Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Wald und Herz

            In der Jugend, in der Jugend,
In der sel'gen Wonnezeit,
Hat das Herz nur eine Farbe,
Nur das Rot der Fröhlichkeit.

Gleitet auch ein Wölkchen drüber,
Flücht'ge Schatten wirft es nur:
Was emportaucht, bunt und wechselnd,
Kommt und schwindet ohne Spur.

Ja – im Lenz, im jungen Lenze,
Hat, bei allem seinen Blühn,
Auch der Wald nur eine Farbe, –
Nur das frische saft'ge Grün.

In dem frischen Grün verlieren
Sich die bunten Blümchen all',
Heidekraut und Moos und Beere,
Felsenkies und Wasserfall.

Aber, wenn der Herbst sich meldet,
Schwindet bald das gleiche Grün,
Rot und gelb und hell und dunkel
Scheint sein welkend Land zu blühn.

Und so ist es mit dem Herzen,
Mit dem Rot der Fröhlichkeit;
Mit den wechselnden Gefühlen
Wechselt auch die Wonnezeit.

Sonst nur Lust, – nun Lust und Trauer,
Wehmut, Sehnen, Ernst und Scherz,
Und je bunter die Gefühle,
Um so herbstlicher das Herz!

 


 


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