Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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35. Novelle
Der Tausch

Ein Edelmann, Ritter dieses Königreichs, mit hohen Tugenden begabt und von großem Ansehen, ein weitgereister und in den Waffen sehr erprobter Mann, verliebte sich in ein sehr schönes Fräulein, und nach einer Weile stand er so hoch in Gunst, daß ihm nichts von dem, worum er zu bitten wagte, versagt ward.

Nun geschah's, daß dieser gute Ritter, ich weiß nicht wie lange nach diesem Verhältnis, um höheren Ruhm zu gewinnen und Ehre zu erringen und zu erwerben, seine Heimat, wohlgerüstet und -begleitet, verließ, nachdem er sich von seinem Herrn verabschiedet hatte. Und er ritt nach Spanien und nach verschiedenen Orten, wo er sich so trefflich bewährte, daß er bei seiner Heimkehr mit großem Triumph empfangen ward.

Währenddessen ward seine Dame mit einem alten Ritter vermählt, der ein freundlicher und kluger Mann war, zeit seines Lebens viel am Hofe gelebt hatte und, um der Wahrheit die Ehre zu geben, der wahre Ehrenspiegel war. Es war recht schade, daß er keine bessere Verbindung eingegangen war, wenn auch anfangs sein Mißgeschick nicht so sehr bekannt wurde, wie es später geschah, wovon ihr hören werdet.

Als der gute obenerwähnte verliebte Ritter seine Kriegstaten vollbracht hatte und heimkehrte, kam er, wie er durch das Land ritt, zufällig eines Abends zu dem Schloß, in dem seine Dame wohnte. Und Gott weiß, welch herzlichen Willkommen der Herr, ihr Gatte, und sie ihm boten, denn ehedem hatte zwischen ihnen große Vertrautheit und Freundschaft bestanden.

Nun müßt ihr wissen, daß, während der Hausherr zur Bewirtung seines Gastes zahlreiche Vorbereitungen traf, der Gast sich mit seiner Dame, die zugegen war, unterhielt und sich bemühte, sie zu feiern und sich ihrer zu erfreuen, wie er es ehedem getan hatte. Sie wünschte nichts lieber, wandte jedoch ein, sie wisse nicht wo.

Sie sah keine Möglichkeit, einen Ort zu finden.

»Ach, Madame«, sagte er, »meiner Treu, wenn Ihr nur wollt, läßt er sich schon finden. Wie kann Euer Mann, wenn er zu Bett gegangen und eingeschlafen ist, wissen, ob Ihr mich in meinem Zimmer aufsucht? Oder wenn es Euch besser gefällt und recht ist, werde ich zu Euch kommen.«

»So läßt sich's gewiß nicht machen«, versetzte sie, »das wäre zu gefährlich. Der Herr hat einen sehr leisen Schlaf, und sobald er aufwacht, tastet er nach mir. Und fände er mich nicht, so denkt nur, was es gäbe!«,

»Und wenn er wach ist«, erwiderte er, »was macht er dann mit Euch?«

»Nichts!« entgegnete sie, »er wendet sich auf die andere Seite.«

»Meiner Treu, er ist ein schlechter Wirt«, erklärte er, »gut für Euch, daß ich kam, um Euch zu helfen und ihm bei der Lieferung dessen beizustehen, was er Euch nicht mehr in vollem Maß zu geben vermag.«

»So wahr Gott mir helfe«, rief sie, »wenn er einmal im Monat drangeht, ist's schon recht viel. Ich muß den Mund recht klein machen und möchte ihn doch weit lieber, glaubt nur, recht voll nehmen!«

»Das ist nicht verwunderlich«, meinte er, »doch überlegt, wie wir es machen können!«

»Ich sehe kein Mittel«, antwortete sie, »wie man es machen könnte!«

»Habt Ihr denn keine Frau hier im Hause«, fragte er, »der Ihr offen von unserer Angelegenheit sprechen könntet?«

»Ja, ich habe eine, bei Gott«, versetzte sie, »der ich so vertraue, daß ich ihr etwas, was ich ganz verschwiegen wissen möchte, sagen könnte, ohne Argwohn und Verdacht, daß sie es je ausplauderte.«

»Was brauchen wir mehr?« erwiderte er. »Nun rnüßt Ihr mit ihr alles andre überlegen.«

Die gute Dame, der die Sache sehr am Herzen lag, rief das Fräulein zu sich und sagte ihm: »Liebe Freundin, heute nacht benötige ich deine Dienste, du mußt mir etwas, an dem mir sehr viel liegt, zum guten Ende führen helfen!«

»Madame«, versetzte das Fräulein, »ich bin bereit und willig, wie es meine Pflicht ist, Euch nach allen meinen Kräften zu dienen und zu gehorchen. Befehlt, und ich werde Eurem Befehl nachkommen!«

»Ich danke dir, liebe Freundin«, entgegnete Madame, »und sei versichert, daß du dabei nichts verlieren sollst. Höre, wie es ist: Den Ritter, der hier im Hause ist, liebe ich mehr als jeden andern auf der Welt. Und ich möchte ihn um keinen Preis von hier gehen lassen, ohne noch mit ihm gesprochen zu haben. Nun kann er mir nicht gut sagen, was er auf dem Herzen hat, wenn wir uns nicht unter vier Augen sehen. Und ich kann mich nicht mit ihm treffen, wenn du nicht meinen Platz bei dem Herrn einnehmen willst. Er hat, wie du weißt, die Gewohnheit, sich nachts zu mir zu wenden und nach mir ein wenig zu tasten, dann läßt er mich und schläft von neuem ein.«

