Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

14. Novelle
Der Papstmacher

Das große und weite Burgund ist nicht so arm an vielen der Erinnerung und des Aufzeichnens werten Abenteuern, daß es nicht zu den Geschichten, die hier fortlaufend erzählt werden, seinen Teil so gut wie die andern Länder liefern könnte und müßte. Ich erlaube mir daher, eine Geschichte vorzubringen, die sich dort jüngst ziemlich nahe einem großen und hübschen Dorf, das an der Ousche liegt, zugetragen hat.

Dort gab und gibt es einen Berg, wo ein Einsiedler, einer von der Sorte, die Gott kennt, hauste, der, ein großer Heuchler, wunderbare Dinge trieb, die nicht ruchbar und bekannt wurden, bis Gott nicht länger seinen verdammenswerten Mißbrauch zulassen und dulden wollte.

Dieser heilige Einsiedler, der sich späterhin vom Tode half, war ebenso geil wie ein alter Affe boshaft, doch wußte er seine Lebensweise so schlau zu verbergen, daß man sagen muß, er hat die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln überboten.

Hört nur, wie er's machte: Er hielt unter den Frauen und schönen Mädchen der Nachbarschaft Umschau; am meisten seiner Liebe und seines Begehrens wert war die Tochter einer einfältigen verwitweten Frau, die sehr fromm und Almosenpflegerin war; daher dachte er, wenn er es an Klugheit nicht fehlen ließ, die Sache zu einem guten Ende zu führen.

Eines Abends, gegen Mitternacht, da es sehr kalt und rauh war, stieg er von seinem Berg und kam zu diesem Dorf und ging so lange Wege und Pfade, bis er sich unter dem Dache des Hauses der Mutter des Mädchens befand, ohne von irgend jemandem gehört worden zu sein. Das Haus war nicht so groß noch so wenig in aller Frömmigkeit von ihm besucht, daß er nicht alle Winkel in ihm gekannt hätte.

Nun macht er ein Loch in eine nicht sehr dicke Wand, gerade dort, wo das Bett dieser einfältigen Witwe stand, nimmt einen langen, durchbohrten und gehöhlten Stock, mit dem er sich versehen hat, und ohne die Witwe aufzuwecken, legt er ihn neben ihr Ohr und sagt ziemlich leise dreimal: »Höre mich, Frau Gottes, ich bin ein Bote des Schöpfers, der mich zu dir schickt, dir anzukündigen und zu befehlen, daß er ob der großen Güter, die er auf dich hat übertragen wollen, durch einen Erben deines Fleisches, das heißt deine Tochter, die Kirche, seine Gemahlin, wiedervereinigen, reformieren und in den ihr gebührenden Zustand wieder versetzen will. Und höre, wie du es machen sollst: du sollst auf den Berg zu dem heiligen Einsiedler gehen und deine Tochter ihm zuführen und ihm ausführlich erzählen, was Gott gegenwärtig dir durch mich aufträgt. Er wird deine Tochter erkennen, und von euch wird ein Sohn kommen, erwählt von Gott und für den Heiligen Stuhl in Rom bestimmt, der soviel Gutes tun wird, daß man ihn wohl mit dem heiligen Petrus und dem heiligen Paulus wird vergleichen können. So geh denn hin, gehorche Gott!«

Die einfältige Frau war sehr erstaunt, überrascht auch und halb entzückt und glaubte wahrhaftig und wirklich, daß Gott ihr diesen Boten schicke. Daher sagte sie zu sich, sie werde sicherlich gehorchen. Und dann legt sich die gute Frau hin und schläft noch eine gute Weile, doch nicht allzu fest, und erwartet und ersehnt von Herzen den Tag. Und indessen geht der gute Eremit nach seiner Einsiedelei auf den Berg. Dieser heißersehnte Tag ward nach einiger Zeit durch die Sonnenstrahlen angekündigt, die trotz den Fensterläden in das Zimmer drangen und Mutter und Tochter schnell weckten. Als sie bereit waren, auf den Füßen standen und ihre kleine Wirtschaft besorgt hatten, fragt die gute Mutter ihre Tochter, ob sie nichts in dieser Nacht gehört habe, und sie antwortet ihr: »Gewiß nicht, Mutter, nein!«

»Dir gilt zunächst auch nicht«, entgegnete sie, »die freundliche Botschaft, obwohl sie dich viel angeht!« Darauf erzählte sie ihr ausführlich die Engelsbotschaft. die in dieser Nacht Gott ihr sandte, fragte sie auch, was sie dazu sage.

