Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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95. Novelle
Die Heilung des Mönchs

Wie sich Gott sei Dank in vielen Klöstern recht häufig gute Gesellen finden, die einem kräftigen Trunk nicht abhold und der Liebe ergeben sind, so lebte vor kurzem in einem Pariser Kloster ein guter Predigerbruder, der unter den Frauen seiner Nachbarschaft sich ein schönes, junges, stattliches, noch nicht lange an einen guten Gesellen verheiratetes Weibchen ausersehen hatte. Der Meister Mönch verliebte sich in es und dachte und grübelte ständig darüber nach, wie er an sein Ziel kommen könnte, das, klar und kurz gesagt, darauf hinauslief, das, was ihr euch denken könnt, zu tun. Er hatte so viele Einfälle, daß er nicht wußte, für welchen er sich entscheiden solle; er wußte wohl, es würde ihm nicht gelingen, die Schöne durch Überredung sich gefügig zu machen. »Denn«, sagte er sich, »sie ist zu gut und standhaft, ich muß sie also, will ich meine Sehnsucht stillen, durch List und Trug gewinnen.«

Nun hört, worauf der Schelm kam und wie er das arme Tierchen fing und seinen lüsternen Wunsch befriedigte. Er tat eines Tages, als schmerze ihn heftig ein Finger, der neben dem Daumen, der erste der vier an der rechten Hand. Und er verband ihn und umwickelte ihn mit Leinwand und bestrich ihn mit einer stark riechenden Salbe. In diesem Zustand blieb er ein oder zwei Tage, zeigte sich stets in der Kirche vor dem obenerwähnten Weibchen und tat Gott weiß wie schmerzerfüllt. Die einfältige Frau betrachtete ihn mitleidsvoll und sah deutlich an seinem Benehmen, daß großer Schmerz ihn plagte. Voller Mitgefühl fragte sie ihn, was ihm sei, und der schlaue Fuchs erzählte es ihr mit so kläglichen Worten, als käme er vor großen Schmerzen fast um seinen Verstand. Dieser Tag ging dahin, und am nächsten, ungefähr um die Vesperstunde, suchte der Patient die gute Frau auf, als sie daheim ganz allein war, setzte sich neben sie und spielte so gut den Kranken, daß jeder, der ihn jetzt gesehen, geglaubt hätte, er schwebe in der größten Gefahr. Bald wandte er sich nach dem Fenster, bald nach der Frau und benahm sich so sonderbar, daß ihr, hättet ihr ihn gesehen, erschrocken und wirklich getäuscht worden wäret.

Das einfältige Weibchen, dem aus Mitleid fast die Tränen aus den Augen gesprungen wären, tröstete ihn nach besten Kräften: »Ach, lieber Bruder Aubry, habt Ihr denn mit den und den Ärzten gesprochen?«

»Ja, ganz gewiß, liebe Freundin«, erklärte er. »jeder Arzt und Chirurg von Paris weiß um meine Krankheit.«

»Und was sagen sie? Werdet Ihr noch lange so zu leiden haben?«

»Ach ja, und ich kann, wenn Gott nicht hilft, noch den Tod davon haben, denn für meine Krankheit gibt es nur ein Heilmittel, und ich wollte lieber sterben als davon sprechen, denn es ist weniger als anständig und nicht mit meinem Beruf zu vereinigen.«

»Wie«, rief das arme Weibchen, »ist das nicht schlecht von Euch gehandelt, und sündigt Ihr nicht, wenn Ihr Euch so quälen laßt? Ihr seid ja in Gefahr, vor übergroßem Schmerz Sinn und Verstand zu verlieren.«

»Bei Gott, wohl ist der Schmerz bitter und schrecklich«, versetzte Bruder Aubry, »aber Gott hat ihn mir gesandt, er sei gelobt. Ich will mich in Geduld fassen und getrost den Tod erwarten, denn er ist das wahre Mittel gegen mein Übel, außer dem einen, von dem ich Euch schon sprach und das mich bald heilen würde. Doch was hilft's, denn wie ich Euch schon erklärte, würde ich es niemals nennen. Und wenn ich es auch schon nennen müßte, würde ich nicht den Mut noch den Willen haben, es anzuwenden.«

