Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Nachtphantasie eines Numismatikers

        Wenn ich so nachts zum klaren Himmel sehe,
Fühl' ich mich numismatisch angeregt:
Die Sterne gleichen Münzen und Medaillen,
Auf blauem Tuch symmetrisch ausgelegt.

Die einen sind à fleur de coin, die andern
Sind rötlich oder grünlich patiniert,
Von Gold, von Silber, meistens von Elektron,
Und trotz des Alters herrlich konserviert.

Der Vollmond hangt als Medaillon inmitten,
Um ihn die kleinern Münzen Stück für Stück,
Von allen Raritäten, allen Größen.
Und alle echt und sicherlich – antik.

Ob man mehr Münzen, mehr Medaillen zähle? –
Ich möchte wissen, wer den Streit gewinnt:
Nach meiner Meinung sind es lauter Münzen,
Weil sie noch immerfort im Umlauf sind,

Wohin man die Kometen rechnen könne?
Bisweilen sind sie jetzt noch im Gebrauch;
Der kant'gen Form nach scheinen sie mir – Klippen,
Und für die Astronomen sind sie's auch.

So liegen sie, die Münzen, wohlgeordnet,
Unschätzbar selbst für einen Mionnet,
Und nähme man auch eines Herschels Lupe,
Kein Aug' entziffert ihre Umschrift je.

Doch kann man die Legende gleich nicht lesen,
Die ohne Zweifel ihrer jede trägt,
So steht auf allen klar doch eine Silbe:
Des Münzherrn Name, der sie ausgeprägt.

 


 


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