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Louis Taufstein (1870-1928)

Das Frauenhaar

Schon als Student, als hochgelehrter,
Hab ich der Liebe Macht erkannt,
Und war genau wie Goethes Werther
In eine Lotte ganz entbrannt.
Ihr Haupt, es glich dem bleichen Monde,
Dem tiefen See ihr Auge blau;
Sie war zwar etwas kühl, die Blonde,
Doch nahm ich das nicht so genau.
Mit einem Kuß erwärmt ich sie
Und sang dazu die Melodie:
Du Mädel, du Mädel mit aschblondem Haar,
Nur dir ganz allein bin ich gut.
Ich lieb deiner Lippen so eiskaltes Paar,
Ich liebe dein lauwarmes Blut.
Du glühst und verglühst nicht in kürzester Zeit,
Kannst lieben fürs Leben sogar;
Drum bleibt dir auf ewig mein Herze geweiht,
Du Mädel mit aschblondem Haar.

Zwar schmerzte heftig mich die Narbe,
Als mich die blonde Maid verließ;
Doch wechselte ich schnell die Farbe,
Als mir die Schwarze Gunst verhieß.
Ich sagte ihr, ich müßt sonst sterben,
Da konnte sie nicht widerstehn;
Und ich, ich Hab mein Liebeswerben
Bald unerhört erhört gesehn.
Voll Glut umfing ich ihren Leib
Und sang ins Ohr dem schönen Weib:
Du Mädel, du Mädel mit pechschwarzem Haar,
Du machst mich ja rasend und toll;
Du gleichest der Nacht, der tiefdunklen fürwahr.
Von süßen Geheimnissen voll.
Es gleichet der Kohle, die brennt und erhitzt.
Der Augen entzückendes Paar;
Drum bist es nur du, die mein Herze besitzt.
Du Mädel mit pechschwarzem Haar.

Auch diese Glut war bald verglommen.
Die Schwarze ließ mich drum allein.
Weil ich mich immer frei benommen
Und niemals wollte Freier sein.
Da Hab nach meines Herzens Triebe
Ich nochmals den Versuch riskiert
Und in dem Rouge et noir der Liebe
Einmal mit »Rot« mein Glück probiert.
Aurora war es, der erklang
Jetzt meiner Liebe Hochgesang:
Du Mädel, du Mädel mit braunrotem Haar,
Erst du hast das Glück mir beschert;
Du gleichest der lodernden Flamme fürwahr.
Die alles versengt und verzehrt.
Du bist wie der Brand, den kein Sturmwind verweht;
Jetzt fühl ich es deutlich und klar;
Nur du bists allein, die zu lieben versteht.
Du Mädel mit brennrotem Haar.

Auch diese Illusion ging flöten.
Wer darf den Farben noch vertraun?
Seit Schwarze über Nacht erröten
Und schnell erblondet, was einst braun.
Drum küsse jetzt ich unerschrocken
Ganz wahllos jedes schöne Kind;
Wenn mich nur süße Locken locken,
Dann bin ich einfach farbenblind.
Obs schwarz, obs rot scheint unterm Hut,
Jetzt bin ich allen, allen gut.
Ihr Mädels mit lockigem duftendem Haar,
Der Fülle voll Glanz und voll Pracht,
Euch hat ja, du süße berückende Schar,
Zum Küssen der Schöpfer gemacht.
Solang mich berauschet noch euer Odeur,
Bringt stets ihr mein Herz in Gefahr;
Ich frage den Teufel jetzt nach der Couleur
Bei Mädchen mit duftendem Haar.


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