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Bruno Frank (geb. 1887)

Der Lotse

Ein jeder meint, daß er nach Laune kürt,
Ein jeder meint, er diene seiner Lust:
Er wählt doch nur, was unbewußt
Ans urbestimmte Ziel ihn führt.

Für eine Schöne lodert der Pedant:
Als leichter Lotse sprang sie auf sein Schiff.
Nun lenkt sie es mit festem Griff
Zum Goldenen Horn. Dort ist sein wahrer Heimatstrand.

(Originalbeitrag)

Die Dankbaren

Nein, in solcher Nacht zu schlafen,
Könnten wir uns nicht verzeihn,
Schlaft, ihr Alten, träumt, ihr Braven,
Wir sind jung und sind zu zwein.

Gab ein Gott uns Sommerlüfte
Und den schönen vollen Mond,
Brunnenfall und Heckendüfte,
Sei er auch mit Dank belohnt.

Schlägt denn keinem das Gewissen,
Wenn er solche Pracht versäumt,
Und dafür im heißen Kissen
Dumpf von seinem Tagwerk träumt?

Einst vielleicht, wie unsre Väter,
Schnarchen wir beim Zauberlicht,
Aber das ist später – später,
Und das kümmert uns noch nicht.

Nein, in solcher Nacht zu schlafen,
Würden wir uns nicht verzeihn.
Ruht nur alle, ruht, ihr Braven,
Laßt uns nur allein!

(Originalbeitrag)

Paul Altheer (geb. 1887)

Herbstliches

Wenn sich alle Blätter färben,
Wird das also kommentiert:
Die Natura liegt im Sterben,
Was in jedem Jahr passiert.

Überall wird müd und lappig,
Was an grünen Stengeln hangt.
Bien und Fliege werden tappig;
Und nach Wärme wird verlangt.

Bloße Hälse, Schmetterlinge
Bleiben bis zum nächsten Mai
Schöne, aber seltne Dinge;
Ihre Glanzzeit ist vorbei.

Nebst dem Fallen vieler Blätter
Fällt ein Mägdlein dann und wann.
Dieses ist bedeutend netter,
Weil man mit dabei sein kann.

Farbenorgie

Ein grüner Jüngling saugt, neutral gestimmt,
An einem braunen Kraut, das rötlich glimmt.
Er bläst die blauen Räuchlein durch die Nase,
Trinkt braunes Bier aus einem klaren Glase.
Er denkt an eine schöne, violette
Krawatte und beschaut die goldne Kette,
Die breit auf rotgeblümter Weste liegt.
Ein schwarzbefrackter Kellner kommt und wiegt
Ein silbernes Tablett auf gelben Fingern;
Das ist gefüllt mit knusprig-braunen Dingern,
Die eine blondgelockte Dame ißt.
Der grüne Jüngling sieht sie und vergißt
Die goldne Kette und die violette
Krawatte, die er gern besessen hätte.
Der Jüngling, der so grün ist wie das Gras,
Vergißt das braune Bier im klaren Glas;
Er sieht die blauen Augen der Blondine...
Es wird ihm schwarz... Schon ahnt er die Routine. -
Das Kraut verglimmt; das braune Bier wird schal;
Der grüne Jüngling ruft mit einemmal
Dem schwarzbefrackten Kellner: »Ober, zahlen!«
Der Kellner stellt zwei braun gefüllte Schalen
Auf einen roten Tisch, und lächelnd steht
Er bei dem grünen Jüngling, bis er geht. –
Die Blonde fühlt den Jüngling sie begehren,
Hört auf, die braunen Dinger zu verzehren;
Sie schlägt ein graues Tuch ums blonde Haar,
Steht auf vom Stuhl, auf dem sie seßhaft war...,
Und vor der Tür mit milchig-weißen Scheiben
Sieht man sich blond und grün entgegentreiben.

Was an Leibern hager, fett ist,
Ausgezogener als nett ist,
Krumme Beine, X und O,
Kröpfe, Hühnerbrust und so ...
Hundert Formen, anatomisch
Falsch, teils traurig, teils auch komisch,
Alles, was die Augen peinigt,
Ist in Massen hier vereinigt,
Teils gebräunt, teils bleich und bläßlich,
Selten schön, doch meistens häßlich. –
Was aus menschlich schönen Zwecken
Würdevoll das ganze Jahr
Sonst die Kleider brav verstecken:
Hier wirds schreckhaft offenbar.
Wo man hinblickt, nichts als Spuren
Dieser traurigen Figuren,
So im Wasser, wie im Sandpfad.
Überschrift: Strandbad.

Schicksal

Ein Störchlein klappert auf einem Dach
Schon seit geraumer Zeit.
Im Hause jammern: »O weh!« und »Ach!«
Eine Frau und eine Maid.

