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Woldemar Lommatzsch (geb. 1870)

Dein Strumpf

Des seidnen Strumpfes schimmerndes Gewebe
Umgleißt mit Gold dein zartes, schlankes Bein,
Und tausend Lichter saugt mein Auge ein,
Wenn ich verzückt die trunknen Lider hebe.

Wie flirrt und flammt es! Leiseste Bewegung
Der schönen Glieder gibt ein Zauberspiel
Voll Glanz und Duft, des Wandels just so viel
Wie meiner Seele wechselnde Erregung.

Nun ruhst du sinnend... Zu zwei lichten Streifen
Hat sich der Seide farbig Spiel geeint,
Zwei Schlangen gleichend, die man schlafend meint,
Und die man doch sich hütet zu ergreifen.

So liegen lauernd sie vorm Paradiese
Und wehren stumm des Mannes kecker Hand,
Doch reizen auch zu Kampf und Widerstand,
So einer sich des Gartens Frucht erkiese...

(Originalbeitrag)

Heimlicher Rausch

Laß deines jungen Leibes süße Last
Auf meinem Schoße ruhen und indessen,
Daß du noch Augen voller Unschuld hast,
Im Taumel jähen Glückes mich vergessen.

Du darfst nicht wissen, daß ich heimlich mich
An deiner Jugend frischem Reiz berausche,
Daß Ströme drängen zwischen mich und dich,
Dieweil ich achtlos deinem Plaudern lausche.

Nun sprich kein Wort mehr, leg dein blondes Haupt
An meine Brust und laß die Stille singen:
Was deines Leibes Süße mir geraubt,
Soll heilige Ruhe mir nun wiederbringen...

So nimmst und gibst du, ohne daß du weißt,
Auch mir, dem bald der erste Stern vernachtet,
Bis einer einst den Gürtel dir zerreißt
Und du ihm lächelnd reichst, wonach er schmachtet.

(Originalbeitrag)

Zwiespalt

Den glatten Körpern zweier Nattern gleich
Schwellt sich das Fleisch an deinen jungen Schenkeln
Und deiner Ampel gelbe Lichter sprenkeln
Den seidnen Strumpf mit Farben bunt und reich.

Geblendet schaut mein Auge all die Pracht:
Es möchte trunken reine Schönheit schlürfen
Und frei von Sinnenlust genießen dürfen.
Doch geht dies Trachten über seine Macht.

Erschrocken schließt es sich und läßt dem Leib,
Dem es nur widerwillig dient, das Schöne,
Damit er seiner Lust nach Willen fröne,
Zu müßgem Zeitvertreib...

(Originalbeitrag)

Schwüle Nacht

Der Tränen müde, schließt mein Auge sich,
Und wie zur Ruhe strecken sich die Glieder,
Doch sinkt kein Schlaf noch auf die schweren Lider,
Denn all mein Denken wirbelt noch um dich.

Was mir der Tag versagt, klopft stürmisch an
Und heischt sein Recht. Unwiderstehlich Drängen
Kriecht aus der Tiefe, will die Hüllen sprengen –
Wo bist du, die allein mir helfen kann?

Wie schleicht die Zeit und eilt doch hin mit Macht!
Des Weckers Pendelschlag peitscht wie mit Ruten
Mein wundes Herz. Sekunden fliehn, Minuten,
Es fliehen Stunden in die große Nacht...

Da löst ein Traumbild meiner Seele Joch,
Und wie der Dampf den überhitzten Kessel
Sprengt es gewaltsam meines Leibes Fessel
Und zeigt erwachend mir dein Antlitz noch.

(Originalbeitrag)


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