Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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11. Kapitel.

Die Ritter verließen schweigend das königliche Quartier. Wolodyjowski wollte nicht sprechen, und Kmicic konnte nicht, ihm schnürte die Wut die Kehle zu. Schweigend bahnten sie sich den Weg durch dichte Volksmassen, die herbeigeeilt waren, um sich die erste Tatarentruppe, die in Lemberg gemäß dem Versprechen des Chan eintreffen sollte, anzusehen.

In Pan Wolodyjowskis Wohnung besichtigten gerade die Skrzetuskis, Pan Zagloba, Rzendzian und Charlamp Krymer Halbpelze, als die beiden Ritter ankamen. Charlamp, der Kmicic am besten kannte, ließ die Hände sinken und rief: »Jesus, Maria!«

Aber Wolodyjowski ließ ihn nicht erst zur Besinnung kommen und begann:

»Erlaubt mir, euch den Czenstochauer Hektor, den treuesten Diener des Königs vorzustellen, der sein Blut für seinen Glauben und für das Vaterland vergoß.«

Und Pan Michail erzählte mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit alle Einzelheiten seiner Unterhaltung mit dem Könige und schloß mit folgenden Worten:

»Fürst Boguslaw hat nicht nur diesen Ritter gemein verleumdet, sondern er hat ihm auch seine Braut aus Kiejdane entführt, um ihn mitten ins Herz zu treffen!«

»Dieser Ritter hat uns gerettet und die Konföderierten vor einem Überfall des Fürsten gewarnt,« sagte Zagloba. »Dafür allein sind ihm alle Sünden erlassen.«

Charlamp griff sich an seinen Kopf und seufzte:

»Solche Art Leute ertrinken nie, kommen trocken aus dem Pfuhl heraus und bringen noch Ruhm mit ans Ufer.«

Kmicic, der nur daran dachte, Charlamp über Alexandra auszufragen, trat dicht zu ihm heran und flüsterte außer Atem:

»Sagen Sie doch schnell, wie hat er die Panna entführt? Hat sie denn eingewilligt oder nicht, und was sagte der Miecznik?«

»Ob die Panna freiwillig mitgefahren ist oder nicht, das weiß ich nicht, ich war nicht bei ihrer Abreise zugegen,« antwortete Charlamp. »Ich weiß nur, daß der Rosiener Miecznik dagegen protestiert hat. Zuerst hat man auf ihn eingeredet, dann hat man ihn ins Zeughaus eingesperrt, und später hat man ihm erlaubt, sich frei nach Billewicze zu begeben. Die Panna ist in schlechten Händen, das kann ich Ihnen nicht verhehlen. Man sagt nicht umsonst von dem jungen Fürsten, daß er die Weiber mehr liebt als der schlimmste Türke.«

Kmicic stöhnte dumpf auf und knirschte mit den Zähnen. »Mich wundert nur eins«, mischte sich Skrzetuski ein, »daß der Fürst-Wojewod die Panna Billewicz gleich dem Fürsten Boguslaw ausliefern konnte.«

»Ich bin kein Politiker«, antwortete Charlamp, »und weiß nichts. Ich hörte nur verschiedene Offiziere darüber sprechen. Der eine sagte: »Nun, Kmicic wird nach dem Fürsten keine Rosen mehr ernten«, worauf Ganchoff erwiderte, daß die Politik hier eine größere Rolle spiele als die Leidenschaft. Wenn die Panna sich Boguslaw widersetzt, so wird er sie nicht zwingen können; denn die Sache wird ruchbar werden und zu Ohren der Fürsten-Wojewodin und ihrer Tochter kommen, die Boguslaw heiraten möchte.«

»Nach diesen Worten muß Ihnen ein Stein vom Herzen fallen«, bemerkte Pan Zagloba. »Es ist klar, daß ihr nichts Böses geschehen wird.«

»Wozu aber hat er sie denn mitgenommen?« schrie Kmicic außer sich.

»Gut, daß Sie sich an mich wenden«, sagte Zagloba wichtig, »ich habe schon öfter Rätsel gelöst, über die sich manch einer jahrelang den Kopf zerbrochen hat. Wozu er sie entführt hat? Ich bezweifle nicht, daß sie ihm gefallen konnte, aber mitgenommen hat er sie, um durch sie alle Billewicz', und es sind ihrer nicht wenige, in seine Hand zu bekommen und sie zurückzuhalten, gegen die Radziwills Feindseligkeiten zu eröffnen.«

