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Max Jungmann (geb. 1875)

Der Kuß

Ich hab an einem Mädchenmunde
Geträumt in stiller Sternenstunde,
Hab einen langen Kuß geküßt
Und weiß nicht, wo er geblieben ist.

Verwehten ihn die Abendwinde,
Daß ich ihn nimmer wiederfinde?
Hat ihn ein Edenkind erspürt
Und zu den Brüdern emporgeführt?

Du Mond, der alle Liebe segnet,
Ist dir vielleicht der Kuß begegnet?
Ich muß vor lauter Gram vergehn,
Er war so jung noch und ach, so schön...

(Originalbeitrag)

Die Treue

Geliebte, nun verläßt du mich?
Des Glückes karge Stunde wich,
Um meiner Träume Ruh zu rauben.
Wo gehst du hin? zu wem? o sprich!...
Nein, laß mich wissen, laß mich glauben,
Daß du mir ganz allein gehörst
Und daß du mir die Treue schwörst!

Sie sah mich flehend an und sprach:
»Begnüg dich mit dem Brautgemach,
Nimm meine Seele, nimm mein Leben,
Doch jag nicht meiner Treue nach!
Die Treue kann ich dir nicht geben.
Ich schwur sie ja vor einem Jahr
Dem Ehgemahl am Traualtar.«

(Originalbeitrag)

Der verliebte Doktor

Gib mir den Hut, den Mantel her!
Mich halten keine Pflichten mehr.

Mein Mädel ist zur Nacht allein,
Da muß ich ihm ein Tröster sein
Und seine Lippen küssen.

Wen Gott durch Leiden prüfen will,
Der sei ein Held und dulde still,
Mich aber lasse er in Ruh!
Ich habe keine Zeit dazu,
Ich muß mein Liebchen küssen.

Koliken hat dein Mann im Leib?
Was kümmerts mich, du dummes Weib?
Ei, geh zum Doktor nebenan,
Vielleicht daß er ihm helfen kann,
Ich muß mein Liebchen küssen.

Du junges Ding in Kindesnot,
Gehts auch auf Leben oder Tod,
Der Gott, der dich gesegnet hat.
Errette dich an meiner Statt,
Ich muß mein Liebchen küssen.

Ich muß zu meinem Liebchen gehn
Und kann nicht Menschen leiden sehn.
Ihr Kranken, bleibt mir all gesund.
Mein Mädel hat den kleinsten Mund,
Den muß ich heute küssen.

(Originalbeitrag)

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