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Nikolaus Welter (geb. 1871)

Mittsommer

Das war in einer Juninacht!
Des Flusses Wellen sangen,
Die Marmorbrünnlein sprangen,
Und ihre Strahlen klangen sacht
Melodisch durch des Parkes Nacht.

Ich dachte an den stolzen Mann
Und wiegte mich in Träumen;
Da plötzlich aus den Bäumen
Trat er ganz leis an mich heran,
Der wunderschöne Jägersmann.

Wie leicht sein Gang! wie stolz sein Leib!
Er sah mich an mit Schweigen;
Dann tat er hold sich neigen:
O lieblich Wesen! herrlich Weib!
Sprach er, und glühend sank sein Leib.

So bräutlich stand um uns die Nacht!
Des Flusses Wellen sangen.
Die Marmorbrünnlein sprangen,
Der Liebesstern ging auf in Pracht –
Das war in einer Juninacht!

Kirschenballade

Ein Kirschenbaum und ein Sommertraum!
Mein Herz, was willst du nicht schweigen?
Ein purpurner Schimmer umschleiert den Baum,
Ein Mädchen sitzt in den Zweigen.
Die Sonne so jung und der Sommer so heiß,
Die Kirschen so rot und das Mädchen so weiß,
Süß alle beide.
Ein Knabe denkt es mit Leide.

Der Knabe steht und entscheidet sich nicht,
Mein Herz, was willst du nicht schweigen?
Da fliegt ihm ein Kirschlein ins Gesicht,
Ein Mädchen lacht in den Zweigen.
Er blickt hinauf, sie blickt herab,
Er nickt hinauf, sie nickt herab,
Süß alle beide.
Da steigt er zur Kirschenweide.

Du Wunder des Sommers, o Kirschenbaum,
Mein Herz, was willst du nicht schweigen?
Du füllst mit purpurnem Schimmer den Raum,
Du hüllst das Paar in den Zweigen.
Da wird mit flinken Armen gehascht.
Da werden zwei rote Kirschen genascht.
Süß alle beide.
Da scheiden zwei Herzen vom Leibe.

Fern von Haus

Lieg ich so wachend, denk ich oft:
Ach, wenn sie jetzt ganz unverhofft
Ins Zimmer träte! Gäbe das
Ein Sichverwundern, einen Spaß!

... Du bist es wirklich, liebe Frau?
Bist dus? So setz aufs Bett dich, schau
Mich an und lach und sprich mit mir.
Du bists, du bists! Wie geht es dir?
Gehts gut? Die Kinder? Sind gesund.
Und unser Kleinchen? Frisch und rund.
Nein, wirklich! s wäre wirklich so!
Heia, dann bin ich aber froh.

O du, wie lieb von dir, wie lieb!
Rück näher, nahe! Gib, o gib!
Hab dich so einsam lang entbehrt,
So manche Nacht nach dir begehrt.
Du nicht nach mir? – Siehst du! Ja, ja,
Auch du lagst manche Stunde da
Und küßtest Seufzer in die Luft.
Doch jetzt! Dein Mund, dein Haar, dein Duft,
Ach, unser Glück!...

So wach ich oft
Und denk: Wenn sie jetzt unverhofft
Ins Zimmer träte, gäbe das
Ein Sichumarmen, einen Spaß!

Reigenlied

Mädchen, laß die Gläser klingen.
Einmal her und einmal hin!
Mädchen, laß die Gläser klingen,
Da ich voller Freude bin.

Mädchen, komm, wir wollen tanzen,
Zweimal her und zweimal hin!
Mädchen, komm, wir wollen tanzen.
Da ich voller Hochmut bin.

Mädchen, komm, und laß dich küssen,
Dreimal her und dreimal hin!
Mädchen, komm, und laß dich küssen,
Da ich voller Mutwill bin.

Mädchen, sah ichs nur im Traume,
Sachte her und sachte hin!
Mädchen, sah ichs nur im Traume,
Daß ich ganz dein Trauter bin?

»Liebster, ja, du darfst mich herzen,
Immer her und immer hin,
Liebster, ja, du darfst mich herzen,
Da ich ganz die Deine bin.«


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