Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Am Fenster

          Ihr lieben Mauern, still und traut,
Die ihr mich kühl umschließt,
Und silberglänzend niederschaut,
Wann droben Vollmond ist,
Ihr saht mich einst so traurig da,
Mein Haupt auf schlaffer Hand,
Als ich in mir allein mich sah,
Und niemand mich verstand!

Jetzt brach ein andres Licht heran,
Die Trauerzeit ist um,
Und manche ziehn mit mir die Bahn
Durchs Lebensheiligtum;
Sie raubt der Zufall ewig nie
Aus meinem treuen Sinn:
In tiefster Seele trag ich sie,
Da reicht kein Zufall hin.

Du Mauer, wähnst mich trüb wie einst,
Das ist die stille Freud';
Wenn du vom Mondlicht widerscheinst,
Wird mir die Brust so weit.
An jedem Fenster wähn' ich dann
Ein Freundeshaupt, gesenkt,
Das auch so schaut zum Himmel an
Und auch so meiner denkt!

 


 


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