Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Der Dichter auf dem Sterbebette

Übersetzung einer Elegie von Alfons von Lamartine

               

So muß in ihren Lenzestagen
    Des Lebens Blume mir verblühn?
Ich weiß nicht, ob ich unter Klagen,
    Ob singend soll von hinnen ziehn!
Ja, singend: – da die Hand noch meistert
    Das wohlbekannte Saitenspiel;
Ja, singend: – wie der Schwan begeistert
    Mit Liedern grüßt das nahe Ziel.

Noch einmal flammt, eh' sie verflimmert
    Die Lampe frisch und hell empor;
Die Leier rauscht, eh' sie zertrümmert;
    Gold ist der Sonne Grabestor.
Der Mensch allein in seinem Scheiden,
    Blickt um auf sein vertauschtes Sein,
Und schläft, gedenkend sonst'ger Leiden,
    Mit halbgeweinten Tränen ein.

Was ist das Leben, drum wir weinen?
    Ein Stündchen ist's, und wieder eins;
Und jedes nächste gleicht dem einen,
    Und meines ist so spann, wie deins.
Dies raubt, was jenes uns beschieden:
    Scherz oder Schmerz, Staub oder Macht;
Auch Träume dann und wann, und Frieden: –
    So ist der Tag, – dann kommt die Nacht.

Ja, weinen darf, wer an die Trümmer
    Vergangner Zeit gefesselt steht,
Und erst in ferner Zukunft immer
    Nach seinem fernen Glücke späht.
Ich – der ich Wurzeln nie geschlagen
    Im kalten Boden dieser Welt, –
Ich scheide, wie vom West getragen
    Ein Halm sich wiegt, zum Himmelszelt.

Zugvögeln gleicht der Dichter, weilend
    An keinem Strand, auf keinem Baum;
Im Fluge nur vorübereilend,
    Gesangreich, an der Ufer Saum.
Den planen weiten Himmel nennen
    Sie Wiege, Schul' und Wohngebiet:
Sie singen, – doch die Menschen kennen
    Nicht mehr von ihnen, als ihr Lied.

Kein Mensch hat meine jungen Hände
    Der Leier Wohllaut je gelehrt;
Denn nicht von Menschen kommt die Spende,
    Die nur ein Himmel ganz gewährt.
So lernt das Rieseln nicht die Quelle;
    So lernt ein Pfeil, der wie das Licht
Die Wolken spaltet, nicht die Schnelle; –
    Die Biene lernt das Sammeln nicht.

Der Glocke gleich' ich, hoch am Turme,
    Die aus demselben Mund von Erz –
Im Frieden klingend und im Sturme, –
    Bald Jubel kündet und bald Schmerz.
Ob mir die Freude mild gelächelt,
    Ob Trauer sank auf dieses Haupt:
Kein Lüftchen hat mich je gefächelt,
    Das nicht ein Klingen mir geraubt!

Oft netzten meine Saiten Tränen, –
    Doch uns sind Tränen milder Tau:
Man würde sich nach Wolken sehnen,
    Wär' unser Himmel ewig blau.
Soll er des Weihrauchs Düfte geben,
    So will der Baum verwundet sein,
Und kränkt dein Fuß der Blume Leben,
    So haucht ihr Odem doppelt rein.

So sang ich denn, und jede Zeile
    Galt einen Tropfen meines Bluts;
So sang ich, – nicht um eine Säule,
    Der Zeit emporgetürmt zum Trutz!
Was mag's den Schwan im Aufschwung kümmern,
    Ob seiner Flügel Schattenbild,
Bevor in Wolken sie verschimmern,
    Sich nochmal spiegelt ihr Gefild? –

Doch warum sangst du? – Philomelen
    Befrag, warum sie nachts, im Nest,
Ein Lied, um Steine zu beseelen,
    Aus halb gesprungnem Herzen preßt.
Wir singen, wie ihr atmet, – singen,
    Wie Philomele singen muß,
Wie Blätter säuseln, Weste klingen,
    Und wie die Welle rauscht im Fluß.

Singen und Lieben war mein Leben: –
    Von allem was der Mensch begehrt,
Daß ihm die guten Götter geben,
    Dünkt nichts mich eines Wunsches wert,
Als ein beschwingter Klang der Leier,
    Aufsteigend aus der Seele Glut,
Und ein Moment der stummen Feier;
    Wenn Brust au Brust die Liebe ruht.

O Glück, der Schönheit Brust zu rühren,
    Daß Purpur ihre Wangen säumt,
Daß ihre Worte sich verlieren,
    Ihr Herz in Wonnen überschäumt;
Ihr Aug' den Sternen zuzukehren,
    Als sehnt' es sich den Klängen nach,
Bis sie mit stummen Wonnezähren
    Das Zauberwort der Liebe sprach.

So hab' ich oft geseufzt, gesungen,
    Und nicht verstoben ist's im Wind:
Bald hab' ich selbst mich hingeschwungen,
    Wo meine Säng' und Seufzer sind.
Wie Freund' in freudiger Erkennung
    Wird ihre Schar mich dort umwehn:
Der Glaub' erleichtert mir die Trennung,
    Denn nicht zu Fremden muß ich gehn.

Drum baut auf meinem niedern Grabe
    Kein lastend Werk der Bildnerei;
Ob ich die Hand voll Erde habe,
    Gilt meinem Herzen einerlei.
Nur gönnet einst statt dieses allen
    Mir einen einzigen Ersatz,
Und frommen Pilgern zu Gefallen
    Laßt für zwei Knie grünen Platz.

Denn wärmer steigt des Dulders Flehen,
    Wenn er auf Gräbern kniet hinan,
Er deucht sich selbst schon in den Höhen,
    Und trifft beim Tod die Hoffnung an.
Der blaue Himmel scheint ihm freier,
    Die Seele streift den Staub zurück,
Das Auge reißt den schwarzen Schleier,
    Und die Gewährung lacht dem Blick.

Und nun, ihr Freunde, gebt den Flammen,
    Den Fluten meine Leier preis:
Ich fühl's, mein Leben bricht zusammen,
    Und meine Pulse führen Eis.
Nehmt eure Leiern nun, ihr Brüder,
    Spielt auf, spielt auf mit rascher Hand,
Bis eingewiegt durch eure Lieder,
    Mein Geist entschlief ins bessre Land!

 


 


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