Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Henryk Sienkiewicz

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10. Kapitel.

Die Worte der Panna erfüllten Kmicic' Seele mit neuer Hoffnung, und volle drei Tage lang wollte ihm sein Erlebnis nicht aus dem Kopfe. Am Tage im Sattel, des Nachts auf dem Lager dachte er darüber nach, und immer kam er zu dem Schlusse, daß das kein Zufall, sondern eine Fügung Gottes war. Er fühlte, daß, wenn er von dem rechten Wege nicht weichen, Alexandra ihm treu bleiben und ihm wieder ihr Herz schenken würde. Während diese Gedanken seiner Seele Trost gaben, quälte ihn andererseits das traurige Schicksal der Republik um so mehr.

Die Macht der Schweden wuchs von Tag zu Tag, und die Gerüchte, daß die kleinen Reste der polnischen Regimenter meuterten und ihren Hetmans drohten, zu den Schweden überzugehen, nahmen an Wahrscheinlichkeit täglich zu.

Die Nachricht, daß der Fahnenträger Koniecpolski sich mit seiner Division den Schweden unterworfen habe, hallte in der ganzen Republik wie ein verheerender Donnerschlag wieder; denn Pan Koniecpolski war einer der Zbarazer Helden. Seinem Beispiele folgte Pan Starost Jaworski und Fürst Dymitr Wisniowiecki, den selbst der unsterbliche Ruhm seines Namens von keiner solchen Tat zurückhielt. Man begann sogar an der Verläßlichkeit des Marschalls Pan Lubomirski zu zweifeln. Leute, die ihn kannten, behaupteten, daß sein Ehrgeiz seine Vaterlandsliebe überwiegen und daß er angesichts der schwedischen Erfolge die Republik fallen lassen werde. Und in der Tat begann er dem unglücklichen Jan-Kasimir mehr und mehr zu zeigen, daß es in seiner Macht lag, ihn endgültig untergehen zu lassen, oder ihn zu erretten.

Der vertriebene König hielt sich mit einer Hand voll Getreuen in Glogau auf, die willig sein Los teilten. Doch auch diese kleine Schar begann sich zu lichten, und aus ihren Reihen gingen täglich welche zu den Schweden über. Karl-Gustav nahm alle Überläufer mit offenen Armen auf und überschüttete sie mit Wohltaten.

Im Osten war der Krieg mit neuer Kraft entbrannt. Der schreckliche Chmielnicki belagerte wieder Lemberg. Litauen befand sich in den Händen der Schweden und Chowanskis, und Radziwill eröffnete den Feldzug in Podlachien. Der Kurfürst zögerte noch, aber man wußte, daß er bereit war, der verendenden Republik den Todesstoß zu versetzen. Abgesandte von aller Herren Länder kamen nach Polen, um dem schwedischen Könige zu seinem Siege zu gratulieren.

Inzwischen begann der Winter seinen Einzug zu halten. Das Laub fiel von den Bäumen, die ihre kahlen Äste gen Himmel streckten. Scharen von Raben und Krähen kamen aus den Wäldern heraus und umkreisten mit ihrem heiseren Gekrächze die Städte und Dörfer der Republik.

Die letzte Rast auf seiner Reise nach Czenstochau hielt Kmicic in Kruszyn. Kaum wollte er sich zur Ruhe begeben, als neue Gäste dort eintrafen. Zuerst erschien eine schwedische Abteilung unter der Führung eines hohen Offiziers. Dieser war ein Mann in mittleren Jahren, groß, kräftig und breitschulterig. Trotz seiner fremdländischen Kleidung sprach er, als er die Schenke betrat, fließend und fehlerlos polnisch. Er fragte den Pan Andreas, wer er sei, und wohin er reise. Kmicic begann zu erzählen, daß ihn der schwedische Oberst betrogen und ihm statt des Geldes eine Quittung gegeben habe, – daß er jetzt im Begriffe stehe, sich zu dem schwedischen Könige zu begeben, um dort seine Klage vorzubringen.