Die gute Tochter, wie ihre Mutter einfältig und fromm, erwidert: »Gott sei gelobt! Was Euch gefällt, liebe Mutter, soll geschehen!«

»Das ist wohl gesprochen!« erklärt die Mutter, »dann gehen wir nach der Weisung des guten Engels auf den Berg zu dem heiligen Gottesmann!«

Der gute Einsiedler, der auf der Lauer stand, wann die getäuschte Frau ihre einfältige Tochter bringen würde, sieht sie kommen. So läßt er seine Tür halb offen und setzt sich zum Gebet in seinem Zimmer nieder, damit er bei seiner Andacht gefunden werde. Und wie er es wünschte, so geschah es, denn die gute Frau und ihre Tochter traten ein, als sie die Tür halb offen erblickten, ohne was noch wie zu fragen. Und da sie den Einsiedler in frommer Betrachtung sahen, ehrten sie ihn, als wäre er Gott selbst.

Der Einsiedler sagt mit demütiger Stimme, die Augen auf die Erde geheftet: »Gott grüße die Gesellschaft!«

Und das arme alte Weib, das wünschte, er sollte die Angelegenheit, die sie herführte, vernehmen, zog ihn beiseite und erzählte ihm von Anfang bis zu Ende die ganze Geschichte, die er viel besser als sie kannte. Und da sie in großer Ehrfurcht ihren Bericht machte, richtete der gute Einsiedler die Augen gen Himmel, hob die gefalteten Hände in die Höh, und die gute Alte weinte, so voller Freude und Mitgefühl war sie. Und die arme Tochter weinte ebenfalls, als sie den guten, heiligen Einsiedier in so großer Andacht bitten sah, und wußte nicht warum.

Als dieser Bericht der ganzen Länge nach abgestattet ist und die Alte die Antwort erwartet, beeilt sich der, der sie geben muß, nicht. Endlich sagt er nach einer Weile: »Gott sei gelobt! Aber liebe Freundin«, fragt er, »scheint's Euch wahr, und habt Ihr das alles recht gehört, was Ihr mir da eben sagtet, und ist's keine Einbildung und Vorspiegelung? Wie urteilt Ihr im Herzen darüber? Wisset, die Sache ist bedeutend!«

»Sicherlich, ehrwürdiger Vater, hörte ich die Stimme, die diese fröhliche Botschaft mir brachte, so deutlich, wie ich es zu Euch sage, und denkt nicht, daß ich schlief!«

»Nun wohl«, erwiderte er, »nicht daß ich dem Willen meines Schöpfers widersprechen will, doch mir scheint es gut, wenn Ihr und ich noch dies Geschehnis beschlafen, und wenn es Euch abermals ankommt, müßt Ihr hier zu mir kommen, und Gott wird uns guten Rat und Einfall schenken. Man muß nicht allzu leichtgläubig sein, liebe Mutter! Der Teufel ist manchmal neidisch auf andre Leute, findet wohl Mittel und Wege und verwandelt sich in einen Engel des Lichts. Seid versichert, liebe Mutter, seid versichert, daß das nicht wenig mit dieser Sache auf sich hat; und wenn ich mich dagegen sträube, so ist das nicht wunderbar. Habe ich nicht Gott Keuschheit gelobt? Und Ihr sagt, er hat mir befohlen, sie zu brechen. Geht in Euer Haus zurück und bittet Gott, und morgen wollen wir dann sehen, was werden soll; nun Gott befohlen.«

Nach vielen Zeremonien verläßt die Gesellschaft den Einsiedler und kommt plaudernd nach Haus.

