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Rudolf Baumbach (1840-1905)

Nausikaa

Auf moosigem Stein an Baches Rand
Sitzt rastend ein Magister,
Homerum hält er in der Hand,
Und von Odysseus liest er.
Jetzt schaut er auf und spitzt das Ohr,
Denn aus den Erlen schallts hervor:
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Er schleicht sich durch die Hecken,
Die Ursach zu entdecken.

Da, wo der Bach vom Felsen stürzt
Und klar die Wellen rinnen.
Steht unbeschuht und hochgeschürzt
Ein Mägdlein und wäscht Linnen.
Der Herr Magister kommt ihr nah
Und ruft entzückt: »Nausikaa!«
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Sie zeigt die weißen Zähne
Und lacht: »Ich heiße Lene.«

Und ernsten Tons der andre spricht:
»Belehrung kann nur frommen.
Hast von Nausikaa du nicht
Und von Ulyß vernommen?«
Sie schüttelt mit dem Kopf und lacht:
»So fangt nur an, ich gebe acht.«
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
»Ich will Euch gerne hören,
Nur dürft Ihr mich nicht stören.«

»Odysseus lag auf Scheria
Schiffbrüchig am Gestade.
Das Königskind Nausikaa
Hielt große Wäsche grade.
Sie war so schön und jung wie du,
Und fleißig war sie auch dazu.
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Rudolf Baumbach

Odysseus hats vernommen
Und ist herangekommen.

Er warf sich auf den Grund und schrie:
Erbarme dich, erbarme!
Dabei umschlang er ihre Knie,
So wie ich dich umarme.«
Magisterlein die Magd umschlingt,
Die Magd den nassen Lappen schwingt –
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Drob mußte ihm vergehen
Das Hören und das Sehen.

Er ging und kratzte sich im Haar,
Tät hinters Ohr sich schreiben:
Mit Wäscherinnen bringts Gefahr,
Die Odyssee zu treiben.
Den üblen Dank, der ihm geschah
Von seiten der Nausikaa –
Plitsch, platsch,
Klitsch, klatsch!
Von uns der Himmel wende!
Hier ist die Mär zu Ende.

Der Auerhahn

Es war einmal ein Auerhahn,
Ein recht verliebter Don Juan.
Kein zweiter in dem Tannenwald
Glich ihm an Kraft und Wohlgestalt,
Und unternehmend war er schier
Wie ein Husarenoffizier,
So daß er von der Hennen Schar
Gefürchtet und vergöttert war. –
Doch einen Fehler hatte er,
Der wurde für ihn folgenschwer.
Er pflegte, gings zum Stelldichein,
Sein Glück in alle Welt zu schrein:
So wurde es bekannt alsbald
Jedweder Kreatur im Wald.

Einmal, der Morgen graute kaum,
Saß unser Hahn auf seinem Baum
Und schrie und jauchzte fast wie toll,
Daß ringsumher der Wald erscholl.
Im Dickicht aber währenddessen,
Hat still ein Jägersmann gesessen,
Der fand den Hahnen auf der Balz,
Wollt auf den Schwanz ihm streuen Salz;
Doch weil der Hahn ihm saß zu hoch,
Schoß er ihm durch die Brust ein Loch,
So daß der arme Don Juan
Vom Baume fiel als toter Hahn.

Ein Lehrgedicht muß allemal
Besitzen eine Schlußmoral.
Sie folgt auch diesmal hinterher,
Jedwedem jungen Hahn zur Lehr!
Was dir der Frauen Gunst verschafft,
Ist: erstens volle Männerkraft,
Verwogenheit zum zweiten – und
Zum dritten ein verschwiegner Mund.
Wer nicht den Schnabel halten kann,
Der denke an den Auerhahn.

Vogelweisheit

Die Grete half am ersten Mai
Der Mutter Bohnen legen.
Des Nachbars Hans kam auch herbei
Und sprach von Wind und Regen.
Die Mutter ließ die Arbelt stehn
Und schlich sich nach der Tennen:
Da Hub der Haushahn an zu krähn
Und sprach zu seinen Hennen:
»Ei, ei, die Alte läßt allein
Mit einem Mann ihr Töchterlein;
Ihr Weiberleut, ich merke,
Es ist da was im Werke.«

Bescheiden zogen sich zurück
Der Hahn und seine Hühner.
Der Hans in seinem Liebesglück
Ward kühner, immer kühner.
Am Ende schlang er seinem Schatz
Den linken Arm ums Leibchen.
Das sah vom Scheunendach der Spatz
Und sprach zu seinem Weibchen:

»Wenn das geschieht zur Maienzeit
Und sie nicht Mord und Zeter schreit,
So hats was zu bedeuten,
Zumal bei jungen Leuten.«

Die Grete trug an ihrer Hand
Auf einmal einen Reifen.
Nun mag der Spatz im ganzen Land
Von ihrem Glücke pfeifen.
Vom Kirschbaum sanken auf das Paar
Viel weiße Blütenblätter,
Und im Geäste saß ein Star,
Der sprach zu seinem Vetter:
»Es ist ein sehr bedenklich Ding,
Wenn sich ein goldner Fingerring
Begeben hat aufs Wandern
Von einer Hand zur andern.«


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