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Alexander Moszkowski (geb. 1851)

Vier Lieder der Unliebe

(Frei nach Heine im Geiste Tolstois)

1

Wenn ich in deine Augen seh,
So greife ich zur Feder jäh
Und schreib es auf zur selben Frist,
Daß Liebe ein Verbrechen ist.

Wenn ich mich lehn an deine Brust,
Bin ich des einen mir bewußt:
Die Tat, zu der ich mich erkühnt,
Hat fünfzehn Monat Haft verdient!

2

O Mädchen, lehne deine Wange
Um Gottes willen nicht an meine,
Und sorge auch, daß deine Träne
Sich mit der meinen nicht vereine!

Ich hab es ganz genau ergründet
Mit meines Intellektes Feinheit:
Vereinten Wangen wie auch Tränen
Gebührt das Prädikat: Gemeinheit!

3

Auf Flügeln des Gesanges,
Katinka, jag ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Ich bitte dich: bleibe nur dort!

Und läßt du dich je wieder sehen
Vor meinem strafenden Blick,
So treibe ich dich mit dem Bambus
Nach Indien wieder zurück!

4

Nur einmal noch möcht ich sie sehen.
Und sinken vor ihr aufs Knie
Und sprechen: »Sie glauben gar nicht,
Wie wohl mir ist ohne Sie!«

Ein modernes Sittlichkeitsgesetz

§1.
Wer eine Dienstmagd – sum, sum, sum,
Die bei ihm wohnet, – sum, sum, sum,
Durch Schmeicheln oder Drohung
– – –
Der wird beim Wickel flugs gefaßt,
Weil man ihm legt mit Recht zur Last
Totale Herzverrohung.

§2.
Wer arbeitsscheu – sum, sum, sum, sum,
Sich läßt ernähren – sum, sum, sum,
– – –
Begünstgend und beschützend,
Der denke lange, lange nach
Wohl über das, was er verbrach.
Auf harter Pritsche sitzend.

§3.
Wenn einer Bilder – sum, sum, sum,
Worauf zu sehen – sum, sum, sum,
– – –
Feilbietet in dem Laden,
Dem wird Gefängnis angedroht,
Als Nahrung kriegt er trocken Brot,
Das kann ihm gar nichts schaden.

§ 4.
Wer wissend, daß er – sum, sum, sum,
Behaftet ist mit – sum, sum, sum,
Und dennoch sich erdreistet –
– – –
Wird eingesperrt auf längre Zeit
Und merkt bei der Gelegenheit,
Was Moabit heut leistet.

§5.
Doch wenn dies Krimen – sum, sum, sum,
Bei Ehegatten – sum, sum, sum,
– – –

Dann wartet die Behörde,
Bis daß ein Antrag auf Papier
Vielleicht von ihm, vielleicht von ihr,
Zuvor erhoben werde.

§6.
Wer eine Maid – sum, sum, sum, sum,
Die noch nicht achtzehn – sum, sum, sum,
– – –
(Bis dato hieß es: sechzehn),
Der soll für seinen Frevelmut,
Auf daß er es nicht wieder tut,
In Kerkermauern ächzen.

§ 7.
Wer eine Wohnung – sum, sum, sum,
Vermietet an die – sum, sum, sum.
– – –
Um draus Gewinn zu ziehen,
Der muß sich auf ein halbes Jahr,
Wenn das Delikt erwiesen war,
Nach Plötzensee bemühen.


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