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Paul Schüler (geb. 1869)

Der Flatterhafte

In dem Park bei Mondenschein
Unter Lindenzweigen
Schwingen schöne Jungfräulein
Sich in holdem Reigen.

Kommt ein frisches, junges Blut
Durch den Busch gegangen,
Raubt sich Küsse kurz und gut
Von den süßen Wangen.

Ist bald hier und ist bald dort;
Will ihn eine haschen,
Ist er längst schon von ihr fort:
Keine fängt den Raschen.

Amor steht versteckt im Hain
Unter blühendem Flieder.
Sieh, da kommt ein Mägdelein,
Wirft sich vor ihm nieder,

Betet sanft und inniglich:
» Den da möcht ich haben;
Lieber Gott, ich bitte dich:
Schieß mir doch den Knaben!«

Amor legt den Bogen an
Auf den Flüchtig-Flinken,
Zielt – und läßt den Bogen dann
Traurig wieder sinken;

Spricht: »Bei solchem Flattermann
Hab ich nichts zu hoffen:
Wer nicht stillestehen kann,
Der wird nicht getroffen

Kirschenzeit

Bursch und Mädel wollten im Hain
Blaue Beeren pflücken;
Aber wie sie auch suchten, kein
Beerlein ließ sich blicken.

»Guter Bursch, die Zeit ist vorbei;
Wozu noch lange sich bücken?«
»Gibts keine Beeren mehr, Mädel, ei,
So laß uns Kirschen pflücken!«

»Kirschen im Buchenwald? Dummer Gesell,
Da kannst du lange suchen.«
»Die ich suche, die finde ich schnell;
Die wachsen auch unter Buchen.

Wachsen mitten auf deinem Gesicht,
Solltest du es nicht wissen?
Sündhaft wär es, pflückt ich sie nicht:
Mädel, ich muß dich küssen!«

Und er küßte die holde Maid;
Gerne ließ sies geschehen.
Wußte ja: auch die Kirschenzeit
Wird bald zu Ende gehen.


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