»Es ist recht, daß Sie zum Könige selbst fahren; denn obgleich er Tausende von Angelegenheiten im Kopfe hat, so läßt er doch jeden vor und hört alle an. Und zu dem polnischen Adel ist er sogar so freundlich, daß selbst die Schweden euch beneiden können.«

»Wenn nur Geld im Säckel wäre!«

»Vergeßt nicht, Karl-Gustav ist nicht wie Euer Jan-Kasimir, der sich bei den Juden so viel als zugänglich zusammenborgte, um es dann dem ersten besten Bittenden mit vollen Händen wegzugeben. – Übrigens, wenn ein gewisser Plan gelingt, so wird es an Geld im Säckel nicht fehlen.«

»Von welchem Plane sprechen Euer Gnaden?«

»Wir kennen uns zu wenig, Pan Kavalier, als daß ich mich darauf einlassen kann, Sie in geheime Angelegenheiten einzuweihen. Merken Sie sich nur eins; in einigen Wochen wird die königlich-schwedische Kasse ebenso reich sein wie die des Sultans.«

»Ich wüßte nicht woher; es sei denn, daß ein Alchymist dem Könige seine Hilfe leihe. Sonst ist aus diesem Teile des Landes nicht viel zu holen.«

»Hier zu Lande braucht man nur einen festen Willen zu haben, und an dem fehlt es uns nicht.«

Draußen erschollen Hufschläge, der Offizier unterbrach das Gespräch und verließ eiligst die Gaststube. Kmicic folgte ihm und blieb in der Haustür stehen. Vor der Schenke fuhr eine Equipage vor, die von einer Eskorte schwedischer Reiter umringt war. Der Offizier öffnete die Tür des Wagens und nahm seinen Hut ehrfurchtsvoll ab. Der Equipage entstieg ein älterer Herr, der einen schwarzen Pelzmantel trug.

Der Offizier nahm aus den Händen eines der Reiter eine Fackel, verbeugte sich tief und sagte: »Hier, Exzellenz!«

Kmicic eilte in die Gaststube zurück; die Angekommenen folgten ihm. Der Offizier verbeugte sich abermals.

»Exzellenz, mein Name ist Weyhard Wrzeszcowicz, Proviantmeister Seiner Majestät des Königs Karl-Gustav. Ich bin mit einer Eskorte Euer Exzellenz entgegengesandt.«

»Sehr angenehm, einen so würdigen Kavalier zu sehen,« antwortete der Mann im schwarzen Mantel. »Zuerst wollte ich der Messe in Czenstochau beiwohnen, doch unterwegs traf mich ein Befehl, mich nicht aufzuhalten. Wir werden hier ein wenig ausruhen und dann weiterfahren. Inzwischen kann meine Eskorte zurückgeschickt werden.«

Der Offizier ging hinaus, um den nötigen Befehl zu erteilen. Pan Andreas hielt ihn einen Augenblick an.

»Wer ist der Kavalier?« fragte er.

»Baron Lisola, der kaiserliche Gesandte.«

Dann eilte der Offizier hinaus und kehrte mit der Meldung zurück, daß alles angeordnet sei.

»Ich danke,« sagte Lisola, und mit lässiger Liebenswürdigkeit forderte er Wrzesczowicz auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen. »'s wird wahrscheinlich Regen geben; ein Wind hat sich draußen erhoben. Wir werden vielleicht gezwungen sein, längere Zeit hier zu weilen. – Doch, was gibt es Neues?«

»Eine Wojewodschaft nach der anderen unterwirft sich.«

Lisola senkte sein kluges Haupt.

»Schrecklich, wirklich unerhört!« entgegnete er.

Die Unterhaltung wurde deutsch geführt. Kmicic hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu.

»Exzellenz,« bemerkte Wrzeszczowicz, »es geschieht, was geschehen mußte.«

»Mag sein, – aber trotzdem kann man nicht frei werden von einem Gefühl des Mitleides für die Macht, die existierte – und mit der es jetzt aus ist. Wer kein Schwede ist, muß ein Bedauern dabei empfinden.«

»Ich bin kein Schwede, und wenn die Polen selbst das nicht bedauern, so habe ich gewiß keine Veranlassung dazu.«

Lisola sah ihn aufmerksam an.

