Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Sizilianen

1.
          Was ich je lächeln sah, je glühn und prunken,
In ihren Augen fand ich's alles wieder.
Wann ich gewallt oft in mich selbst versunken,
Das düstre Haupt gesenkt zur Erde nieder,
Da nahte sie, – aufblickt' ich wonnetrunken,
Ein junges Leben floß durch meine Glieder!
Und manche Blicke weckten manche Funken,
Und kurze Blicke gaben kurze Lieder!
 
2.
Da schlummert sie, – in leichtem Nebelfalle
Ruht ihr Gelock, die stumme Lippe spricht,
Ihr Aug' verrät's, ein Morgenträumchen walle
Hin über ihre Seele mild und licht. –
Komm, Sonne, schnell, – erwecke sie! – Nun schalle
Das ernste Wort, das ihren Starrsinn bricht!
Doch nein, komm nicht! du wecktest mit ihr – alle,
Und Zeugen brauch' ich keine, – weck sie nicht!
 
3.
Süß, wie der Honig von Hymettus Bienen,
Strömt von den Lippen ihr der Rede Flut;
Da beug' ich mich zu ihr, mit trunknen Mienen,
Wie's ein gefühlvoll ernster Lauscher tut.
Und ihre weichen Schwanenschultern dienen
Zum Kissen meiner Wangen irrer Glut!
Ja, arm hat mir der Himmel da geschienen,
Der nicht so weich auf Atlas' Schultern ruht!
 
4.
Du kannst kein Gold von meinen Wänden schaben;
Ein armer Dichter bin ich und nichts mehr.
Doch hab' ich als Ersatz wohl andre Gaben,
Vielleicht genug für edleres Begehr!
Auf einem Grund, worunter Gold vergraben,
Gedeihen Korn und Blum' und Pflanze schwer;
Empfänglich schlichten Boden mußt du haben,
Dann bleibt so leicht kein Platz dir blumenleer!
 
5.
Des Denkers Tiefsinn um die Stirn gezogen,
Durchprüfst du kalt der Liebe Flammenschrift.
Nur Blumenränder gürten rings die Wogen;
Du fragst besorgt, wohin der Kiel dich schifft?
Hast aus der Liebe Kelch so oft gesogen,
Und prüfst nun erst, ob's Nektar oder Gift?
Sieh doch den Gott mit seinem goldnen Bogen,
Er prüft nicht, sieht, erkennet, zielt und trifft!
 
6.
O seltne Schönheit! denn mich dünket selten
Und karg verteilt so großer Schönheit Gut,
Wie alles hier, was teuer pflegt zu gelten. –
Die Perle liegt in wüster Meeresflut!
Das Gold ruht tief in öden Berggezelten,
Der Demant schläft in dürrer Sandesglut:
Rubine glühn in menschenleeren Welten,
Und Aloen in steiler Felsen Hut.
 
7.
Jüngst stand ich draußen in der Nacht! Wie Säulen
Schien mir der Berge Riesenkranz erhöht;
Wie Schwebelampen in gemessnen Zeilen
Bedünkten mich die Sternlein ausgesät;
Der Wolken Weihrauch schien emporzueilen,
Des Himmels Schleier halb entzwei geweht,
Und Priester »Mond« kam Segen auszuteilen,
Und der Gedank' an dich war mein Gebet!
 
8.
Sonst fühlt' ich in der Brust gar oft ein Regen,
Wie's ein sich stellt, wenn Zeit zum Dichten ist;
Ich mühte mich, in Formen es zu prägen,
In einen Stoff, der würdig es umschließt.
Doch trotz des Herzens schöpfungslust'gen Schlägen
Hab' ich die Wieg' oft für mein Kind vermißt!
Jetzt bin ich nicht mehr um den Stoff verlegen,
Seit du mein ewig unerschöpfter bist!
 
9.
Wofern du ein Geheimnis hast, so sag' es,
Mein Herz ist dir dafür ein sichrer Ort!
Man sagt von Blumen, welche unter Tages
Verschlossen sind, als wären sie verdorrt;
Der Mondschein erst, kraft seines Zauberschlages,
Entsiegelt ihrer Brust geheimen Hort!
So ist mein Herz, – nicht sich eröffnen mag es,
Sein einz'ger Schlüssel ist dein mildes Wort.
 
10.
Ich stieg zum Felse, den die Wolke säumet,
Die Liebe stieg mir nach durch Wolk' und Wind;
Ich stieg hinab, – wo Einsamkeit verträumet
Den düstren Traum; – sie stieg mir nach geschwind.
Ich lief zur Flur, wo Blum' an Blume keimet;
Sie lief mir nach, das liebe Blumenkind!
Ich kam zur Tafel, wo der Becher schäumet; –
Sie kam mir nach: – wer schilt die Liebe blind?

 


 


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