Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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34. Novelle
Liebhaber oben, Liebhaber unten

Ich habe seinerzeit eine ansehnliche und tapfere, der Erinnerung und Nacheiferung würdige Frau gekannt; ihre löblichen Eigenschaften dürfen nicht verborgen und verschwiegen, sondern müssen öffentlich vor allen Leuten besprochen werden. Ihr sollt, wenn es euch gefällt, in dieser Novelle die Geschichte hören, durch die ich ihren trefflichen Ruf zu mehren und vergrößern gedenke.

Die tapfere, unverzagte Frau, bei Sankt Denis, die mit einem sehr großen Hahnrei verheiratet war, hatte mehrere Galane, die sich um ihre Gunst, die auch nicht allzu schwer zu erringen war, eifrig bemühten. Sie war nämlich so sanft und mitleidsvoll, daß sie überall, wo es ihr gut und besser schien, sie austeilen wollte und konnte. Nun kamen eines Tages, wie sonst, zwei zu ihr, ohne daß einer vom andern wußte, und baten um geneigtes Ohr und Erhörung.

Sie, die nie zwei, nicht einmal drei abgewiesen und zurückgeschickt hätte, nannte ihnen Tag und Stunde, in denen sie sich bei ihr einfinden sollten, der eine am folgenden Tag um acht Uhr morgens und der andere um neun, und trug jedem auf, ja pünktlich zur festgesetzten Stunde zu kommen. Sie versprachen auf Ehre und Glauben, wenn sie nicht stürben, sich pünktlich zur bestimmten Zeit einzufinden.

Als der folgende Morgen kam, erhebt sich gegen sechs Uhr früh der Mann dieser tüchtigen Frau, zieht sich an, macht sich bereit, ruft und schreit ihr zu, sie möge aufstehen, doch sie gehorchte nicht, sondern weigerte sich bestimmt: »Wahrhaftig, ich habe solchen Kopfschmerz«, erklärte sie, »daß ich mich nicht auf den Füßen würde halten können; so schwach und matt bin ich, daß ich mich nicht erheben könnte, ohne zu sterben. Ihr wißt ja, daß ich diese Nacht nicht schlief. Daher bitte ich Euch, laßt mich liegen; ich hoffe, wenn ich allein bin, noch ein wenig der Ruhe genießen zu können!«

Obwohl der andere Verdacht schöpfte, wagte er doch nicht zu widersprechen und etwas darauf zu erwidern, sondern ging seinem Geschäft in der Stadt nach, während seine Frau daheim nicht müßig war, denn es hatte noch nicht acht Uhr geschlagen, seht, da klopft der gute Genoß, der tags zuvor zu dieser Stunde bestellt war, an die Tür, und sie ließ ihn ein.

Er entledigte sich sofort seines langen Gewandes und was er sonst noch an Kleidern anhatte, und leistete dann der Demoiselle Gesellschaft, damit sie sich allein nicht fürchte. So lagen sich die beiden in den Armen, und die Zeit ging vorüber und dahin, und sie achteten des nicht, da hörten sie stark an die Tür klopfen.

»Ah«, rief sie, »wahrhaftig, das ist mein Mann, rasch fort, nehmt Euer Kleid!«

»Euer Mann?« entgegnete er. »Erkennt Ihr ihn am Pochen?«

»Ja«, versetzte sie, »ich weiß genau, er ist's; beeilt Euch, daß er Euch nicht hier findet!«

»Wenn er's ist, muß er mich ja sehen, ich weiß nicht, wohin ich mich retten könnte!«

»Er wird Euch schon nicht sehen, wenn's Gott gefällt«, sagte sie, »denn Ihr würdet sterben und ich ebenfalls. Er ist furchtbar böse. Steigt auf diesen kleinen Boden, und verhaltet Euch ganz still; rührt Euch nicht, daß er Euer nicht gewahr wird.«

Der andere stieg hinauf, wie sie ihm sagte, und befand sich bald auf dem kleinen Boden, der schon alt war, dem Bretter fehlten, der abgelattet war und an vielen Stellen Löcher hatte. Wie die Mademoiselle ihn oben wußte, tat sie einen Sprung bis zur Tür, denn sie wußte sehr gut, daß es nicht ihr Mann war, und ließ den ein, der an diesem Tag um neun Uhr sich bei ihr einzufinden versprochen hatte.

Sie kamen ins Zimmer, wo sie sich alsbald niederlegten, sich umhalsten und küßten, genauso wie sie es vorher mit dem auf dem Boden gemacht hatte. Der blickte durch eine Spalte auf die Gesellschaft hinab und war recht unzufrieden. Und er wußte nicht, ob er sprechen oder besser schweigen sollte. Doch beschloß er, sich still zu verhalten und kein Wort zu sagen, bis er die günstigste Zeit gekommen sähe. Und ihr könnt euch denken, daß er recht geduldig war.

