Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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78. Novelle
Der Mann als Beichtvater

Im guten, freundlichen Lande Brabant, das so reich an schönen und gewöhnlich auch sehr klugen Mädchen ist, was man von den Männern nicht behaupten kann, geschah es jüngst, daß einen Edelmann, auf den diese Bemerkung durchaus paßt, die Lust anwandelte, übers Meer nach verschiedenen Ländern zu ziehen; er kam nach Zypern, Rhodos und den Nachbarländern und zuletzt nach Jerusalem, wo er in den Ritterorden aufgenommen ward. Während seiner Fahrt ging seine gute Frau nicht müßig und lieh ihr bestes Teil drei Gesellen aus der Nachbarschaft, denen sie nacheinander Gehör schenkte. Zuerst kam ein galanter, junger und vermögender Edelmann, an den sie sich, was seinen Leib wie sein Gut betraf, in solchem Maße hielt, daß sie ihm wahr und wahrhaftig alle Federn ausrupfte, so daß ihm nichts als die nackte Haut blieb, worauf sie, seiner überdrüssig, sich von ihm zurückzog und ihm nachdrücklich den Abschied gab. Der zweite, der danach kam, war ein sehr angesehener Ritter, der sich voller Freude, die Festung gewonnen zu haben, nach Kräften bei ihr betätigte und den das Weibchen ebensogut wie den andern zu schröpfen verstand. Kurz, wenn der Edelmann, der vorher den Platz eingenommen, gerupft und geplündert war, so war es der Herr Ritter nicht minder. Darauf gab sie ihm den Abschied, schickte ihn fort und sah sich nach anderen Bittstellern um. Es glückte der Demoiselle auch, mit einem Herrn Priester bekannt zu werden, von dem sie, mochte er auch noch so schlau und scharfsinnig sein und auf sein Geld wohl achtgeben, ein reichliches Lösegeld an Gewändern, Tafelgeschirr und andern guten Sachen erhielt.

Nun ließ mit Gottes Hilfe der tüchtige Mann dieses Weibchens es seine Ankunft wissen, und daß er in Jerusalem Ritter geworden sei. Darauf ließ seine gute Frau das Haus herrichten, mit Teppichen behängen, schmücken, putzen und aufs prächtigste zieren. Kurz, alles war recht sauber und gefällig, außer ihr selbst, die im Haus war und sich durch ihren Leib allein all die Menge Tafelgeschirr, Teppiche, Linnen und Möbel erworben hatte. Als der zärtliche Gatte heimkam, ward er, weiß Gott, voller Freuden und mit großen Festen und besonders herzlich von seiner tüchtigen Frau empfangen. Ich übergehe den Willkomm und sage nur, daß ihr Herr Gemahl, obwohl er ein Dummkopf war und blieb, als er durch sein Haus ging, die vielen Möbel und Gerätschaften, die vor seiner Abreise nicht vorhanden waren, bemerkte. Er kam zu den Truhen, zu den Kredenztischen und an manch anderen Schrank und fand alles in reicher Fülle, was ihn mit Verdruß erfüllte und Verdacht schöpfen ließ, es sei nicht mit rechten Dingen zugegangen. Daher begab er sich alsbald erregt und mißgestimmt zu seiner guten Frau und fragte, woher die vielen guten Sachen, von denen ich oben sprach, kämen.

»Sankt Johann«, versetzte da Madame, »das nenne ich nicht übel gefragt, gnädiger Herr. Ihr habt wohl Ursache, derartige Fragen zu stellen, ich glaube sogar, Ihr seid darüber aufgebracht.«

»Es gefällt mir jedenfalls gar nicht recht«, versetzte er, »denn als ich mich auf die Reise machte, ließ ich Euch nicht so viel Geld, und daher könnt Ihr nicht so viel gespart haben, um Euch das Tafelgeschirr, die Decken und was ich sonst hier im Haus finde, zu kaufen. Ich fürchte deshalb und habe auch Grund dazu, daß Ihr Euch an einen andern gehalten habt, der unsere Wirtschaft so wohl versehen hat.«

»Bei Gott, gnädiger Herr«, antwortete die einfältige Frau, »Ihr tut unrecht, mir mit Euren Worten solchen Schimpf anzutun. Ihr solltet doch wissen, daß ich nicht solch eine Person bin, sondern in allen Stücken viel besser, als Ihr es verdient. Ist das recht, daß ich für alle meine Mühe, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, durch die ich meinen und Euren Besitz gemehrt und gebessert habe, geschmäht, getadelt und verdächtigt werde, anstatt daß Ihr, wie es die Pflicht eines guten Mannes gegen seine gute keusche Frau ist, meine Mühe anerkennt? Das ist also mein Lohn, Ihr schändlicher Mensch!«

