Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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8. Kapitel.

Des Kastellans Freude war indessen nicht von langer Dauer. Kaum hatten sich seine Truppen einigermaßen erholt, als Pan Charlamp mit Nachrichten von Sapieha aus Sandomier eintraf und bei Wolodyjowski abstieg. Wolodyjowski ging sofort zu Czarniecki und meldete ihm, daß nach den Worten des Pan Charlamp der schwedische König der ihm bereiteten Falle entronnen sei.

»Und wo ist der Abgesandte?« fragte Czarniecki. »Bei Ihnen? Gut, so gehen wir zu Ihnen.«

Der Kastellan war von der Botschaft so betroffen, daß er keine Geduld hatte, abzuwarten, bis Pan Charlamp vor ihm erscheine.

Zagloba und Charlamp, die bei Wolodyjowski sahen, sprangen von ihren Plätzen, als sie des Hetmans ansichtig wurden. Czarniecki nickte ihnen kaum mit dem Kopfe zu und sagte sogleich: »Geben Sie mir den Brief!« Charlamp überreichte Sapiehas Brief. Der Kastellan schritt zum Fenster und erbrach das Siegel, Beim Lesen wurde sein Gesicht immer zorniger.

»Kommen Sie her,« sagte er endlich zu Charlamp in scharfem Tone. »Sagen Sie mir die volle Wahrheit. – Der Bericht ist so kunstvoll abgefaßt, daß man absolut nicht aus ihm klug werden kann. Die Truppen sind also geschlagen?«

»Nein, das sind sie nicht, Pan Kastellan.«

»Und wieviele Tage gebraucht ihr, um euch wieder zu sammeln?«

Czarnieckis List glückte nicht.

»Wenn das Heer nicht geschlagen ist, so hat es nicht nötig, sich wieder zu sammeln,« antwortete Charlamp ruhig. »Das Heer ist völlig intakt und folgt den Schweden auf den Fersen.«

»Und Kanonen habt ihr, sagen Sie, keine verloren?«

»Das sage ich nicht; wir haben vier verloren. Die Schweden haben sie unbrauchbar gemacht.«

»Nun wohl, – ich sehe, Sie sprechen die Wahrheit. – Erzählen Sie, wie die Sache sich abgespielt hat.«

»Als wir allein blieben, bemerkte der Feind bald, daß an der Stelle der weggezogenen Truppen nur mehrere »Parteien« geblieben waren, Pan Sapieha nahm an, daß der Feind diese angreifen werde und schickte ihnen Verstärkung, nur eine unbedeutende Verstärkung, um sich selbst nicht zu sehr zu schwächen. Gegen Abend bemerkte man, daß die Schweden sich an dem Ufer der San sammelten. Wir waren gerade im Quartier des Hetman, als Pan Babinicz kam und uns das meldete. Pan Sapieha, der sich gerade zu Tisch setzen wollte, antwortete: »Sie tun nur, als wenn sie die Offensive ergreifen wollten. In Wirklichkeit werden sie das nicht wagen. Wir wollen uns daher unser Vergnügen nicht stören lassen,« Nach dem Mahle begann man zu tanzen; es war eine Menge Damen aus der Umgegend geladen worden. Da bis zum Tagesanbruch getanzt wurde, schliefen wir bis zum Mittag. Um diese Zeit bemerkte der Hetman, daß die Schweden unter starker Artilleriebedeckung eine Brücke zu bauen begannen. An dieser Brücke arbeiteten sie auch am folgenden Morgen. Jetzt fing der Hetman an, Truppen zusammenzuziehen.«

»Und Sie haben euch getäuscht und haben den Fluß an einer anderen Stelle überschritten – und sind euch in den Rücken gefallen?« unterbrach Czarniecki Charlamp, der große Augen machte und verwundert ausrief:

»Sie sind also schon von allem unterrichtet!«

»Sprechen Sie weiter!«

»Der Abend brach herein, die Truppen standen in Bereitschaft. Aber des Nachts gab man wieder ein Fest. Und am nächsten Morgen überschritten die Schweden den Fluß über eine andere Brücke und überfielen uns! Hätte der König mehr Infanterie und Geschütze bei sich gehabt, so wären wir in eine sehr üble Lage geraten; aber der größte Teil der schwedischen Armee schwamm bereits in Böten über den Fluß, wovon bei uns niemand eine Ahnung hatte. Wir fanden nachher eine königliche Korrespondenz, aus der wir ersahen, daß der König sich nach Preußen gewandt hat, um mit der Armee des Elektors zurückzukehren, da die schwedischen Kräfte nicht mehr ausreichen.«

»Ich weiß,« entgegnete Pan Czarniecki, »Pan Sapieha hat mir das Schriftstück mitgesandt.« Und für sich fügte er hinzu: »Auch wir müssen ihm nach Preußen folgen.«

»Das habe ich schon längst vorgeschlagen!« rief Zagloba.

»Das ist ein großes Unglück,« sagte Czarniecki, »Wäre ich zur rechten Zeit nach Sandomier gekommen, so hätten wir mit dem Hetman keinen einzigen Schweden lebend herausgelassen. – Nun ist es vorbei; das Geschehene läßt sich nicht rückgängig machen! – Der Krieg wird sich dadurch hinziehen; aber die Räuber werden ihrem Schicksale doch nicht entgehen!«

Pan Zagloba flüsterte Rzendzian etwas ins Ohr, der darauf verschwand und mit einer Flasche Met zurückkehrte.

»Pan Kastellan,« begann Wolodyjowski, »Sie erwiesen mir die größte Ehre, wenn Sie einwilligen würden –«

»Mit Ihnen gemeinsam eins zu trinken,« vollendete Czarniecki. »Gern, und wissen Sie auch warum, – weil wir uns jetzt trennen müssen.«

»Wieso denn?« staunte Wolodyjowski.

»Pan Sapieha schreibt, daß das Laudaer Banner doch zum litauischen Heere gehöre, und daß es ihm an Offizieren fehle. Mein Freund, Sie wissen, wie ich Sie schätze, und wie mir die Trennung von Ihnen leid tut; aber in diesem Briefe steht der Befehl für Sie, zum Hetman zu gehen. Freilich, als höflicher Mann stellt Sapieha mir das frei; aber, kurz, man entreißt mir den besten Säbel. Ihre Gesundheit! guter Kamerad!«

Wolodyjowski merkte nicht, daß seine Augen in Tränen schwammen.

»Eher möchte ich sterben!« rief er. »Ich habe mich so an Sie gewöhnt, und was dort meiner wartet, ist mir unbekannt.«

»Pan Michail leistet dem Befehle keine Folge!« fiel erregt Zagloba ein. »Ich schreibe persönlich an Sapieha und werde schon die Sache ordnen.«

Aber Pan Michail war doch zu sehr Soldat.

»Eh! Was reden Sie da!« entgegnete er voll Entrüstung. »Man merkt Ihnen sofort den alten Freiwilligen an. Schweigen Sie lieber, wenn Sie von solchen Sachen nichts verstehen. Das ist Sache des Dienstes.«

»Das ist es in der Tat,« fügte Czarniecki hinzu.


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