Um es kurz zu machen: unser Einsiedler kommt zur gewohnten und rechten Stunde mit dem durchbohrten Stock an Stelle des Stabs, legt ihn ans Ohr der einfältigen Frau und sagt ihr die nämlichen Worte und über denselben Gegenstand wie in der vergangenen Nacht. Und als das geschehen ist, kehrt er schnell in seine Einsiedelei zurück.

Die gute Frau, von Freude erfüllt, glaubt Gott schon an den Füßen zu halten, erhebt sich zeitig und erzählt ohne Arg ihrer Tochter, was die Erscheinung der voraufgehenden Nacht bestätigte. Man kann es kurz machen: »Also gehen wir zu dem heiligen Mann!«

Sie gehen dahin, und er sieht sie kommen; daher nimmt er sein Brevier und beginnt abermals mit seiner Andacht und läßt sich in diesem Zustand vor der Tür seines Häuschens von den guten Frauen grüßen. Wenn die Alte ihm gestern eine lange Rede über ihre Erscheinung gehalten hatte, so war diese jetzt um nichts kürzer. Der Gottesmann macht auf sich das Zeichen des Kreuzes, tut wundersam erstaunt und sagt: »Wahrhaftiger Gott, was soll das bedeuten? Mach mit mir alles, was Dir gefällt; obwohl Deine Gnade so groß ist, bin ich nicht wert, ein so großes Werk auszuführen!«

»Nun merkt wohl, ehrwürdiger Vater«, sagte jetzt die gute Frau, »Ihr seht doch, daß gewißlich von neuem der Engel vor mir erschienen ist!«

»Wahrlich, liebe Freundin, diese Sache ist so bedeutend und schwierig und ungewöhnlich«, entgegnete der Eremit, »daß ich nur eine zweifelnde Antwort geben könnte. Doch, liebe Freundin, damit Ihr's sicher hört, wartet noch die dritte Erscheinung ab; ich will, daß Ihr Gott genau erforscht. Es heißt ja auch im Sprichwort: Beim drittenmal beginnt der Kampf. Daher bitte und ersuche ich Euch, noch diese Nacht, ohne etwas zu tun, vorübergehen zu lassen und Gottes Gnade hierfür zu erwarten. Und wenn es ihm in seiner Barmherzigkeit gefällt, uns heute nacht wie in den andern früheren Nächten seinen Willen zu bekunden, so wollen wir tun, auf daß sein Name darob gelobt werde!«

Es war nicht nach dem Herzen der guten Alten, daß man so lange Gott Gehorsam zu bezeigen zögerte, doch schließlich hielt sie den Einsiedler für einen sehr weisen Mann.

Als sie in tiefen Gedanken ob der Botschaften zur Ruhe gegangen war, steigt der arge Heuchler von seinem Berge, legt ihr seinen durchbohrten Stab ans Ohr und befiehlt ihr als von Gott gesandter Engel ein für allemal, ihre Tochter zu dem Einsiedler aus dem genannten Grunde zu führen.

Sie vergaß, sobald es Tag war, nicht den Auftrag, denn nachdem sie und ihre Tochter Gott ihr Dankgebet gesagt hatten, machen sie sich auf den Weg nach der Einsiedelei, wo der Eremit ihnen entgegenkommt und sie in Gottes Namen begrüßt und segnet. Und die gute Mutter, noch viel fröhlicher als je vorher, verheimlichte ihm nicht lange ihre neue Erscheinung. Der Einsiedler nimmt sie bei der Hand und geleitet sie in seine Kapelle, und die Tochter folgt ihnen; und hier innen lassen sie ihre demütigen Gebete zu Gott dem Allmächtigen aufsteigen, der das große Mysterium ihnen zu zeigen geruht hat.