Die Frau hat gebetet Tag und Nacht
Zusammen mit ihrem Mann:
»Ach würde uns doch ein Kindlein gebracht.
Wie glücklich wären wir dann.«

Die Maid hat gescherzt und gekost gar sehr
Zusammen mit ihrem Schatz.
Sie wünschte ein Kindlein schon weniger...
Die Maid nun aber, die hats.

Philosophie

Nun sind wir wiederum so weit
Wie damals, als wir uns vergaßen
Und in der schönen Sommerzeit
Vom Baume der Erkenntnis aßen.

Wir hatten unerhörtes Schwein.
Trotz unserm nicht geringen Lieben
Ist von dem süßen Seligsein
Die Frucht bis dato ausgeblieben.

Was wiederum noch nicht besagt,
Daß wir an einem merklich längern
Und trübern Morgen, der uns tagt,
Nicht die Gesichter sehr verlängern;

Denn solchermaßen ist es nun.
Das vielgepriesne Glück mit Kindern:
Man kann zwar viel dagegen tun,
Doch keiner kanns bestimmt verhindern.

Es fliegt, wie der Wind im Land weht,
Ist froh, wenns von Hand zu Hand geht.
Der eine liebt seine Wangen,
Der andre die schlanke Hand,
Der dritte hat ein Verlangen
Nach einem andern Gegenstand.
Was Künstler wollen und wünschten
Erfüllt es nach Möglichkeit,
Denn sein Leben ist ganz den Künschten
Und ihren Jüngern geweiht.
Man sagt nur, was man verfügt, ihm,
Man ruft, und schon ist es zur Stell,
Ja selbst eine Karte genügt ihm.
Überschrift: Das Aktmodell.

Mai

Nun kommen jene schönen Tage wieder,
Wo man sich leichtlich angezogen trägt
Und nach dem Bade die erfrischten Glieder
Zum Trocknen in die süße Sonne legt.

Die Menschen haben lachende Gesichter,
Wie allemal im schönen Monat Mai.
Hingegen äußert sich bei einem Dichter
Der Frühling nur in schlechter Reimerei.

Das Schönste aber sind nunmehr die Frauen.
Sie tragen meist der Unschuld weiß Gewand
Und wirken, weil sie lieblich anzuschauen,
Verwirrend auf den männlichen Verstand.

Die Welt steht rings in eitel Pracht und Blüte.
Die Sonne, sagt man, lächelt oder strahlt.
Die Weiber zeigen ihre neuen Hüte.
Die Männer haben sie noch nicht bezahlt.

Man könnte sich im Paradiese wähnen.
Man tauscht verliebte Blicke dann und wann.
Und wenn zur Nacht die einen müde gähnen,
Tun andre was man nicht beschreiben kann.

Ein Wiesel gleitet auf zartem Schuh
Und blinzelt uns neckisch-zaghaft zu.
Ihm folgt auf dem Fuß, elegant und nobel.
Ein frisch gestriegelter, zarter Zobel.
Ein Iltis, ein Bisam, ein Biber, ein Nerz
Gewinnen durch ihren Charm unser Herz.
Wie zierlich und schlank ist dort die Gazelle.
Ein Marder wiegt sich wie eine Welle.
Und stolz, wie ein göttlicher Paladin,
Schreitet ein schimmernder Hermelin.
Eine Tigerkatze wiegt ihre Flanken,
Ein Fohlen tänzelt, wie Dichters Gedanken.
Eine Seehündin aber, mit treuem Blick,
Schaut hin und wieder zu mir zurück.
Hamster und Ratten setzen zum Trab an,
Zierliche Füchse aus Alaska und Japan
Mit blinzelndem Blick und wiegendem Schmelz...
Überschrift: Modeschau im Pelz.

Romänchen

Er glaubte ein Genie sich;
Sie tanzte Ballett.
Im Mai sagten sie »Sie« sich.
Ein Jahr drauf »Valet«.

Sie gaben sichs schwürlich
Und nannten sich »du«.
Dann nahm sie natürlich
Einen andern dazu.

Weil ihn das betrübte,
So liegts auf der Hand,
Daß ihn das Gelübde
Nun auch nicht mehr band.

Es verlor seine Hand sich
An andre geschwind.
Seitdem hat er zwanzig,
Und sie hat das Kind.

Satirische Groteske

Ein Abstinent hat einen Affen.
Ein Nationalrat hält den Mund.
Zwei städtische Beamte schaffen.
Ein Millionär ist auf dem Hund.

Laternen fressen Schokolade.
Ein Taxameter singt ein Lied.
Die Juden drängeln sich zum Bade.
Ein sanftes Lämmlein wird perfid.

Die Sittenrichter werden Schweine;
Sie kommen in das Schlächterhaus.
Und eine Jungfrau ist nun keine...
Doch hier ist die Groteske aus.


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