»Es ist wahr. Ihr Name ist kein polnischer. Sagen Sie, welcher Nationalität gehören Sie eigentlich an?«

»Ich bin Tscheche.«

»So? Untertan des deutschen Kaisers? – Wir sind also Diener ein und desselben Herrschers?«

»Ich stehe in Diensten Seiner Majestät des schwedischen Königs,« sprach Wrzeszczowicz, sich verbeugend.

»Nun ja, aber wo und wem Sie auch dienen mögen, Ihre Pflichten Ihrem Monarchen gegenüber hören doch nicht auf.«

»Das leugne ich nicht.«

»So muß ich Ihnen offen gestehen, daß unser Monarch tief traurig ist über das Geschick der Republick. Was haben Ihnen die Polen getan? Warum sind Sie so hart gegen sie?« –

»Ich werde Ihnen ehrlich antworten. – Als jüngerer Sohn einer Adelsfamilie mußte ich mein Glück in der weiten Welt suchen. So kam ich hierher in dies Land des verwandten Volkes.«

»Nun, und hat man Sie hier schlecht aufgenommen?«

»Man betraute mich mit der Aufsicht großer Salzsiedereien. Ich fand Zutritt zur Gesellschaft, ja zum Könige selbst. – Und jetzt diene ich den Schweden. Von Undank kann hier keine Rede sein. – Warum sollte man an mich größere Anforderungen stellen als an die Polen selbst? Wo sind jetzt die Polen? Wo sind die Senatoren, die Fürsten, Magnaten, Schlachtschitzen? Sind sie nicht alle in schwedischen Lagern? Nun, ich folge ihrem Beispiele, und wer hätte das Recht, mich des Undanks zu zeihen? Warum sollte ich, ein Fremder, der Republik und ihrem Könige treuer bleiben, als sie selbst? Weshalb soll ich einen Dienst verschmähen, nach dem sie alle nach besten Kräften streben?«

Lisola antwortete nicht. Es schien, als lauschte er dem herbstlichen Regen, der an die Fensterscheiben des Zimmers zu schlagen begann.

»Wahrhaftig,« sagte er nach einiger Zeit, »ich bekomme hier merkwürdige Dinge zu hören.«

»Ich suche das Glück da, wo ich es zu finden hoffe,« fuhr Wrzeszczowicz fort, »selbst, wenn ich mich dieses Volkes erbarmt hätte, zugrunde müßte es doch gehen.«

»Und warum?«

»Zuerst, weil es selbst es nicht anders will, und dann, weil es nichts besseres verdient. Gibt es denn in der Welt irgendwo ein Land, wo so viel Willkür und Unordnung herrscht wie hier? Was ist denn hier für eine Regierung? – Der König regiert nicht, denn man läßt ihn nicht. Die Reichstage regieren nicht, denn sie werden gesprengt. Ein Heer gibt es nicht, niemand will Steuern zahlen. Recht und Gesetz existieren nicht, denn niemand hat die Macht, Rechtsurteile zu vollstrecken; jeder tritt das Gesetz mit Füßen. Von Treue hat das Volk hier überhaupt keinen Begriff; alle haben ihren König verlassen, und für das Versprechen, weiter bei dieser Willkür verharren zu können, haben sie ihr Vaterland den Schweden verkauft. – Wo anders könnte so etwas nicht geschehen! Welches Volk würde dem Feinde helfen, sein eigenes Land zu erobern? Wann hätte ein Volk seinen König verlassen, nur weil ein anderer, mächtigerer gekommen ist? – Exzellenz, nennen Sie mir eine Tugend, die dieses Volk besitzt! Beständigkeit, Geist, Vernunft, Zurückhaltung, – von alledem merken Sie hier nichts. – Das einzige, was man hat, ist eine gute Reiterei, weiter nichts. Nun, die Numidier und die Gallier besaßen auch eine gute Reiterei; wo aber sind sie jetzt? Sie sind untergegangen, wie auch diese untergehen werden. Und wer sie retten will, der verliert unnütz seine Zeit, weil sie selbst sich nicht retten wollen! – Hier zu Lande gibt es nur Verrückte, Bösewichte oder Verräter!«

Lisola protestierte nicht, er fragte nur:

»Pan Wrzeszczowicz, sind Sie Katholik?«

Wrzeszczowicz geriet in Verwirrung. »Jawohl, Exzellenz,« erwiderte er.

