Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Traumeslaune

.... los sueños mismos son sueños.

       

Sag nicht: »Ich hab' geträumet,«
Sag nur: »Mir hat geträumt.« –
Der Traum ist eine Blume,
Die eigenmächtig keimt.
Es ist der Traum ein Vogel,
Der, wenn du lockst, entschlüpft,
Und lockst du nicht, von selber
Dir auf den Finger hüpft.

Es ist der Traum ein Kobold,
Der dir das Kissen raubt,
Das du, um sanft zu ruhen,
Gelegt dir unters Haupt;
Und wieder, wenn der Kummer
Nur harte Streu dir gibt,
Ein schwellend Daunenpolster
Besorgt dir unterschiebt.

Du schlummerst ein, im Haare
Den frischen Kranz der Lust,
Die Seele voll von Liebe,
Des höchsten Glücks bewußt;
Kaum schlossest du die Augen,
So fällt der Kranz dir ab,
Und Glück und Liebe finden
Im Fiebertraum ihr Grab.

Du drückst, von Gram zerrissen,
Gehetzt von feilem Spott,
Dein Haupt voll Angst ins Kissen,
Als wär' es aufs Schafott, –
Und plötzlich tönt es leise
Wie Harmonien um dich,
Und Engel schweben nieder,
Und Eden öffnen sich.

Du kannst ihn nicht beschwören,
Kannst bannen nicht den Traum,
Rasch wie der Schaum entstanden,
Zerrinnt er wie der Schaum.
Drum sage nicht: »Ich träume,«
Wenn du dein Ich verlierst,
Und unbekannten Zaubers
Ohnmächt'ger Spielball wirst.

Des Lebens Traum ist sichrer,
Als je dein Traum im Schlaf:
Herr bist du deines Lebens,
Doch deines Traumes Sklav';
Du bist dir selbst entäußert,
Du stehst nicht ein dafür:
Wohl träumest du im Leben,
Im Schlafe träumet dir!

 


 


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