Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Almosen

        Nicht wie ein Fürst begraben möcht' ich sein
In einem Sarkophag von kaltem Stein,
Umschränkt von mächtig schweren Eisengittern,
Bewacht von traurig stummen Marmorrittern.

Nur selten fällt ein matter Sonnenstrahl
Auf solch ein unbehaglich Marmormal;
Die Luft ist dumpf gleichwie in Kerkermauern,
Des Lenzes Hauch erkaltet dort zu Schauern.

Kein Vogel baut sein Nest in solcher Gruft,
Und keine Blume füllet sie mit Duft,
Und wollt' ein Aug' mit Tränen sie benetzen,
Es würde nur am Gitter sich verletzen.

Weit lieber läg' ich, wie der Arme liegt,
Auf dessen Grabe sich der Falter wiegt,
Worauf die Sonne leuchtet lau und labend,
Das Tau erquickt am Morgen und am Abend.

Worüber hoch die Lerch' in Lüften singt,
Worauf bei Nacht des Sprossers Klage klingt,
Um das viel tausend grüne Halme sprießen,
Worauf selbst Blumen ihren Balsam gießen.

Und Platz für fromme Knie hat's wohl auch,
Und Raum für Tränen und für Seufzerhauch,
Und frei von allem ist es – frei! o Wonne,
So frei zu schlafen unter Gottes Sonne!

 


 


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