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Ernst von Wolzogen (geb. 1855)

Das Lied von den lieben, süßen Mädeln

Nun höret, was der Weise spricht
Zu euren dicken Schädeln:
Verachtet mir die Mädeln nicht,
Die lieben, süßen Mädeln!
Ein bißchen Liebe braucht der Mensch
In seiner schwierigen Lage,
Ob sie nun treu, ob wetterwendsch,
Kommt dabei nicht in Frage.
Der Herrgott ist kein Staatsanwalt,
Noch weniger ein Philister.
Wenn einer Durst hat, trinkt er halt,
Und wenn ihn hungert, ißt er.
Die Wirtschaft wär doch auch zu toll,
Wenns etwa so sein müßte:
Die Welt von süßen Mädeln voll,
Und keiner, der sie küßte!
Die Nacht, die hält den Atem an,
Löscht leis all ihre Kerzen,
Nimmt irgendwo ein seliger Mann
Sein Mädel sich zu Herzen.
Und wenn die süße reine Maid
Dem stürmischen Verlangen
Die ganze junge Herrlichkeit
Hingab in wehem Bangen,
Dann tropft von Gottes Auge sacht
Ein goldnes Sternschnuppflämmchen,
Indes in seinen Bart er lacht:
»Gesegnes dir, mein Lämmchen!«
Der Herrgott findet seine Freud
Am Kosen und am Küssen.
Der Herrgott und die Dichtersleut,
Die doch auch leben müssen!
Ein Dichter, der nicht küssen kann,
Weil ihm die Mädeln fehlen,
Was muß solch arm bresthafter Mann
Sich mit dem Dichten quälen!!
Die Liebe leiht der Leier Schwung.
Beschwinge dich, Gelichter!
Solang das Herz noch jung, jung, jung,
So lange bleibt ihr Dichter!
Und ob die Liebe sieben Tag,
Ob sieben Jahr sie währe,
Heißt sie, so oft sie kommen mag,
Willkommen, froh der Ehre.
Ergreift das Glück, wo es sich schenkt
In lieblichem Umdrängen,
Und wer ein liebes Mädel kränkt,
Den sollte man gleich hängen!
Drum höret, was der Weise spricht
Zu euren dicken Schädeln:
Verachtet mir die Mädeln nicht,
Die lieben, süßen Mädeln.

Madame Adèle

Je suis Adèle, la reine blonde –
On me connait, messieurs, parbleu!
Je suis la reine, la reine, la reine du Demimonde.
Adèle est là – faites votre jeu!
Oh jeh, oh ji, hab nur ka Angst –
Ich sing auch deutsch, wenns d es verlangst.
Denn mein Französch glangt nur – oh je!
Zum Hausgebrauch fürs Varieté!
Ein Franzos ist nur mein Schneider –
Echt Paris sind diese Kleider.
Und drunter, das ist auch kein Quark:
C'est un jupon pour achtzig Mark,
Die seidnen Strümpf kriegst schon für acht –
Trulala, Trulala –
Was glaubn Sie, wie das glücklich macht!

Nicht immer wühlt ich so in Spitzen,
Einst trug ich Barchent und Flanell –
Ich mußte tipp-tipp-tipp an der Maschine sitzen,
Und auch die Feder führt ich schnell,
Ole, Oli – s war wenig da –
Und ein Korsett verbot Mama,
Doch unverfälscht und gsund dazu,
Wie warme Milch, frisch von der Kuh!
Abends kriegt ich Käs und Rettich,
Und dann kroch fein satt ins Bett ich –
Jetzt jede Nacht im Séparé Mit feschen Herren ein Souper!
Da schleck ich, bis das Mieder kracht –
Trulala, Trulala –
Was glaubn Sie, wie das glücklich macht!

Ich zählte eben siebzehn Jahre,
Da nahte schon sich mein Geschick:
Ein Herr vergaffte sich in meine blonden Haare
Und in den veilchenblauen Blick.
Halli! Hallo! Wie war ich froh!
Er fragt nicht lang und nahm mich so...
Im vierten Stock haust mein Poet...
Und da geschahs – wie das so geht! –
Himmelhoch und himmelweit –
Heimlich süße Seligkeit!
Ach! Wenn ich an seinem Halse hing,
War ich ihm alles – ich dummes Ding – –
Da ward ich wissend über Nacht – –
Trulala, Trulala –
Was glaubn Sie, wie das glücklich macht!

Goldkehlchen mein und Sonnenscheinchen,
Sein süßes Mädel, lieb und dumm –
So nannt er mich und lobte meine Elfenbeinchen
Und trug mich buckelkrax herum.
O Gitt, o Gott! s ist jammervoll,
Daß solche Lieb auch enden soll! –
Doch vom Talent wird man nicht satt,
Wenn man nicht eine Rente hat! – –
Der zweite war ein Herr Assesser,
Der stand sich schon erheblich besser...
Ja, meine Herrn – die Jugend flieht!
Ein kluges Kind wird früh solid!
Treu hat noch nie was eingebracht –
Trulala, Trulala –
Was glaubn Sie, wie das glücklich macht!

Der erste nahm sich nicht das Leben,
Als ich zum zweiten mich gewandt,
Er ließ mich schleunigst nur die Trepp hinunterschweben -
Worauf er aus der Stadt verschwand.
Trali! Trala! s ist lang schon her,
Bin längst kein dummes Mädel mehr! –
Ich fahr zum Rennen viere lang
Und hab mein Konto bei der Bank!
Flog ins Licht als graue Motte –
Doch jetzt bin ich grande Cocotte!
Je m'en fiche de tout ce que m'accuse!
Vlan les volants
! Heh! Kreischt und lacht!
Trulala, Trulala –
Was glaubn Sie, wie das glücklich macht!

Das Laufmädel

Platschepitsch – Spagatelregen –
Schokolad auf allen Wegen.
Mädel unterm Parapluie
Stiefelt tapfer durch die Brüh.
Pflastertreterl,
Armes Peterl!
Mädel, kleines Mädel, laufe –
Aus dem Regen in die Traufe!
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine –
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp –
Morgen kommt ein Herr Baron
Oder ein Kommerziensohn!

Hei! da schwänzelts um die Ecke –
Äugerln, blanke, vogelkecke!
Wuschelhaare blond und dick
Wuchten auf ein weich Genick.
Schnuffelnaserl,
Schlankes Haserl!
Kindergoscherl, weich und schüchtern,
Ist noch gänzlich busselnüchtern.
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine –
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp –
Mädel lauf und halt dich brav –
Übermorgen kommt der Graf!

Schleppe deinen Robeskasten –
Mädel, lauf, sonst heißt es fasten!
Mutterl schimpft dich zünftig zsamm.
Und es grantelt die Madam.
Krampf im Kröpferl,
Tränentröpferl?
Schlucks hinunter – alles Plunder!
Wart, der Himmel tut ein Wunder!
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine -
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp –
Herr, erbarm dich deines Kinds –
Nächste Woche kommt ein Prinz!

Mädel, wie sie dich bepacken!
Schau, wie glühn dir bloß die Backen!
Kindel, hast dus auf der Brust,
Daß du gar so husten mußt?
Nebel schieben,
Flocken stieben –
Fasching kam mit Geigenklingen...
Warum magst denn du nicht springen?
Kille, kille, Kleine,
Brauche deine Beine –
Trippeltrab treppauf und ab,
Stöckelstiefel klippeklapp –
Bald ein End hat alle Not –
Frühling wirds – dann kommt der Tod!


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