es ebenso hoch wie seine Seele selbst hielt, wollte auch die Treue halten, die es seiner Herrin schuldete, und schenkte seinem Herrn, obwohl er es gern gewünscht hätte, kein Gehör. Und war es manchmal gezwungen, ihn anzuhören, so ward ihm, Gott weiß, hartherzig geantwortet, es warf ihm sein tolles Unterfangen und die große Niederträchtigkeit seines Herzens vor, und überdies drohte es ihm noch, wenn er diese Nachstellungen fortsetze, seiner Herrin davon Mitteilung zu machen.

Wie sie ihm aber auch begegnete, oder welche Drohung sie auch aussprach, er wollte nicht von seinem Unternehmen lassen, sondern verfolgte es immer weiter und trieb es so lange, bis das gute Mädchen gezwungen war, seine Herrin davon genau zu unterrichten.

Als die Dame von der neuen Liebschaft des gnädigen Herrn Kenntnis erhielt, war sie, ohne es zu zeigen, darüber sehr unzufrieden, sagte ihm jedoch kein Wörtchen, kam vielmehr auf folgendes Mittel. Sie trug ihrem Fräulein auf, beim erstenmal, da der gnädige Herr es wiederum, trotz allen bisher erfahrenen Abweisungen, um seine Liebesgunst bitten würde, ihm ein Stelldichein für den folgenden Tag zu bestimmen, an dem er sich bei ihm in seinem Zimmer und in seinem Bett einfinden möchte.

»Und wenn er das Stelldichein annimmt«, sagte Madame, »will ich Euren Platz einnehmen, und das übrige laßt mich nur machen!«

Aus Gehorsam gegen ihre Herrin erklärte sie sich dazu bereit.

Nicht lange danach kehrte der gnädige Herr zu seinem Geschäft zurück, und hatte er vorher schon ganz kräftig gelogen, so bemühte er sich jetzt noch viel mehr, sie seiner Liebe zu versichern, und hätte ihn jemand zu dieser Stunde gehört, so hätte er vernommen, daß er sich lieber den Tod wünschte, als daß er ohne baldige Hilfe in dieser Welt leben wollte.

Was soll man die Geschichte in die Länge ziehen? Das Fräulein war von seiner Herrin trefflich beraten und unterrichtet, nannte dem guten Herrn den kommenden Tag als Stelldichein, womit er so zufrieden war, daß sein Herz voller Freude sprang und er bei sich dachte, er werde bei der Zusammenkunft schon seinen Mann stehen.

Am Tage des Waffengangs kam gegen Abend ein adliger Ritter, ein Nachbar des gnädigen Herrn und sein treuester Freund, zu ihm zu Besuch und ward von ihm über alle Maßen freundlich und herzlich willkommen geheißen. So tat Madame auch, und das ganze Haus bemühte sich sehr, sich ihm gefällig zu zeigen, da man wohl wußte, daß es dem Wunsch des gnädigen Herrn und Madames entsprach.

Nach dem freundlichen Willkommen, dem Abendessen und dem Bankett boten die beiden guten Ritter, als die Stunde gekommen war, da man sich zurückzog, Madame und ihren Frauen gute Nacht, sprachen über viele verschiedene Dinge, und unter anderm fragte der fremde Ritter den gnädigen Herrn, ob es in seinem Dorf keine Schöne gebe, der man die Nestelbänder aufknüpfen könnte. Denn die Frömmigkeit war nach diesen guten Mahlzeiten und der schönen Zeit, die bis zu dieser Stunde verflossen war, von ihm genommen.

Der gnädige Herr, der ihm ob seiner großen Liebe zu ihm nichts zu verbergen wünschte, sagte ihm, er habe in dieser Nacht ein Stelldichein, werde mit seiner Kammerfrau schlafen, sich jedoch, um ihm ein Vergnügen zu machen, wenn er eine Zeitlang bei ihr gewesen wäre, ganz sacht erheben und ihn aufsuchen, damit er den Rest auf sich nehmen könnte.

Der fremde Ritter dankte seinem Genossen, und Gott weiß, daß es ihn wohl nach dieser Stunde verlangte. Der Wirt nahm Abschied von ihm und zog sich in seine Kleiderkammer zurück, wie es seine Gewohnheit war, um sich auszuziehen.

Nun müßt ihr wissen, daß, während die Ritter plauderten, Madame sich in das Bett legte, in dem der gnädige Herr seine Kammerfrau finden sollte, und dort wartete sie auf das, was Gott ihr schicken würde.

