Johann Gabriel Seidl
Gedichte
Johann Gabriel Seidl

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Heimweh

1.

          Wenn ich ein Sturmwind wär',
Flög' ich voll Hast einher,
Stürmte mit heitrem Sinn
Gegen die Heimat hin
Hielte mich nirgend auf,
Braust' in beschwingtem Lauf
Über die Alpen dort,
Über die Täler fort,
In tobender Eile,
Schneller, als Pfeile;
Über alle Schranken,
Rascher als die Gedanken,
Was in den Weg mir tritt,
Niederstürmend mit sausendem Schritt.

Aber an der Heimat Grenze
Hielt' ich plötzlich wieder an;
Wie der zahmste Hauch der Lenze
Weht' und flüstert' ich sodann.

Und des Heimwehs mildes Bangen,
Und den süßen Drang nach Haus
Haucht' ich dann in einen langen,
Tiefen Liebesseufzer aus!

 
2.

        Am Platz in Wien da steht ein ernster Mann,
Die neue Mode focht ihn wenig an;
In buntem Flitter treibt sich's um ihn her,
In grauem Faltenmantel pranget – er.

Das Haupt, mit spitzem Helme kühn bewehrt,
Hält er den Sternen kräftig zugekehrt,
Ein alter Krieger, darauf eingeübt,
Dem Feind zu trotzen, der an ihm zerstiebt.

Dem Ahasver in vielem gleich, ein Fels,
Woran zerschäumt die Flut des Zeitenquells,
Sah er, fortlebend, Tausende vergehn
In Ebb und Flut von Tod und Auferstehn.

Und wie vom Ahasver des Schützen Blei
Ohnmächtig abgeprallt gleich dürrer Spreu,
So prallten auch von seines Nackens Saum
Die Kugeln ab, – der Alte nickte kaum.

Doch war ein Mann der Unruh' Ahasver,
Der Frevel büßt', – ein Mann der Ruh' ist – er;
Er steht jahrhundertlang in ernster Ruh',
Und schaut der Welt und ihrem Treiben zu.

Auch keines Frevels ist er sich bewußt,
Ein Haus des Herrn ist seine weite Brust,
In der, was Wien oft jubelt oder weint,
Er fromm zum Nationen-Psalm vereint.

Und was er fühlt, nicht höfelnd gibt er's kund
In Schnörkelsang, mit süßlich zartem Mund;
Ganz eine eigne Sprache spricht der Mann,
Die meilenweit ein Volk verstehen kann. –

O Stephansdom, du Jubelgreis, du bist
Auch Kindern gut, wie's Brauch der Alten ist;
Sie spielen dir zu Füßen kindlichfroh,
Zufrieden, stolz, – als blieb es immer so.

Sie prägen deine Züge sich ins Herz,
Und mit den Zügen auch den Heimwehschmerz,
Der sie dann faßt, wenn's nimmer so mehr ist,
Und in der Ferne dich ihr Aug' vermißt.

 
3.

        O Donau, liebe Donau!
Bist gar ein schneller Fluß,
Du bringst von deiner Quelle
Gar bald dem Meer einen Gruß.

O Donau, liebe Donau!
Wirfst Wellen mächtig und schwer,
Sie schaukeln Schiffe trotz Wiegen
Hinab ins ferne Meer.

O Donau, liebe Donau!
Den Schwimmer möchte ich sehn,
Der dir entgegenschwämme,
Bald müßt' er untergehn!

O Donau, liebe Donau!
Mir war's im Traume jüngst,
Als ständ' ich am Eisernen Tore,
Wo du zum Scheiden dich zwingst;

Zum Scheiden von deinem Österreich,
Weshalb du dort so grollst;
Es geht auch dir zu Herzen,
Daß du's verlassen sollst!

Da warf ich mein Herz voll Heimweh
In deine Wirbel hinein,
Mein Herz das war ein Schwimmer,
So mag kein zweiter sein!

Da schwamm mein Herz voll Heimweh
Stromaufwärts fort und fort
Schwamm gegen Wien am Morgen,
Und abends war es dort.

 
4.

        Am Kahlenberg da stand ich gern,
Und sah hinab aufs Land,
Sah wie sich zwischen Bergen fern
Verliert der Donau Band.

Sah wie das Marchfeld drüber hin
Liegt einem Schachbrett gleich,
Wo oft um blutigen Gewinn
Gespielt mein Österreich.

Und sah die Berg' im Süden stehn,
Wie Wellen, die gestockt,
Und sah die Hügel stolz sich blähn,
Von Rebengrün umlockt.

Und labte mich an all' der Pracht,
Hinweggekehrt von Wien,
Das, wo solch' ländlich Bild mir lacht,
Mir drauf als Fleck erschien.

Nun steig' ich manchen Berg hinan,
Wohl manchen kahlen auch,
Und schau' hinaus, so weit ich kann: –
Rings Gottes Segenshauch!

Wie Fächer Tal an Tal gereiht,
Und Alpen ungezählt,
Ein lachend Bild der Ländlichkeit, –
Der liebe Fleck nur fehlt.

Der liebe Fleck, was gäb' ich drum,
Hätt' ich ihn hier erspäht!
Drum seht euch in der Fremd' erst um,
Eh' ihr daheim was schmäht!

 


 


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