Er wartete und beobachtete seine Dame mit dem später Gekommenen so lange, bis der gute Mann heimkam, um sich nach dem Zustand und der Gesundheit seiner trefflichen Frau zu erkundigen, wie es auch seine Pflicht war. Sie hörte ihn gleich und hieß ihren Gesellschafter sich sofort erheben, und da sie nicht wußte, wohin ihn retten, weil sie ihn nicht auf den Boden schicken konnte, ließ sie ihn sich zwischen Bett und Wand verstecken, bedeckte ihn darauf mit ihren Kleidern und sagte ihm: »Ich weiß Euch nicht besser unterzubringen, harrt in Geduld aus!«

Sie hatte kaum die Worte gesprochen, da trat ihr Mann ein, der ein Geräusch vernommen zu haben glaubte, und fand das Bett ganz verstört und in Unordnung, die Decke schlecht und schief aufgelegt, kurz, es sah mehr nach dem Bett einer Neuvermählten als nach dem einer kranken Frau aus. Der Zweifel, den er etwa vorher gehabt hatte, schwand angesichts dessen, was er sah; das ließ ihn seine Frau beim rechten Namen nennen, und er sagte: »Schlechte Hure, die Ihr seid, ich hab Euch heute früh gleich nicht geglaubt, als ihr die Kranke spieltet. Wo ist Euer Buhle? Ich schwöre zu Gott, wenn ich ihn finde, soll's ihm und Euch schlecht gehen!« Und dann legte er die Hand auf die Decke und rief: »Das ist ja ein reizender Anblick! Das sieht ja aus, als ob Schweine hier geschlafen hätten!«

»Was habt Ihr denn, schlechter Trunkenbold?« sagte sie darauf. »Jetzt soll ich wohl den vielen Wein zahlen, den Eure Dirne geschluckt hat! Das ist mir ja ein feiner Gruß, den Ihr mir bietet, daß Ihr mich eine Hure nennt! Ihr solltet doch wissen, daß ich keine bin. Ich bin aber viel zu gut und treu für einen solchen Hurer wie Euch. Und es tut mir nur leid, so gut zu Euch gewesen zu sein, denn Ihr verdient es nicht. Ich weiß auch nicht, was mich davon abhält, mich zu erheben und Euch das Gesicht derart zu zerkratzen, daß Ihr für immer ein Andenken davon habt, mich so ohne Grund beschimpft zu haben!«

Wenn mich jemand fragte, wie sie die Stirn hatte, so zu antworten und zu ihrem Mann zu sprechen, so finde ich dafür zwei Erklärungen. Die erste: sie hatte gutes Recht zur Klage, die zweite: sie fühlte sich augenblicklich als die Stärkere. Und man kann sich auch wohl denken, daß, wär die Sache zum Äußersten gekommen, sowohl der auf dem Boden wie auch der zwischen Bett und Wand ihr zu Hilfe gekommen wären und beigestanden hätten.

Der arme Mann wußte nichts zu erwidern, als er den Teufel, seine Frau, so losdonnern hörte, und da er sah, daß weder das laute Sprechen noch das harte Anfassen jetzt am Platz war, stellte er die Sache gänzlich Gott anheim, der gerecht ist und Recht verschafft. Und nachdem er sich die Sache überlegt hatte, sagte er unter anderm: »Ihr entschuldigt Euch wegen dessen, was mir der Augenschein verrät, recht kräftig, - schließlich kümmert's mich auch nicht so sehr, daß man davon so lange reden sollte. Ich werde deshalb keinen Lärm mehr machen. Der, so über uns ist, wird alles zahlen!«

Mit »dem über uns« meinte er Gott, als wollte er sagen: Gott, der jedem nach Verdienst gibt, wird Euch schon geben, was Euch gebührt!

Der Liebhaber auf dem Boden aber dachte, als er diese Worte vernahm, der andre hätte sie auf ihn gemünzt und ihm gedroht, er müsse die Kosten auch für den andern tragen, daher antwortete er laut: »Ach, Herr, es genügt doch, wenn ich die Hälfte bezahle. Der zwischen Bett und Wand kann gut die andere Hälfte bezahlen, er ist dazu ebensogut wie ich verpflichtet!«

Wer sehr erschrak, das war der Wirt, denn er dachte, Gott spräche zu ihm. Und der zwischen Bett und Wand wußte nicht, was er denken sollte, hatte er doch den andern nicht wahrgenommen. Gleichwohl erhob er sich, und der andre, der ihn kannte, kam herab. So gingen sie zusammen davon und verließen die Gesellschaft in Verwirrung und Unzufriedenheit, worum sie sich aber mit gutem Grund nicht kümmerten.

 


 


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