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Johann Peter Uz (1720-1796)

Ein Traum

O Traum, der mich entzücket!
Was hab ich nicht erblicket!
Ich warf die müden Glieder
In einem Tale nieder,
Wo einen Teich, der silbern floß.
Ein schattiges Gebüsch umschloß.

Da sah ich durchs Gesträuche
Mein Mädchen bei dem Teiche;
Das hatte sich zum Baden
Der Kleider meist entladen,
Bis auf ein untreu weiß Gewand,
Das keinem Lüftchen widerstand.

Der freie Busen lachte,
Den Jugend reizend machte.
Mein Blick blieb lüstern stehen
Bei diesen regen Höhen,
Wo Zephir unter Lilien blies
Und sich die Wollust fühlen ließ.

Sie fing nun an, o Freuden!
Sich vollends auszukleiden:
Doch ach! indem s geschiehet.
Erwach ich, und sie fliehet.
Oh, schlief ich doch von neuem ein!
Nun wird sie wohl im Wasser sein!

Der verlorene Amor

Amor hat sich jüngst verloren;
Und nun will, die ihn geboren,
Ihren Flüchtling wieder küssen;
Und man hat ihn suchen müssen.
In dem Schatten dunkler Linden,
Wo wir Dichter Amorn finden;
Unter froher Dichter Myrten,
In den Städten, bei den Hirten,
Kann man nichts von ihm erfragen.
Mädchen! Wollt ihr mirs nicht sagen?
Denn ihr hegt den Gott der Sorgen:
Hat er sich bei euch verborgen?
In den Rosen eurer Wangen,
Die mit frischer Jugend prangen?
Oder auf den Lilienhügeln,
Wo der Gott mit leisen Flügeln
Sich schon öfters hingestohlen?
Darf ich suchen und ihn holen?

Der Morgen nach der Hochzeit

(Gekürzt und verändert)

Auf! auf! weil schon Aurora lacht.
Du Gatte deiner Schönen!
Du mußt nunmehr, nach kurzer Nacht,
Dem Gott der Ehe frönen.
Erneure den verliebten Zwist,
Der süßer als die Eintracht ist.
Nach der sich Alte sehnen.

Der Vorhang weicht: welch reizend Weib!
Ich sehe Venus liegen.
Und leichten Flor den Marmorleib
Verräterisch umfliegen.
Wie sucht ihr Blick, der kriegrisch glüht.
Wie sucht er, wenn der Streit verzieht.
Streit, Gegner und Vergnügen!

Du jetzo noch verliebtes Paar,
Was mangelt deinem Glücke?
Ich werde selbst entzückt gewahr,
Daß Hymen auch entzücke.
Die Muse sieht hinweg und weicht:
Doch manchmal und verstohlen schleicht
Ein halber Blick zurücke.

Amor und sein Bruder

Um die stille Mitternacht,
Wenn allein die Liebe wacht,
Wenn die schattenvolle Welt
Nur der hohe Mond erhellt:
Schlief die Nachbarin Elmire,
Schlief ihr abgelebter Mann,
Und an ihres Hauses Türe
Pochte plötzlich Amor an.

»Wer ist hier? wer lärmt noch so?
Ach, mein goldner Traum entfloh!«
Rief die Magd halb schlafend aus.
Gähnt und taumelte vors Haus.
Amor fleht in ihren Armen,
Und kein Mädchen widersteht.
Wenn ein Amor um Erbarmen,
Wenn ein milder Amor fleht.

Ihm wird willig aufgetan,
Und sein Bruder hängt sich an:
Halb bedeckt ein Efeukranz
Seines golbnen Hornes Glanz.
Seine schlauen Blicke brennen,
Jede Sehne schwillt von Kraft:
Die ihn kennen wollen, nennen
Ihn den Gott der Hahnreischaft.

Amor tut sogleich bekannt.
Lehnet an die nächste Wand
Seinen Bogen lachend hin,
Hüpft und ruft mit frohem Sinn:
»Trotz der festverschloßnen Türe,
Bruder, half ich dir herein.
Jung und feurig ist Elmire:
Oh, sie wird nicht grausam sein!«


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