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Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

Die Teilung

An seiner Braut, Fräulein Christinchens, Seite
Saß Junker Bogislau Dietrich Karl Ferdinand
Von – sein Geschlecht bleibt ungenannt –
Und tat, wie alle seine Landesleute,
Die Pommern, ganz abscheulich witzig und galant.

Was schwatzte nicht für zuckersüße Schmeicheleien
Der Junker seinem Fräulein vor!
Was raunte nicht für kühne Schelmereien
Er ihr vertraut ins Ohr?
Mund, Aug und Nas und Brust und Hände,
Ein jedes Glied macht ihn entzückt.
Bis er, entzückt auch über Hüft und Lende,
Den plumpen Arm um Hüft und Lende drückt.
Das Fräulein war geschnürt (vielleicht zum ersten Male).
»Ha!« schrie der Junker, »wie geschlank!

Ha, welch ein Leib! verdammt, daß ich nicht male!
Als kam er von der Drechselbank!
So dünn! – Was braucht es viel zu sprechen?
Ich wette gleich – was wetten wir? wieviel?
Ich will, ihn voneinanberbrechen!
Mit den zwei Fingern will ich ihn zerbrechen
Wie einen Pfeifenstiel!«

»Wie?« rief das Fräulein; »wie? zerbrechen?
Zerbrechen (rief sie nochmal), mich?
Sie könnten sich an meinem Latze stechen.
Ich bitte, Sie verschonen sich.«

»Beim Clement! so will ichs wagen,«
Schrie Junker Bogislav, »wohlan!«
Und hatte schon die Hände kreuzweis angeschlagen
Und packte schon heroisch an.
Als schnell ein: »Bruder! Bruder, halt!«
Vom Ofen hei aus einem Winkel schallt.

In diesem Winkel saß, vergessen, nicht verloren.
Des Bräutgams jüngster Bruder, Fritz.
Fritz saß mit offnem Aug und Ohren,
Ein Kind voll Mutterwitz.

»Halt!« schrie er, »Bruder! Auf ein Wort!«
Und zog den Bruder mit sich fort:
»Zerbrichst du sie, die schöne Docke,
So nimm die Oberhälfte dir!
Die Hälfte mit dem Unterrocke,
Die, lieber Bruder, schenke mir!«

Der über uns

Hans Steffen stieg bei Dämmerung, (und kaum
Könnt er vor Näschigkeit die Dämmerung erwarten)
In seines Edelmannes Garten,
Und plünderte den besten Apfelbaum.

Johann und Hanne konnten kaum
Vor Liebesglut die Dämmerung erwarten
Und schlichen sich in eben diesen Garten,
Von ungefähr an eben diesen Apfelbaum.

Hans Steffen, der im Winkel oben saß
Und fleißig brach und aß.
Ward mäuschenstill vor Wartung böser Dinge,
Daß seine Näscherei ihm diesmal schlecht gelinge.

Doch bald vernahm er unten Dinge,
Worüber er der Furcht vergaß.
Und immer sachte weiteraß.

Johann warf Hannen in das Gras.
»O pfui!« rief Hanne, »welcher Spaß!
Nicht doch, Johann! – Ei was?
Oh, schäme dich! – Ein andermal – o laß –
Oh, schäme dich! – Hier ist es naß.« –

»Naß oder nicht; was schadet das?
Es ist ja reines Gras.« –

Wie dies Gespräche weiterlief.
Das weiß ich nicht. Wer brauchts zu wissen?
Sie stunden wieder auf, und Hanne seufzte tief:
»So, schöner Herr! heißt das bloß küssen?
Das Männerherz! Kein einzger hat Gewissen!
Sie könnten es uns so versüßen!
Wie grausam aber müssen
Wir armen Mädchen öfters dafür büßen!
Wenn nun auch mir ein Unglück widerfährt –
Ein Kind – ich zittre – wer ernährt
Mir dann das Kind? Kannst du es mir ernähren?«
»Ich?« sprach Johann; »die Zeit mags lehren.
Doch wirds auch nicht von mir ernährt.
Der über uns wirds schon ernähren.
Dem über uns vertrau!«

Dem über uns! Dies hörte Steffen.
Was, dacht er, will das Pack mich äffen?
Der über ihnen? Ei, wie schlau!
»Nein!« schrie er; »laßt euch andre Hoffnung laben!
Der über euch ist nicht so toll!
Wenn ich ein Bankbein nähren soll.
So will ich es auch selbst gedrechselt haben!«

Wer hier erschrak und aus dem Garten rann.
Das waren Hanne und Johann.
Doch gaben bei dem Edelmann
Sie auch den Apfeldieb wohl an?
Ich glaube nicht, daß sies getan.


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