»Und wo ist er jetzt?«

»Eins ist sicher, in Tauroggen ist er nicht«, antwortete Charlamp, »unsere Boten haben ihn dort nicht angetroffen. Wenn Sie auf den Rat eines einfachen Soldaten hören wollen, so kann ich Ihnen folgendes sagen: Ist der Panna Billewicz in Tauroggen ein Unglück zugestoßen, so brauchen Sie Boguslaw jetzt nicht nachzusetzen, ist sie aber mit der Fürstin zusammen nach Kurland gereist, so können Sie ihretwegen ganz beruhigt sein. In den jetzigen unruhigen Zeiten ist keine bessere Zufluchtsstätte für sie zu finden. – Boguslaw steht jetzt wahrscheinlich im Begriff, sich mit Karl-Gustav zu vereinigen und sich gegen Pan Czarniecki zu wenden.«

»Es ist in der Tat jetzt das Beste für Sie, mit uns zusammen zu Czarniecki zu ziehen«, fiel Wolodyjowski ein, »dort werden Sie leicht Boguslaw begegnen.«

»Ich danke euch, Freunde, für euren guten Rat«, sagte Kmicic und begann sich schnell von allen zu verabschieden.

»Ich begleite Sie«, sagte Wolodyjowski.

»Ich auch«, fügte Jan Skrzetuski hinzu.

»Auch ich«, rief Zagloba.

Auf den Straßen war das Gedränge noch ärger geworden als zuvor. Ein jeder wollte die Tataren sehen, die vereinzelt ruhig in den Straßen umherritten. Es war schwer, sich durch die Menge durchzuarbeiten.

»Gott hat die Herzen der Heiden erweicht«, bemerkte Zagloba, »jetzt sind sie uns zu Hilfe gekommen. Wirklich, ein Wunder, muß man sagen.«

»Sie kommen! Sie kommen!« ertönten in der Menge Ausrufe. In der Tat, die tatarische Abteilung nahte. Man vernahm eine durchdringende Musik. Die Menge gab willig die Mitte der Straße frei.

»Seht nur, auch eine Kapelle, – das ist bei den Tataren eine Seltenheit«, sagte Zagloba.

Die ersten Reihen des Zuges kamen heran. Voran ritt auf einem bunten Gaule ein dunkelfarbiger Tatar mit zwei Rohrpfeifen im Munde. Ihm folgten zwei Musikanten mit langen, oben mit kupfernen Schellen verzierten Stöcken, dann zwei andere mit kupfernen Tellern. Diese Instrumente klapperten und dröhnten ohne jede Harmonie. Die übrigen Musikanten sangen, oder richtiger heulten, wobei sie ihre weißen, großen Zähne zeigten. Diesem originellen Orchester folgte die Truppe, je vier Reiter in einer Reihe.

Dieses Regiment hatte der Chan dem Könige gewissermaßen als Anzahlung geschickt. Der Anführer, Akbah-Ulan, war ein alter, erfahrener Kriegsmann. Er ritt hinter den Musikanten in einem Pelz, dessen rosiger Samtbezug abgenutzt war, und der seine mächtige Figur einengte. Auf seinem hohen Sattel schaukelnd, ritt er dahin und beobachtete von der Seite seine Tataren, als fürchtete er, daß sie angesichts der unbewaffneten Männer und Frauen und der offen stehenden Läden sich nicht würden enthalten können zu plündern. Aber die Tataren ritten ruhig, wie eine angeleinte Meute; nur ihre gierigen Blicke verrieten, was in ihren Seelen vorging. Die versammelte Volksmenge sah die Einziehenden auch recht scheel an, die Tataren flößten den Polen kein besonderes Vertrauen ein.

»Diese Verbündeten werden uns teuer zu stehen kommen!« sagte Zagloba. »Sie und die Schweden werden kein ganzes Dach in unserer Republik zurücklassen.«

»Unterwegs hörte ich«, entgegnete Wolodyjowski, »daß laut Vertrag jede tatarische Abteilung von fünfhundert Mann einem polnischen Offiziere unterstellt werden solle, der Vollmacht über sie hat. Sonst, glaube auch ich, werden diese Verbündeten nichts als kahle Erde hinter sich lassen.«

»Und was will der König mit dieser Abteilung machen?«

»Er wird sie wohl dem Pan Czarniecki schicken.«

»Nun, Pan Czarniecki wird es schon verstehen, sie im Zaume zu halten. Er wird einen geeigneten Offizier für sie aussuchen.«

»Und dieser Offizier wird sie befehligen? Und der dicke Aga, was wird der tun?«

»Wenn er kein Dummkopf ist, wird er tun, was man ihm befiehlt.«

»Auf Wiedersehen, Freunde, auf Wiedersehen!« rief plötzlich Kmicic.

»Wohin eilen Sie denn?«

»Zu dem Könige. Ich will ihm zu Füßen fallen und ihn bitten, mir den Befehl über diese Leute zu geben.«


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