»Meiner Seel«, erwiderte die gute Frau, »mir scheint, Bruder Aubry, Ihr tut unrecht, wenn Ihr so sprecht. Sagt mir um Gottes willen, was ihr zu Eurer Heilung braucht, und ich versichere Euch, ich werde mit allem Fleiß und Eifer ausfindig machen, was Euch nutzen kann. Führt doch um Gottes Willen nicht selbst Euern Tod herbei, laßt Euch doch helfen und beistehen! Sagt mir, was es ist, und Ihr sollt sehen, ob ich Euch helfen werde. Bei Gott, ich will es tun und würde mich's mehr kosten lassen, als Ihr glaubt.«

Als der Herr Mönch den guten Willen seiner Nachbarin sah, sagte er, nachdem er eine Menge Entschuldigungen vorgebracht und sich recht geziert hatte, was ich der Kürze wegen übergehe, leise: »Da Ihr wünscht, ich soll es sagen, werde ich Euch gehorchen. Alle Ärzte haben mir einstimmig erklärt, für meine Krankheit gebe es nur ein Mittel, nämlich meinen kranken Finger in den geheimen Teil einer sauberen, ehrbaren Frau zu bringen, ihn dort eine gute Weile zu halten und nachher mit einer Salbe, zu der sie mir das Rezept gegeben haben, einzureiben. Ihr wißt nun, wie es ist, und da ich von Natur sehr schamhaft bin, hätte ich weit lieber meine jetzigen Leiden noch länger erduldet und ertragen, als irgendeinem Menschen ein Wörtchen davon gesagt. Ihr allein wißt davon, und nur ungern habe ich Euch davon gesprochen.«

»Holla, holla«, rief die gute Frau, »ich habe Euch doch gesagt, was ich tun will; ich werde Euch zur Heilung verhelfen. Damit Ihr geheilt werdet, Eure Gesundheit wiedererlangt und den schrecklichen, Euch folternden Schmerz loswerdet, will ich Euch gern den Ort darbieten, damit Ihr Euren kranken Finger hineinbringen könnt.«

»Gott möge es Euch vergelten, Demoiselle, ich hätte niemals gewagt, Euch noch sonst jemanden darum anzugehen, doch da Ihr mir helfen wollt, will ich mich nicht dem Tode preisgeben. Wenn es Euch recht ist, wollen wir uns also an einen geheimen Ort begeben, damit niemand uns sieht.«

»Schön!« versetzte sie und führte ihn in eine hübsche Kleiderkammer, schloß die Tür und legte sich aufs Bett. Und der Meister Mönch deckte ihre Kleider auf und brachte an Stelle seines Fingers sein hartes und kräftiges Gewaffen an den Ort. Als sie es beim Eindringen so groß fühlte, rief sie: »Wie kann Euer Finger so groß sein? ich habe niemals von einem ähnlich kräftigen gehört.«

»Die Krankheit«, erklärte er, »hat ihn so weit gebracht!«

»Das ist ja wunderbar«, meinte sie, und während dieser Worte vollbrachte der Meister Mönch das, um deswillen er so gut den Kranken gespielt hatte. Und sie, die dies und alles übrige fühlte, fragte, was das sei. Und er antwortete: »Das ist der Eiter, der aus meinem Finger läuft; ich glaube, ich bin schon, Dank Gott und Euch geheilt.«

»Meiner Seel, das höre ich gern«, erklärte die Dame, die sich nun erhob. »Wenn Ihr noch nicht gut geheilt seid, so kommt wieder, wenn es Euch beliebt. Ich täte alles, um Euch diesen Schmerz zu nehmen, und seid künftighin, wenn Ihr Eure Gesundheit wiedererlangen wollt, nicht so schamhaft, wie Ihr gewesen.«

 


 


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