»Ich habe gehört, daß man dem Könige Karl-Gustav geraten habe, das Jasnogorsker Kloster zu besetzen. – Ist das richtig?«

»Das Kloster liegt dicht an der schwedischen Grenze, und Jan-Kasimir kann von dort leicht Verstärkungen erhalten. Um das zu verhindern, müssen wir es besetzen. – Ich war der erste, der dies in Erwägung zog, und Seine Majestät hat mich deshalb ermächtigt –«

Hier unterbrach der Offizier seine Rede. Er erinnerte sich an Kmicic, der in der anderen Ecke des Zimmers saß, und ging auf ihn zu.

»Pan Kavalier, verstehen Sie deutsch?« fragte er.

»Kein Wort,« antwortete Pan Andreas.

»Schade, wir wollten Sie einladen, an unserer Unterhaltung teilzunehmen.«

Und er ging wieder zu Lisola zurück.

»Dort sitzt ein Schlachtschitz,« sagte er, »aber da er nicht deutsch versteht, so können wir uns ungestört weiter unterhalten.«

»Ich habe keine Geheimnisse,« entgegnete Lisola. »Aber da ich selbst Katholik bin, würde ich ungern eine Entweihung des heiligen Ortes sehen. Auch der Kaiser teilt diese Meinung mit mir, und ich werde deshalb Seine Majestät bitten, die Mönche zu schonen. Auch Sie müssen erst auf einen neuen Beschluß warten.«

»Ich habe bestimmte, wenn auch geheime Instruktionen. Exzellenz können völlig beruhigt sein. Der heilige Ort wird keine Verunglimpfung erfahren: Ich bin auch Katholik.«

Lisola lächelte und fragte ironisch:

»Und in die Schatzkammer der Mönche werden Sie keinen Einblick tun?«

»Das ist sehr möglich. Die heilige Jungfrau bedarf der Taler des Priors nicht. – Wenn alle besteuert werden, so sollen auch die Mönche zahlen.«

»Und wenn sie sich zur Wehr setzen?«

Wrzeszczowicz lachte laut auf.

»In diesem Lande hat bisher keiner an Widerstand gedacht. Früher hatte man Zeit dazu, jetzt aber ist es zu spät.«

»Zu spät,« wiederholte Lisola.

Damit endigte die Unterhaltung. Nach dem Abendessen fuhren Wrzeszczowicz und Lisola fort, Kmicic blieb allein. Diese Nacht war für ihn seit der Abreise von Kiejdane die allerschlimmste.

Als er den Worten Wrzeszczowicz' lauschte, mußte er sich Gewalt antun, nicht laut aufzuschreien: »Du lügst, Hund!« und sich mit dem Schwerte auf ihn zu stürzen. Und wenn er sich dennoch beherrschte, so geschah es, weil die Worte des Fremden eine Wahrheit enthielten, eine schreckliche, wie Feuer brennende Wahrheit.

»Was hätte ich ihm antworten können?« fragte er sich immer wieder. »Welche Gegenbeweise hätte ich anführen können?« – Unruhig wälzte er sich auf seinem Lager umher. Sobald der Tag anbrach, kleidete er sich an und ging auf den Hof hinaus. Er weckte seine Leute und brach mit ihnen auf.

Nach der schlaflosen Nacht war er körperlich und seelisch zerschlagen. Die Hoffnung versiegte in ihm bis auf den letzten Tropfen, und sie erlosch wie das Lämpchen vor dem Heiligenbild, dem es an Öl fehlt. Was wird ihm dieser Tag bringen? Neuen Kummer, neue Schmerzen; wird er die Last, die seine Seele bedrückt, wieder vergrößern?

