Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Das Ländchen der Liebe

        Wo ist das schöne Blütenland
    Der Liebe nur gelegen?
Wo öffnet sich die Felsenwand
    Zu seinen Zauberwegen?
Ich weiß davon, und was ich weiß,
    Das will ich nicht verhehlen;
Das Land umfaßt euch einen Kreis
    Von Auen, kaum zu zählen.

Einst stand ich hoch am Felsenhang
    Und sah ins Tal hinunter,
Da sah ich gehn das Tal entlang
    Mein Liebchen, schön und munter;
Da schien mir rings die Bergeswand
    Zu glühn von Blütentriebe, –
Der schöne Fels, auf dem ich stand,
    War mir das Land der Liebe.

Einst schlendert' ich im Tale da
    Und sah zum Felsgesteine, –
Und sah und stand und stand und sah,
    Mein Lieb' im Sonnenscheine.
Mein Auge hing am Felsenring,
    Als ob es haften bliebe, –
Das schöne Tal, durch das ich ging,
    War mir das Land der Liebe.

Einst zog ich an des Liebchens Arm
    Auf langer öder Heide:
Ihr Auge Glut, mein Busen warm
    Von lauter Abendfreude,
Die Luft war still, die Brust so weit,
    Als ob sie's aufwärts hübe:
Die stille Heid', so wüst und breit,
    Schien uns das Land der Liebe.

Im Mantel barg ich's Liebchen mein
    Und hielt es warm zur Seite,
Bei Donnersturm und Blitzesschein,
    Und gab ihm das Geleite.
Der Wald war öd, der Sturm war kalt,
    Als ob er Flocken triebe;
Und dennoch galt der wilde Wald
    Uns für das Land der Liebe.

Und solches weiß vom Blütenland
    Der Lieb' ich euch zu sagen:
Wer nicht verstand, wer nicht empfand,
    Der möge weiter fragen.
Ihr trefft auf keinen, glaubt mir fest,
    Der's treuer euch beschriebe:
Wo sich das Liebchen sehen läßt,
    Dort ist das Land der Liebe.

 


 


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