Nach einem kurzen Sermon des Einsiedlers, der sich auf Träume, Erscheinungen, Gesichte und Offenbarungen bezog, die den Menschen oftmals zuteil werden, kam er seiner Absicht gemäß auf den Gegenstand, um dessentwillen sie versammelt waren. Und ihr könnt euch denken, daß der Einsiedler gut predigte und in schöner Andacht, Gott weiß es: »Da Gott wünscht und befiehlt, ich solle päpstliche Kinder zeugen, und es nicht nur ein- oder zweimal, sondern zum Überfluß noch zum drittenmal kundzutun geruht hat, muß man sagen, glauben und schließen, daß ein herrliches Gut aus dieser Tat erwachsen wird. Daher kann man, scheint es mir, nichts Besseres tun, als die Ausführung nach Möglichkeit zu beschleunigen, da ich schon allzu lange gezögert habe, der heiligen Erscheinung Glauben zu schenken.«

»Ihr sprecht gut, ehrwürdiger Vater. Was beliebt Ihr zu tun?« fragte die Alte.

»Ihr sollt«, antwortete der Einsiedler, »Eure schöne Tochter hier drinnen lassen, und sie und ich werden zum Gebet niederknien, und dann wollen wir tun, was Gott uns heißen wird.«

Die gute Alte war es zufrieden, daher mußte ihre Tochter gehorchen. Als der verruchte Einsiedler sich mit dem schönen Mädchen allein sieht, läßt er es, als wollte er es noch einmal taufen, sich ganz nackt ausziehen. Und glaubt nur nicht, daß der Einsiedler bekleidet blieb.

Was soll man da viele Worte machen? Er hielt sie so lange und lange Zeit an Stelle eines anderen Geistlichen bei sich, ging auch so oft aus Furcht vor den Leuten zu ihr, bis ihr der Bauch anzuschwellen begann, worüber sie so froh war, daß man es euch nicht sagen könnte. Doch wenn die Tochter sich schon ihrer Last freute, so schwelgte ihre Mutter erst recht in hundert doppelten Freuden, und der verfluchte Frömmling tat ebenfalls, als freue er sich dessen, doch fuhr er darüber fast aus der Haut.

Die arme mißbrauchte Mutter dachte wahrhaftig, ihre Tochter würde einen sehr schönen von Gott zum künftigen Papst von Rom ausersehenen Sohn zur Welt bringen, und konnte sich nicht enthalten, ihrer vertrautesten Nachbarin davon zu erzählen, die darüber ebenso erstaunt war, als wüchsen ihr Hörner; doch hielt sie es gleichfalls nicht für Trug. Sie verbarg es nicht lange den andern Nachbarn und Nachbarinnen, daß die Tochter von der und der infolge der Werke des heiligen Einsiedlers schwanger sei mit einem Sohn, der Papst von Rom werden sollte. »Und was ich davon weiß«, erklärte sie, »hat mir ihre Mutter gesagt, der es Gott zu offenbaren geruht hat!«

Diese Neuigkeit ward alsbald in den Nachbarstädten verbreitet. Und indessen kam die Tochter nieder und ward zur rechten Zeit von einem schönen Mädchen entbunden, worüber sie sehr erstaunt und betrübt war, und ihre einfältige Mutter und die Nachbarinnen ebenfalls, die allen Ernstes den künftigen Heiligen Vater empfangen zu können erwarteten.

Die Kunde von dem Geschehnis lief ebenso schnell wie die frühere um, und der Einsiedler war einer der ersten, die davon benachrichtigt wurden: er floh alsbald in ein anderes Land, ich weiß nicht, in welches, um eine andere Frau oder ein anderes Mädchen zu täuschen, oder in die Wüsten Ägyptens, um zerknirschten Herzens Buße ob seiner Sünde zu tun. Wie dem auch ist oder war, das arme Mädchen war entehrt, was sehr schade war, denn es war schön, schmuck und gut.

 


 


 << zurück weiter >>