Inzwischen war es heller und heller geworden, und das Grau des Himmels war allmählich in ein lichtes Blau übergegangen. Am Rand des Horizonts zeigte sich ein leuchtender Punkt.

»Eigentümlich,« sagte Soroka. »Dort ist doch Westen, aber es sieht aus, als wenn dort die Sonne aufginge.«

Und in der Tat nahm der leuchtende Punkt mehr und mehr an Größe zu, er ward zum Kreise. Es sah aus, als ob jemand einen ungeheuren Stern über die Erde gehängt hatte, dessen blendende Strahlen sich ringsum verbreiteten.

Kmicic und seine Leute blickten verwundert auf diese eigentümliche Erscheinung.

Kmicic ritt einem Bauern nach, der des Weges fuhr.

»Höre mal,« rief er, »was leuchtet denn da?«

»Das Jasnogorsker Kloster,« sagte der Bauer.

»Gelobt sei die heilige Jungfrau!« rief Kmicic und nahm seine Mütze vom Kopfe ab.

Nach so vielen qualvollen Tagen des Zweifels fühlte Pan Andreas plötzlich in sich eine sonderbare Veränderung vorgehen. Kaum drangen die Worte »das Jasnogorsker Kloster« an sein Ohr, als sein Gram verschwand, gleich als hätte eine Hand ihn von ihm genommen.

Des Ritters bemächtigte sich ein unerklärliches, beängstigendes Gefühl der Ehrfurcht und zugleich eine große, heilige Freude. Von dieser Kirche, die unter den ersten Strahlen der Morgensonne weithin auf der Höhe leuchtete, ging eine Hoffnung aus, wie er sie schon lange nicht empfunden hatte, eine Zuversicht, die er vergebens gesucht hatte, eine unbesiegbare Kraft, auf die er sich stützen wollte. Eine neue Lebenskraft schien sich mit seinem Blute durch seine Adern zu ergießen. Er atmete aus voller Brust auf.

Und die Kirche erglänzte heller und heller, als wenn sie sämtliche Strahlen der Sonne in sich aufgesogen hätte. Kmicic blickte lange und ehrfurchtsvoll auf dieses Licht. Die Gesichter seiner Leute wurden auch ernst und andächtig.

Plötzlich ergoß sich durch die stille Luft der erste Glockenschlag.

»Absteigen!« rief Pan Andreas.

Alle sprangen von ihren Pferden und knieten nieder. Pan Andreas sprach laut ein Gebet, das die Soldaten im Chor wiederholten.

Nach dieser Andacht ging Kmicic zu Fuß weiter, er fühlte sich wie neugeboren. Je näher sie kamen, desto größer und majestätischer wurde der Anblick des Klosters und der es umgebenden Mauern. Endlich sah man auch in der Ferne die Stadt, die am Fuße des Berges lag, auf dem sich das Kloster erhob. Und ihre Hunderte von Häusern und Hütten schienen im Vergleich zu der ungeheuren Größe des Klosters so klein, als wären sie Nester von Vögeln, die sich dort angesiedelt hätten.

Es war Sonntag. Je höher die Sonne auf ihrem Himmelswege stieg, desto mehr Wagen und Fußgänger füllten die Straße, die zur Kirche führte. Alles eilte zur Messe. Von allen Türmen erklang das Geläute der großen und kleinen Glocken. Ringsum die Klostermauern wimmelte es von unzähligen Leuten. Hunderte von Equipagen, Kaleschen und einfachen Wagen standen dort, und die Stimmen der Menschen vermischten sich mit dem vielfachen Wiehern der Pferde. Weiter rechts, den Hauptweg entlang, der auf den Berg führte, stand eine ganze Reihe von Buden, in denen Kerzen, Heiligenbilder und Kreuze feilgeboten wurden.

Die Tore des Klosters waren weit geöffnet. Ein jeder konnte hinein- und herausgehen. Niemand stand bei den Kanonen auf der Mauer. Die Heiligkeit des Ortes schützte das Kloster, oder verließen sich die Mönche auf die Briefe Karl-Gustavs, der ihnen gänzliche Sicherheit versprochen hatte? – –


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