Der gnädige Herr verbrachte absichtlich ziemlich viel Zeit mit dem Auskleiden, er dachte, Madame sei, wie schon oft, bereits eingeschlafen, weil sie vorher zu Bett ging. Der gnädige Herr entließ seinen Kammerdiener und ging in seinem langen Gewand zu dem Bett, wo ihn Madame erwartete, während er dort jemand anders zu finden gedachte; und ganz still entledigte er sich seines Kleids und stieg ins Bett. Und da die Kerze ausgelöscht war und Madame kein Wort sagte, dachte er seine Kammerfrau zu haben.

Bald danach tat er seine Pflicht, und zwar so trefflich, daß drei-, viermal ihm nichts machten. Das war Madame sehr willkommen, sie schlief aber bald darauf ein im Glauben, das sei alles.

Als der gnädige Herr, um vieles leichter als vorher, sah, daß Madame schlief, erinnerte er sich seines Versprechens, erhob sich ganz sacht und ging zu seinem Genossen, der nur auf die Stunde wartete, da er in die Schlacht ziehen könnte, und sagte ihm, er solle seinen Platz einnehmen gehen, doch kein Wort sagen und zurückkommen, wenn er es wohl besorgt und all seine Lust gehabt hätte.

Der andere, wacher als eine Ratte und schneller als ein Windhund, brach auf, ging und lagerte sich neben Madame, ohne daß sie davon etwas wußte. Und als er seiner Sache ganz sicher war, machte er es, wenn der gnädige Herr es schon gut besorgt hatte, in Eile noch besser, worüber Madame nicht wenig verwundert war, die nach diesem schönen Zeitvertreib, der ihr keine Beschwerde verursachte, von neuem einschlief. Und der gute Ritter verließ sie und kehrte zum gnädigen Herrn zurück, der wie vorher sich abermals neben Madame legte und sich von neuem auf den Kampfplatz begab, so wohl gefiel ihm diese neue Übung.

So gingen die Stunden hin, bald im Schlaf, bald in der Beschäftigung mit andern Sachen, bis der Tag erschien. Und da er sich umwandte und die Augen auf die Kammerfrau zu heften glaubte, sah und erkannte er Madame, die ihm sofort sagte: »Ihr seid doch ein rechter liederlicher Strick, niederträchtiger, böser, schändlicher Mensch, der Ihr im Glauben, meine Kammerfrau zu haben, mich so oft und über die Maßen umhalstet, um Eure zuchtlose Begierde zu befriedigen! Ihr seid Gott sei Dank gut in die Irre geführt worden, denn keine andere als ich soll zu dieser Zeit erhalten, was mein sein muß!«

Wenn der gute Ritter erstaunt und erzürnt war, als er sich in dieser Lage sah, so ist das nicht verwunderlich. Und da er sprach, sagte er: »Liebe Freundin, ich kann Euch nicht mein törichtes Unterfangen verhehlen, das jemals unternommen zu haben mir sehr leid tut, daher bitte ich Euch, gebt Euch zufrieden, und denkt nicht mehr daran! Denn zeit meines Lebens soll's nicht mehr geschehen, das verspreche ich Euch wahrhaftig. Und damit Ihr keine Gelegenheit habt, daran zu denken, will ich die Kammerfrau verabschieden, die in mir den Wunsch erweckte, so gegen Euch zu sündigen!«

Da Madame sehr froh darüber war, daß sie das Abenteuer dieser Nacht erlebt hatte und nicht ihre Kammerfrau, und die aufrichtige Reue des gnädigen Herrn sah, gab sie sich ziemlich leicht zufrieden, doch nicht ohne große Redensarten und Vorstellungen. Endlich war alles gut, und der gnädige Herr, die Tasche voller Neuigkeiten, ging, nachdem er sich erhoben hatte, zu seinem Genossen, dem er ausführlich sein Abenteuer erzählte und den er um zweierlei bat: erstens, er solle nur gut dies Geheimnis und sein peinliches Abenteuer verschweigen, dann, er solle niemals an einen Ort kommen, wo seine Frau weile.

Der andere, ob dieses bösen Abenteuers sehr bekümmert, tröstete den Ritter nach besten Kräften, versprach ihm, seinen vernünftigen Wunsch zu erfüllen, stieg dann aufs Pferd und ritt davon. Die Kammerfrau, die an dem oben erzählten unglücklichen Zufall keine Schuld trug, ward dadurch gestraft, daß sie den Abschied erhielt. Der gnädige Herr und Madame lebten darauf noch recht lange zusammen, ohne daß sie jemals erfuhr, daß sie mit dem fremden Ritter zu schaffen gehabt hatte.

 


 


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