Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Herbstblätter

1.

        So soll's mit allem Sonnenschein
Denn wirklich schon vorüber sein?
Oft hab' ich, es zu glauben, Müh',
Und mein', es sei denn doch zu früh.

Und mein', es komm', ehvor es schneit,
Gewiß noch einmal schöne Zeit
Mit blauem Himmel, lauem Licht,
Ja selbst ohn' alle Blumen nicht.

Das ist die Zeit, wo man nach Lust
Noch einmal voll sich schöpft die Brust,
Um auszudauern, dann wenn's friert,
Bis endlich wieder Frühling wird.

Und diese Zeit erwart' ich noch, –
Mir kam sie noch nicht, – oder doch?
Liegt sie vielleicht schon hinter mir,
Indes mein Herz sich sehnt nach ihr?!

 
2.

                Fallende Blätter, sinkendes Leben,
Mahnender Ernst in gaukelndem Spiel;
Was es auf Erden Schönes gegeben, –
Fallende Blätter: – es welkt', es fiel.

Fallende Blätter, fallende Freuden,
Dünn ist dein Stengel, blühender Scherz;
Fallende Blätter, schwindende Leiden,
Seinen Herbst erkennt auch der Schmerz.

Fallende Blätter, dorrende Liebe,
Alternde Freundschaft, welkende Lust!
Wenn nur am End' ein Blättchen uns bliebe,
Daß man es einleg' ins Stammbuch der Brust.

Seh' ich die herbstlichen Blätter so schwanken,
Gaukeln im Norde dahin und daher,
Macht es mir immer ernste Gedanken,
Macht es mir immer die Seele so schwer.

Ach so entblättert das Leben uns alle,
Bis wir gleich Stämmen, gleich dorrenden, stehn,
Und in des Daseins düsterer Halle
Schönerm Frühling entgegensehn.

Wieder werden die Bäume grünen,
Wieder wird Frühling einmal erglühn;
Werden wir dürren Stämme mit ihnen
Auch uns belauben und nochmal blühn?!

 


 


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