Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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91. Novelle
Nutzlose Drohung

Als ich jüngst in der Grafschaft Flandern in einer der größten Städte des Landes war, erzählte mir ein schmucker Geselle eine heitere Geschichte von einem Mann, dessen Frau so zuchtlos, liebebedürftig und geil war, daß sie sogar damit einverstanden gewesen wäre, wenn man sie auf offener Straße vorgenommen hätte. Ihr Mann wußte wohl um ihre Aufführung, doch vermochte er kein Mittel zu erkunden und zu finden, um sie davon abzubringen, so sehr war sie ihrem Handwerk ergeben. Er drohte sie zu schlagen, allein zu lassen oder zu töten, doch frage, wer mag, ebenso hätte er einem tollen Hund oder einem andern Vieh drohen können. Sie trieb sich in allen Straßen herum und verlangte nach nichts als Liebesgenuß. In der ganzen Gegend gab es nur wenige Männer, denen sie sich nicht zugesellt hätte, um ein Flämmchen ihres großen Feuers zu löschen. Und wer sie kaufen wollte, bekam sie ebensogut auf Kredit wie gegen bar, gleichviel ob der Mann alt, häßlich, bucklig, ungestalt oder sonst wie mißgestalt war. Kurz, niemand ging von ihr, ohne seinen Teil erhalten zu haben.

Als der arme Mann sie bei diesem Leben beharren und seine kräftigen Drohungen nichts fruchten sah, kam er auf den Gedanken, sie auf eine Art und Weise, von der er sich viel versprach, zu schrecken. Als er sie in seinem Haus allein hatte, sagte er zu ihr: »Johanna oder Beatrix« - wie er sie nannte -, »ich sehe wohl, Ihr bleibt hartnäckig bei diesem schändlichen Lebenswandel, und was ich Euch auch für eine Strafe androhe, Ihr kehrt Euch genausowenig daran, wie wenn ich geschwiegen hätte.«

»Ach, lieber Mann«, entgegnete sie, »ich bin noch weit bekümmerter als Ihr, und mir geht's noch viel mehr nahe. Doch ich weiß kein Mittel dagegen, denn ich bin nun einmal unter solch einem Stern geboren, daß ich den Männern dienstwillig und gefällig sein muß.«

»So«, sagte der Mann, »seid Ihr dazu bestimmt? Zum Teufel, da habe ich wahrhaftig ein gutes und schnelles Mittel.«

»Ihr wollt mich töten«, versetzte sie, »ein anderes Mittel gibt's nicht.«

»Laßt mich nur machen«, entgegnete er, »ich weiß etwas viel Besseres.«

»Und was denn?« fragte sie.

»Beim Tode Gottes«, rief er, »ich werde Euch eines Tages so lange vornehmen, bis ich Euch ein Viertelhundert Kinder gemacht habe, dann von Euch gehen und sie Euch allein ernähren lassen.«

»Ihr?« rief sie. »Wie wollt Ihr das beginnen? Ihr würdet es nie zustande bringen, solche Drohungen schrecken mich wenig, ich fürchte Euch nicht. Kommt her! Wenn ich Euch weiche, soll man mich zur Nonne scheren. Wenn Ihr kräftig genug zu sein glaubt, kommt nur heran und fangt gleich an, ich will schon stillhalten.«

»Zum Teufel mit solch einem Weib«, sagte der Mann, »man kann es durch nichts bessern!«

Er sah sich gezwungen, sie ihre alten Wege wandern zu lassen, allzu oft hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er sie dazu bringen könnte, den Hintern ruhig zu halten; nun ließ er sie laufen wie eine Hündin zwischen zwei Dutzend Hunden und all ihre Begierden und zuchtlosen Wünsche befriedigen.

 


 


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