Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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3. Kapitel.

Der alte Kiemlicz trat in die Hütte ein.

»Pan Oberst, Sie wollen aufbrechen?« fragte er.

»Ja, du sollst uns aus dem Wald herausführen. Die Gegend ist dir doch bekannt?«

»Ja, die kenne ich. Doch wohin wollen Sie?«

»Zum Könige!«

»Heil'ge Jungfrau!« verwunderte sich der Alte, »zu welchem denn?«

»Natürlich nicht zu dem schwedischen.«

Kiemlicz begann sich zu bekreuzigen.

»Wissen Sie denn nicht, daß der König nach Schlesien geflohen ist, daß alle ihn verlassen haben? Sogar Krakau wird schon belagert.«

»So gehen wir eben nach Schlesien.«

»Wie werden wir aber durch die Schweden durchkommen?«

»Als Schlachtschitzen oder Bauern, im Sattel oder zu Fuß, einerlei, durchkommen müssen wir.«

Kiemlicz hörte auf zu staunen. Er wußte, welche Stellung Kmicic am Radziwillschen Hofe einnahm, und glaubte, Kmicic wäre von Radziwill zum Zwecke einer Aussöhnung zum Könige geschickt. Warum sollte er sich nicht solch hohen Persönlichkeiten, Radziwill und dem Könige, gefällig erweisen? »Eine Belohnung wird sicherlich nicht ausbleiben, – und kommt es irgendwo zu Kämpfen, so wird Beute genug in deine Taschen kriechen«, dachte Kiemlicz lächelnd bei sich.

»Du und deine Söhne, ihr kommt mit mir. Aber versuche nicht, mich irgendwem zu verraten. Ich schwöre dir, ich werde dich überall zu finden wissen; nur Gott allein könnte dich vor mir retten.«

»Gott soll mich strafen«, sagte Kiemlicz mit dumpfer Stimme, »wenn mir je solch ein Gedanke kommt. Was befehlen Sie jetzt zu tun?«

»Zu allererst müssen diese Briefe besorgt werden. Einer an den Fürsten-Wojewoden; der Bote soll ihn bei dem ersten fürstlichen Banner, das er trifft, abgeben und gleich zurückkehren. Eine Antwort ist nicht nötig.«

»Der Teersieder kann das übernehmen; er ist ein erfahrener Mann.«

»Gut. – Der andere muß nach Podlachien gebracht werden. – Der Bote muß dort nach dem Laudaer Banner des Pan Wolodyjowski fragen und diesem den Brief persönlich übergeben.«

»Wird auch besorgt werden.«

»Doch halt, höre jetzt aufmerksam zu.«

»Ich höre, höre schon, Pan Oberst.«

»Man hat mich als Bösewicht und Verbündeten des Hetmans und der Schweden in Verruf erklärt. Wenn der König erfährt, wer ich bin, wird er mir nicht glauben. Verstehst du, Kiemlicz?«

»Verstehe schon, Pan Oberst.«

»Deshalb nenne ich mich nicht mehr Kmicic, sondern Babinicz. Verstanden? Meinen richtigen Namen darf niemand erfahren. – Sag' das deinen Söhnen und den Knechten. Daß mir alle das Maul halten! Du bist mir dafür mit deinem Kopfe verantwortlich.« – 355 –

»Das soll alles geschehen. Ich werde das den Dummköpfen schon einschärfen. – Aber, Pan Oberst, ich würde Ihnen raten, eine einfache Bauernkleidung oder die eines armen Schlachtschitzen anzulegen. Es ist besser, daß Sie nirgend verraten, was für eine Stellung Sie einnehmen, und daß Sie Ihre Geleitschreiben nur in ganz besonderen Fällen vorzeigen.«

»Sehr klug!« rief Kmicic. »So ist es wirklich besser.«

»Ich kann Euer Gnaden mit allem dienen. Ich habe Mützen und Schafpelze für Sie und die Soldaten. Wir wollen ein Dutzend Pferde mit uns nehmen und so von Ort zu Ort ziehen, als besuchen wir die Jahrmärkte. Die Schweden werden uns nicht weiter beachten; es fährt ja viel Volk jetzt auf den Landstraßen herum.«

»Und was tun wir, wenn man uns die Pferde wegnimmt?«

»Kauft man sie uns ab, oder nimmt man sie uns mit Gewalt, so gehen wir eben nicht mit Pferden, sondern um Pferde zu kaufen nach Sobota auf den Jahrmarkt, wohin man sogar aus Preußen Pferde bringt.«

»Schön, ich verstehe deinen Plan. – Wir führen Pferde mit uns, und ich werde sie dir im voraus bezahlen, um dich vor Schaden zu bewahren. – Halte alles bereit, wir machen uns gleich auf den Weg. – Warne alle, daß mich niemand Euer Gnaden oder Pan Oberst anredet, sondern einfach Babinicz.«

Kiemlicz entfernte sich, und nach einer Stunde saßen alle schon im Sattel.

Pan Kmicic war in seiner ärmlichen Kleidung und mit dem verbundenen Gesicht gar nicht wiederzuerkennen. Er sah aus wie ein armer Schlachtschitz nach einer Rauferei in einer Schenke. »Marsch!« rief Pan Babinicz. Die Reiter umringten eine kleine Herde von Pferden, die sie vorwärts trieben.


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