»Ich bin's zufrieden, Euch gefällig zu sein, Madame, es gibt ja nichts, was ich nicht auf Euren Befehl täte!«

»Nun schön, liebe Freundin«, sagte sie, »du sollst dich, wie ich es auch sonst mache, ziemlich fern vom Herrn legen. Und hüte dich wohl, was er auch tut, ein einziges Wort zu sagen. Und was er auch machen wird, laß dir alles gefallen!«

»Ich werde nach Eurem Wunsch tun, Madame.«

Die Stunde des Abendessens kam, doch ist es nicht nötig, euch davon zu erzählen. Es mag euch genügen, daß man dabei sehr fröhlich war und es des Guten von allen Dingen gab. Nach dem Abendessen vergnügte sich die Gesellschaft nach Herzenslust, und der fremde Ritter reichte Madame den Arm und einige andre Edelleute den andern Fräulein des Hauses. Der Hausherr kam hinterher und fragte einen alten Edelmann, der die Kosten der Reise aufgezeichnet hatte, nach den Reisen seines Gastes.

Madame vergaß nicht, ihrem Freunde zu sagen, daß eine ihrer Frauen in dieser Nacht ihren Platz einnehmen und sie zu ihm kommen werde. Er war darüber sehr erfreut und dankte ihr herzlich und wünschte von ganzem Herzen, die Stunde wäre schon gekommen.

Sie zogen sich zurück und kamen in die Kleiderkammer, wo der Herr seinem Gast gute Nacht wünschte, und Madame ebenfalls. Und der fremde Ritter ging in sein Zimmer, das schön hergerichtet und wohl im Stande war, und der schöne Kredenzschrank war mit Gewürzen, Konfekt und gutem Wein von verschiedenen Sorten versehen. Er ließ sich sogleich auskleiden und trank einmal, dann ließ er seine Leute trinken, schickte sie schlafen und blieb ganz allein in der Erwartung seiner Dame, die bei ihrem Gatten war, sich mit ihm auskleidete und bereitmachte, um zu Bett zu gehen.

Das Fräulein war zwischen Bett und Wand und legte sich, sobald der Herr zur Ruhe gegangen war, an die Stelle seiner Herrin, und sie, die das Herz zu einem andern zog, tat nur einen Sprung bis zu dem Zimmer dessen, der sie festen Fußes erwartete. Nun ist jeder einquartiert, der Herr bei seiner Kammerfrau und sein Gast bei Madame. Und es läßt sich denken, daß sie nicht die ganze Nacht schlafend verbrachten.

Eine Stunde ungefähr vor Tage erwachte wie gewöhnlich der Herr, wandte sich nach seiner Kammerfrau, die er für seine Frau hielt, brachte zufällig seine Hand an ihre Brust, berührte sie und fühlte, daß sie fest und voll war, und erkannte sogleich, daß es nicht die seiner Frau war, denn diese war nicht so wohlgerundet.

»Ach«, sagte er zu sich selbst, »ich sehe wohl, wie es ist, man hat mir einen Streich gespielt, doch ich werde ihn mit einem andern vergelten!«

Er wendet sich zu diesem schönen Mädchen und bricht eine einzige Lanze, und es ließ es geschehen und sagte kein Wort, nicht einmal ein halbes. Als er das getan hatte, begann er aus Leibeskräften den, der bei seiner Frau schlief, zu rufen: »He, Herr von Soundso, wo seid Ihr? Hört Ihr mich?«

Als der andre sich rufen hörte, war er sehr erschrocken und die Dame so verwirrt, daß sie nicht wußte, was sie machen sollte. »Ach«, sagte sie, »unser Handel ist entdeckt, ich bin eine verlorene Frau!«

Und der gute Mann rief wieder: »He, Herr, he, mein lieber Gast, antwortet doch!«

Da entschloß sich der andre zur Antwort und rief: »Was ist Euch gefällig, Herr?«

»lch möchte Euch den Tausch sehen lassen, wenn Ihr Lust habt!«

»Welchen Tausch?« fragte er.

»Aus einer alten, schon verblühten, unehrbaren und untreuen Frau ist ein schönes, gutes, frisches, junges Mädchen geworden. Und das habe ich Euch zu verdanken!«

Die Gesellschaft wußte nichts zu antworten. Selbst die arme Kammerfrau war so erschrocken, als wäre sie zum Tode verurteilt worden, sowohl wegen der Ehrlosigkeit und des Mißvergnügens ihrer Herrin als auch wegen ihrer eigenen Ehre, die sie schmählich verloren hatte.

Der fremde Ritter schied von seiner Dame, so schnell er konnte, ohne seinem Wirt zu danken und Lebewohl zu sagen. Und niemals mehr fand er sich hier ein und weiß noch heute nicht, wie die Sache später mit ihrem Mann geworden ist. Mehr kann ich euch nicht davon sagen.

 


 


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