Obgleich diese Verhandlung noch längere Zeit währte, will ich nichts weiter davon sagen und nur erklären, daß sie eine ganze Weile ausgesetzt ward. Und der Herr Gemahl kam auf den Gedanken, um etwas Gewisses über die Aufführung seiner Frau zu erfahren, sich mit seinem vertrauten Freunde, dem Pfarrer, ins Benehmen zu setzen und an dessen Stelle ihre fromme Beichte zu hören. Der Pfarrer ging auch darauf ein. Eines Morgens in der Osterwoche, als sie bei ihrem Pfarrer beichten wollte, kam der zu ihrem Mann, gab ihm sein Gewand und schickte ihn in eine abgelegene Kapelle als seinen Stellvertreter zu seiner Frau voraus. Ob unser Mann darüber erfreut war, braucht man nicht zu fragen. Er kam also in diesem Aufzuge zur Kapelle und trat, ohne ein Wort zu sagen, in den Beichtstuhl; seine Frau kam herbei, kniete zu seinen Füßen, meinte, er sei wirklich ihr Pfarrer, und begann unverzüglich mit ihrer Beichte, indem sie das Benedicite hersagte. Und unser Herr, ihr Gatte, antwortete mit dem Dominus und sagte, so gut er konnte und wie es der Pfarrer ihn gelehrt hatte, alles, wie es sich gehörte. Nachdem die gute Frau im allgemeinen gebeichtet, kam sie auf das einzelne und erzählte, daß, während ihr Gatte fern geweilt habe, ein Edelmann, von dem sie viel Gold, Silber und andere Sachen erhalten, sein Stellvertreter gewesen sei. Gott weiß, ob der Mann, als er diese Beichte vernahm, darüber erfreut war; am liebsten hätte er sie sofort getötet, doch faßte er sich, um zu hören, was es noch weiter gebe, in Geduld. Als sie ausführlich von diesem Edelmann erzählt hatte, klagte sie sich der Schuld mit dem Ritter an, der sie ebenso wie der andere gut ausgesteuert hatte. Und der gute Mann, dem der Zorn das Herz zerfraß, hätte ihr sich am liebsten entdeckt und, ohne noch länger zu warten, die Absolution erteilt. Doch tat er es nicht, sondern hielt sich geduldig zurück, um zu hören, was nun kommen werde. Nach dem Ritter kam der Priester an die Reihe, und sie beklagte demütig ihre Schuld. Doch nun, bei der Mutter Gottes, verlor der gute Mann die Geduld und konnte nicht weiterhören. Er warf Kappe und Chorhemd ab, zeigte sich ihr und sagte: »Falsches, treuloses Weib, nun weiß ich genau, wie sehr Ihr mich hintergangen habt. Es hat Euch nicht genügt, einem Edelmann und dann einem Ritter Euch preiszugeben. Ihr habt Euch sogar einem Priester überlassen, und das kränkt und erzürnt mich mehr als alles andere.«

Anfangs war diese tüchtige Frau, wie ihr wissen müßt, überrascht und erschrocken, doch bald hatte sie eine Antwort bei der Hand und ihre Fassung so gut wiedergewonnen, daß jeder, der ihre Antwort gehört hätte, sie für die rechtschaffenste Frau von der Welt hätte halten müssen. Sie empfahl sich Gott, antwortete, als gäbe es ihr der Heilige Geist ein, und erklärte ganz keck: »Armer Tor, was hat Euch denn so in Zorn versetzt, weshalb seid Ihr denn so aufgeregt? Hört mich doch nur an! Meint Ihr denn, ich hätte nicht gewußt, daß Ihr mir die Beichte abnehmt? Deshalb habe ich Euch auch gebührend gedient und, ohne ein Wort zu lügen, alles gebeichtet, denn der Edelmann, den Ihr mir vorhaltet, seid Ihr, mein treuer Gatte, denn als Ihr mich heiratetet, wart ihr Edelmann, habt mir alles Gute gegeben und mich, Ihr wißt es recht gut und Gott auch, wohl versorgt. Auch der Ritter, von dem ich gesprochen und den Ihr mir vorhaltet, seid, bei meiner Seele, Ihr, denn seit Eurer Rückkehr habt Ihr mich doch zu einer Rittersfrau gemacht, und auch der Priester seid ihr, denn nur ein Priester kann die Beichte hören.«

»Wahrhaftig, liebe Freundin«, erklärte der Ritter, »jetzt habt Ihr mich geschlagen und trefflich dargetan, daß Ihr klug und gut seid und ich ohne Ursach und Grund und schlecht unterrichtet Euch solch eine Schuld vorgeworfen habe; das tut mir leid und reut mich. Ich bitte Euch um Verzeihung und gelobe Euch Besserung.«

»Es soll Euch gern vergeben sein«, erklärte nun die tüchtige Frau, »da Ihr jetzt wißt, wie es gewesen ist.«

So, wie ihr gehört, ward der gute Ritter durch die Geistesgegenwart seiner ungetreuen Gattin getäuscht.

 


 


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