Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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16. Kapitel.

Nach Anna Borzobohatas Abreise verblieb Sapiehas Armee noch eine ganze Woche in Biala. Kmicic ruhte sich mit seinen Tataren in dem benachbarten Dorfe Rokitno aus.

Inzwischen war auch der Besitzer von Biala, Fürst Michal-Kasimir Radziwill, ein mächtiger Magnat, der aber seinen Birzaner Verwandten durchaus nicht ähnelte, zu Sapieha gekommen. Nicht weniger ehrgeizig als Janusz und Boguslaw, stand er doch auf seiten des Königs und brachte jetzt dem Hetman eine bedeutende Hilfe, trotzdem seine ungeheuren Besitzungen stark während des letzten Krieges gelitten hatten.

Pan Sapieha begrüßte den Fürsten mit großer Freude in seinem Lager. Er wußte, welchen Eindruck es in ganz Polen machen mußte, wenn Radziwill sich gegen Radziwill erhob, und in welchem Lichte Boguslaws Handlungen nun erscheinen mußten. Der Hetman zweifelte nicht mehr an einem Siege, obwohl er seiner Gewohnheit nach langsam überlegte und seine Offiziere täglich zu Beratungen versammelte.

Der Fürst riet sogleich nach seiner Ankunft, gegen Boguslaw loszuschlagen und sich in keine Unterhandlungen mit ihm einzulassen. Der Hetman aber dachte anders. Er vermutete, daß Boguslaws Plan dahin ging, ihn aufzuhalten und zu hindern, sich mit Czarniecki zu vereinigen, der während dessen von Karl-Gustav und dem Elektor geschlagen werden sollte. Um dies zu vereiteln, wollte er zwei bis drei Regimenter zurücklassen, die Boguslaw beobachten sollten, während er selbst mit dem Rest des Heeres versuchen wollte, mit Czarniecki zusammen zu kommen. Der Hetman konnte ohne besonderen Schaden für sich mehrere Regimenter entbehren, um so mehr, als nicht alle seine Kräfte in der Umgegend von Biala versammelt waren: So stand der junge Pan Christoph Sapieha mit zwei leichten Bannern und einem Regiment Infanterie in Jaworow, Horotkiewicz bei Tykocin mit einem halben Regiment Dragoner, fünfhundert Freiwilligen und einem Banner, das den Namen des Wojewoden selbst trug. Außerdem lag noch in Bialystok Infanterie.

Diese Kräfte genügten, um Boguslaw entgegenzutreten. Der Hetman sandte zu all diesen Boten aus; bald aber trafen Nachrichten ein, die alle wie ein Blitz aus heiterem Himmel überraschten.

Im Schloß war man just zu einer Beratung versammelt, als plötzlich der Offizier du jour eintrat und dem Hetman einen Brief überbrachte.

Kaum hatte Sapieha ihn geöffnet, als sein Gesicht sich veränderte, und er mit dumpfer Stimme sagte:

»Mein Verwandter ist unterhalb Jaworows von Boguslaw aufs Haupt geschlagen.«

Im gleichen Augenblicke öffnete sich die Tür von neuem, und ins Zimmer traten zwei mit Schmutz bespritzte Soldaten in gänzlich zerrissener Kleidung.

»Ihr seid aus Horotkiewicz' Regiment?«

»Jawohl.«

»Und wo ist er jetzt?«

»Das wissen wir nicht, – vielleicht tot. – Unser Banner ist vom Fürsten Boguslaw zertrümmert. Wir sind aus der Gefangenschaft entflohen!«

»Und wo hat man euch überfallen?«

»Bei Tykocin.«

»Warum habt ihr nicht in der Festung Zuflucht gesucht?«

»Die Festung ist genommen.«

Der Hetman bedeckte seine Augen mit der Hand, dann fuhr er sich über die Stirn.

»Fürst Boguslaw,« fuhren die Soldaten fort, »schlug noch eine Abteilung, die unter der Führung des Pan Kotczyc stand.«

»Panna Borzobohata!« entschlüpfte es Kmicic' Lippen.

Es entstand eine größere Pause. Boguslaws Erfolge verblüffte alle Anwesenden. So weit hatte es Sapiehas gerühmte Vorsicht gebracht!

Sapieha seinerseits fühlte keine Schuld auf sich, er kam zuerst zu sich und sagte:

»Das sind alles Zufälligkeiten, die in jedem Kriege vorkommen. Die Banner tun mir leid; aber wir müssen dieses Unglück verschmerzen. Der Fürst kommt zu uns. Ziehen wir dem teuren Gaste entgegen! Man gebe sofort das Signal zum Sammeln! Morgen bei Tagesanbruch brechen wir auf!«


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