Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Herr, du bist groß!

        »Herr, du bist groß!« – so ruf' ich, wenn im Osten
Der Tag, wie eine Feuerros', erblüht;
Wenn, um den Reiz des Lebens neu zu kosten,
Natur und Mensch in junger Kraft erglüht.
Wo lässest du, o Herr, dich güt'ger sehen,
Als in des Morgens großem Auferstehen?

»Herr, du bist groß!« so ruf' ich, wenn's von Wettern
Am Mittagshorizonte zuckend droht,
Und du mit deines Blitzes Flammenlettern
Auf Wolkentafeln schreibst dein Machtgebot.
Wo wärst, o Herr, furchtbarer du zu schauen,
Als im empörten Mittagswettergrauen?

»Herr, du bist groß!« so ruf' ich, wenn im Westen
Der Tag sein Auge sanft bewältigt schließt;
Wenn's in den Wäldern schallt von Liederfesten,
Und süße Wehmut sich aufs All ergießt.
Wodurch, o Herr, stimmst du das Herz uns milder,
Als durch den Zauber deiner Abendbilder?

»Herr, du bist groß!« so ruf' ich, wenn das Schweigen
Der Mitternacht auf allen Landen liegt,
Die Sterne funkelnd auf und nieder steigen,
Und sich der Mond auf Silberwölkchen wiegt.
Wann winkst du, Herr, erhabner, uns nach oben,
Als wenn dich stumm die heil'gen Nächte loben?

Herr, du bist groß in jeglichem Erscheinen,
In keinem größer, stets der größte nur;
Du führst im Staunen, Lächeln, Graun, und Weinen,
In jeder Regung uns auf deine Spur.
Herr, du bist groß! O laß mich's laut verkünden,
Und selbst mich groß in deiner Größ' empfinden!

 


 


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